Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

1 2

Mein Jakobsweg

Von Fiddigeigei Montag 29.08.2022, 11:26


Joseph von Eichendorff 
Wo noch kein Wandrer gegangen,
Hoch über Jäger und Ross
Die Felsen im Abendrot hangen
Als wie ein Wolkenschloss.

Dort zwischen Zinnen und Spitzen
Von wilden Nelken umblüht
Die schönen Waldfrauen sitzen
Und singen im Winde ihr Lied.

Der Jäger schaut nach dem Schlosse;
"Die droben, das ist mein Lieb".
Er sprengt von dem scheuenden Rosse-
Weiß keiner, wo er blieb.
Entnommen von gedichte.levrai.de/wanderer_wandern_gedichte.htm


Auf der Hocheben.

Der Weg führte über eine Hochebene, die nur spärlich mit windschiefen Birken, grünnadeligen Latschen, auf deren Spitzen gelbblühenden Kerzen steckten und mit Ebereschen, die dicht mit roten Beeren voll hingen, bewachsen war.
Das bläuliche harte Gras bildete kleine büschelige Inseln, die wie Nordsee- Halligen zwischen der der reich blühten Erika schwammen.
Wollgras und Weideröschen hatten ihre Dolden bereits in wehenden Flachsfahnen verwandelt und warteten vergeblich auf fleißigen Spinnerinnen, die ihnen die Wolle abpflückten. Aber der Wind hatte ein Einsehen und bließ die weiße Pracht wie flauschige Federn über die Ebene.
Der torfige Moorboden war so nachgiebig, dass das Laufen auf ihm angenehm wie auf einem dicken Teppich war.
Der einsame Wanderer konnte nicht anders, er wollte die lebendige Erde unter seinen Füssen spüren, zog seine schweren Bergschuhe aus und ging barfuß über diesen weichen warmen bebenden Boden, der sorgenden Mutter dieser großartigen Natur.
Fast in der Mitte des Hochmoores wuchs eine riesige, alte Schwarzwaldtanne. Ihre, wie bei einem Adlerflügel durchgeschwungenen ausladenden Äste, hingen fast bis zum Boden und verkürzten sich gleichmäßig, umso weiter sie sich nach oben zu zu einer Spitze formte, an der hunderte braune reifen Zapfen hingen, angefüllt mit trächtigem Samen für viele, viele Nachkommen.
Wie wenn Kinder einen Weihnachtsbaum malen -dachte der Jakob-; und da er gerade eine tüchtige Mütze Müdigkeit verspürte, überlegte er sich, ob er hier nicht rasten wolle.
Sein Mahl war einfach und bestand aus dunklem, in einem Holzofen gebackenen Bauernbrot und einem krummgewachsenen, narbigen Apfel, von der mit Morgentau erfrischten Wiese, die er beim Anstieg vom Tal aus passieren musste.
Der Schlaf klopfte bei ihm an. Ein dickgewachsenes Moospolster welches sich unter dem hundertjährigen Schutz der Tanne gebildet hatte, bot sich ihm als himmlisches Lager.
Nebenan sorgte duftendes Heidekraut für einen heilsamen Schlummer. Für Jakob konnte sich kein besseres Bett finden in dem man so friedlich liegen konnte. Dicke pummelige Erdhummeln die Blütenhonig sammelten, summten ihm ein Wiegenliedchen und Jakob schloss seine Augen, geborgen wie in Abrahamsschoß.
Der auf-und abschwellende Mittagswind rauschte in den mit grauen, langen, geisterhaftaussehenden Moosbärten behangenen Tannenästen und bewegten diese wie aufgespannte Rahsegel hin und her.
Wenn man wollte, konnte man sich an diesem Ort an irgendeinen Meerstrand träumen, an dem die Wellen ihr ewiges Lied rauschten, oder dass man vom Wind getragen auf weißen Wolkenschiffen sitzend davon flog- Immer höher, immer weiter fort und fort.
Das tat Jakob und er schlief tief und fest, sicher gebettet wie im Schoss einer Frau, die den Schlaf ihres Geliebten bewacht.
Im Schlummer viel ihm bei dem Tannenrauschen die Geschichte vom Köhler Munk Peter, dem Glasmännlein und dem bösen Holländermichel ein.
Er dachte darüber nach, ob sein Herz auch so kalt sei und er kein Mitleid mehr verspüren könnte. Wovon war er weggelaufen? War es sein grenzenloses Streben nach Macht über die ihm anvertrauten Menschen? War es die Sucht nur an Geldvermehrung zu denken und sich an dem Reigen um das Goldene Kalb zu beteiligen.
Aber das alles hat er längst abgestreift und eines Tages wollte er wieder zurück, gerade noch rechtzeitig bevor sein Herz, welches bereits zu einem grossen Teil aus kaltem grauen Granit
bestand , ganz zu Stein wurde. Plötzlich verlangte es ihn wieder zum kleine Jakob zu werden. Niemand verstand ihn, niemand wollte ihm zuhören. Warum Jakob, du hast doch alles was ein Mensch sich nur wünschen kann!
Bei Nacht, wie ein Dieb schlich er sich davon aus all dem Luxus, der ihn fast zu einem seelischen Krüppel hätte verkommen lassen.
Und nach vielen Tagen seiner ruhelosen Wanderschaft merkte er langsam, wie sein Mitleid wieder zu ihm zurück fand, wie sich der Granitklotz in ihm langsam wieder in mehr und mehr Herzwärme zu verwandeln begann. Jakob wurde wieder Jakob. Er, Jakob, hatte alles aufgegeben was der Menschheit so wichtig schien und er lebte so frei wie ein Vogel vom Tag zur Nacht und von der Nacht zum Tag.
Ab und zu, wenn er etwas Geld benötigte, half er bei Bauern oder Handwerker aus, aber dann trieb es ihn wieder fort in seine selbst gewollte und selbst gewählte Einsamkeit.
Jakob hatte eine gute Zeit geschlafen, als er unsanft geweckt wurde. Tannenzapfen fielen aus der Höhe auf ihn herunter.Zuerst dachte er an den riesigen Holländermichel, der die alte Tanne schüttelte und rüttelte um ihm Angst einzujagen, aber dann erkannte ganz oben im Wipfel ein rötlichbraunes Eichhörnchen, welches sich die Samen der reifen Zapfen schmecken liess und ihm die leeren Hüllen zudachte.
Jakob musste lachen, bedankte sich bei dem rotbraunen, schwanzbuschigen Kobold für das Wecken, denn die Sonne hatte schon Tiefstand und er wollte ein gutes Stück Weg weiter. Noch etwas schlaftrunken rappelte er sich auf, zog seinen Bergschuhe an, stopfte den Rucksack, warf ihn sich über den Rücken und ging auf dem schmalen Pfad dorthin, wo die Sonne bald untergehen würde.

Aus Jakobs Wandertage von Carlos Fidigeigei


Aus Jakobs

Du möchtest die Antworten lesen und mitdiskutieren? Tritt erst der Gruppe bei. Gruppe beitreten

Mitglieder > Mitgliedergruppen > Deutsche Lyrik > Forum > Mein Jakobsweg