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Das Mädchen und der Tod

Von Fiddigeigei Mittwoch 15.09.2021, 10:54


Der Tod mit den Engelsflügel. Die 4 Jahreszeiten bilden unser menschliches Leben ab. Jetzt beginnt der Herbst, der Vorbote zum Winter, indem sich dann, vorbereitet durch den Herbst, die Natur zur Ruhe begibt.

Klar, als kleiner Junge dachte ich , dass so ein Engel mich fest an der Hand über eine wackelige Brücke führte, unter der ein wildgurgelnder Wildbach auf ein Menschenopfer wartet. Der Engel hatte ein langes weißes Gewandt an und war barfuß. Er hielt mich, den Knaben fest an seiner Hand und ich dachte, sollte die Brücke brechen, dann würde der Engel mich mit seinen wuchtigen Schwanenflügel nach oben tragen um mich sicher auf der anderen Seite des Baches wieder abzusetzen.
Als ich dann älter geworden war, lass ich die Griechische Sage vom Ikarus, der sich solche Schwanenflügel bastelte und die Federn mit Wachs zusammen klebte. In seinem Übermut es den Engeln gleich tun zu können, kam er der Sonne zu nahe, das Wachs schmolz und er stürzte ins Mittelmeer.
Seitdem vertraute ich den Engeln nicht mehr so absolut.
Als Mann verließ ich mich überhaupt nicht mehr auf die Engel und ich begann nachzudenken. Wer ist eigentlich der wahre Herrscher über Tod und Leben?
Dabei stieß ich auf eine ganz andere Gestalt, den Tod.
Den Tod stellen sich die Menschen als Knochengerüst vor, meist hüllt er sich in eine Schwarze Kutte mit Kapuze und trägt eine Sense. Sensen sind eigentlich total out, manche Menschen wissen gar nicht mehr, wie so ein Instrument aussieht und so wollen wir einen altertümlichen Tod gleich vergessen.
Der moderne Tod kommt in einem schnellen BMW oder Porsche vorgefahren. Er verkleidet sich auch gerne als ganz kleine fast unsichtbare Krebszelle, nistet sich in gesunden Körpern ein und wird dann größer und größer, bis er den Körper beherrscht.
Er kann viele Gestalten annehmen, wie Bomben oder Gewehrkugeln, Taifune und Tsunamis.

Wir lieben ihn nicht, aber manchmal beten wir ihn an, uns doch zu befreien von diesem Leben.

Was ich eigentlich damit sagen will, der Schutzengel ist eine Fata Morgana, ein Hirngespinst, der gegen den Tod eine Null ist. Der wirkliche Herrscher der Erde ist nicht ein imaginärer Gott, der keinerlei Interesse an uns Menschen hat, oder etwa solche weicheiigen Flatterfiguren, sondern der Tod ist der wahre Gott der über uns bestimmt und herrscht.
Begegnet bin ich ihm schon oft und so gar bereits als ich gezeugt wurde. Viele tausende Samenzellen stürzten sich auf mein Ei und nur einer der vielen Samen hat getroffen. Alle anderen Samen und Eier nahm sich der Tod als Beute.
Seitdem ich das weiß, lebe ich mit meinem persönlichen Tod eng und vertrauensvoll zusammen.
Wie oft schon hätte er mich zu sich holen können, aber er tat es nicht.
Warum, frage ich mich? Weil ich vielleicht keine Angst vor ihm habe. Weil ich mich auf ihn verlasse kann?
Und um so älter ich werde um so mehr vertraue ich ihm als mein Begleiter durchs Leben.
Wahrscheinlich wird er mir nicht sagen wollen, wenn es Zeit ist.
Ich werde mich auf keinen Fall an seiner Hand festhalten, sollte er mich über die Brücke führen unter der ein wildgurgelnder Bach fließt.

Matthias Claudius „Das Mädchen und der Tod“
Das Mädchen:
Vorüber! Ach vorüber!
Geh wilder Knochenmann!
Ich bin noch jung, geh Lieber!
Und rühre mich nicht an.
Der Tod:
Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!
Bin Freund, und komme nicht, zu strafen:
Sei gutes Muts! ich bin nicht wild,
Sollst sanft in meinen Armen schlafen.

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