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Mit der Zeit gelaufen .......



Bereits als Junge bin ich gerne und viel gelaufen. Es mag die Freude an der Bewegung gewesen sein, vielleicht aber auch oftmals die Fantasie, die mich als Indianer durch die Prärie traben ließ, als Jäger mit Pfeil und Bogen durch die Tundra. Wer weiß? So recht erinnern kann ich mich nicht mehr daran, was mich damals getrieben hat, mit raschen Schritten durch meine Welt zu eilen. Eine Pause legte ich ein, als ich mich erwachsener fühlte und mir das Rauchen angewöhnt hatte. Als sich dann aber die ersten Einschränkungen vorstellten, die Luft beim Treppensteigen knapper wurde, die Kondition unübersehbar nachließ, da setzte ein Umdenken ein, kam ich zu der Überzeugung, dass Reife sehr wenig mit der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten zu tun habe, vielmehr ganz andere Kriterien diese ausmachen dürften. Immerhin hat dieser Prozess eine Reihe von Jahren gedauert. Dann aber, ja so hatte ich mir das gar nicht vorgestellt, war es recht mühsam, wieder zu befriedigenden Laufergebnissen zu kommen. Zu jener Zeit sprach noch niemand vom Joggen. „Ich gehe zum Laufen“ oder „Ich bin ein Läufer“, so oder so ähnlich sprach man über diese sportliche Ausrichtung. Gar nicht so ungewöhnlich war es, wenn man einer Gruppe von Spaziergängern im Park, im Wald, auf der eigenen Trainingsstrecke begegnete, dass aus der Gruppe heraus der Laufschritt amüsiert mitgezählt wurde: So - eins, zwei drei - eins zwei drei – eins zwei drei. Bei den etwas dooferen Beobachtern konnte es dann schon mal geschehen, dass ein Stock, im Winter ein Schneeball, ein oder mehrere Zapfen von Nadelbäumen oder ähnliche Gegenstände nach mir geworfen wurden. Fand dagegen ein Hund gefallen daran, hinter mir mit Gekläffe herzujagen, war ich nicht selten großem Gelächter ausgesetzt. Mit den Jahren änderte sich dies aber. Adidas, Puma, Nike, Brooks, New Balance, um nur einige der Firmen zu nennen, wurden feste Begriffe in der Welt der Läufer. Der Begriff „Jogger“ war in aller Munde und ging mit einer gewaltigen Welle von Läufern einher. War es früher selbstverständlich, als Läufer einem anderen stets mit einem freundllichen Gruß zu begegnen, so verlor sich diese Form der Verbundenheit so nach und nach. Positiv ist hier zu bemerken, dass das Mitzählen der Laufschritte aus der Mode kam, dass ich immer seltener mit Gegenständen beworfen wurde und Hunde immer weniger Interesse an Läufern, Pardon, an Joggern zu finden schienen. Dafür änderte sich aber das Outfit der Jogger. Immer auffälliger gingen manche auf die Strecke. Grelle Hemden war da oftmals noch das Unauffälligere. Gut, jedem das Seine. Manches war sinnvoll und manches eben „nur auffällig“. Waren die Laufschuhe mit den Jahren immer aufwendiger und unverhältnismäßig teuer geworden, so kam nun auch noch eine Menge technischer Firlefanz dazu. Nachdem ich mich über die Jahre vom 10-Kilometerläufer über den Halbmarathon- , zum 25-de Berlin-Läufer und kurz vor dem Ruhestand zum Marathonläufer hochgetrippelt hatte, war ich beispielsweise nicht umhin gekommen, mir einen elektronischen Chip zu kaufen, der ein Signal bei der Messung der Zwischenzeiten abgab, wenn man über einen entsprechenden Teppich gelaufen war. Die „Läufermoderne“ war also auch bei mir angekommen. Nun, man muss mit der Zeit gehen und so beschloss ich – nun noch etwas reifer geworden, allerdings nur an Jahren – dass es nicht schaden könne, mir einen Pulsmesser zuzulegen, der drahtlos die Herzfrequenz misst, die Trainingswerte anzeigt, in der Lage sein soll, die Fettverbrennung und den Kalorienverbrauch festzuhalten und lauter so vermutlich wichtige Daten zu übertragen, von einem Brustgurt hin auf ein LCD-Display, das wie eine Armbanduhr am Handgelenk getragen wird. Ich will es kurz machen: Die Veränderungen beim Laufsport waren zweifelsfrei auch bei mir eingekehrt . Hatte ich bisher immer nur mit meiner Armbanduhr die Zeit für die häufig nur geschätzte Länge einer Strecke gemessen und somit die Durchschnittsgeschwindigkeit berechnet, so konnte nun ein ganz neues Lauferlebnis beginnen. Meine Lieblingsstrecke habe ich für diesen Erstversuch ausgewählt. Durch die Rehberge sollte es gehen, dann entlang des Hohenzollern-Kanals nach Jungfernheide, Umrundung dieser Parkanlage und dann in einem großen Bogen zurück zum Ausgangspunkt. Okay, das Gerät funktionierte offensichtlich einwandfrei. Gelegentlich piepste es, wenn Grenzwerte überschritten wurden, doch sehen konnte ich nichts, aber auch gar nichts auf der Anzeige dort auf meinem Handgelenk. Ich hatte keine Brille auf, konnte und wollte beim Laufen auch keine tragen, hatte schlichtweg vergessen, dass meine Augen dem natürlichen Lauf des Lebens folgend ihren Dienst partiell verweigerten. Nach dem Eintritt in den Ruhestand kamen so nach und nach mit den Jahren andere Verweigerer hinzu, so dass ich eines Tages das Laufen aufgeben musste. Neulich erst, bei einem Spaziergang - ich musste mal wieder eine kleine Ruhepause auf einer Parkbank einlegen - hatte ich ein etwas merkwürdiges Erlebnis. Ein Jogger lief soeben an meiner Bank vorbei, als unvermittelt ein kleiner Hund aus dem Gebüsch schoss. Geradezu übermütig lief er bellend hinter dem Jogger her. Von weitem hörte man das Rufen seines Frauchens. „Mein Gott, wie lange habe ich so etwas nicht mehr gesehen“, dachte ich. Zunächst musste ich ein wenig schmunzeln. Nein, nicht Schadenfreude war der Anlass, es war vielmehr eine tief empfundene Form von Wehmut. Nicht ich war mit ihr, sondern sie von mir davongelaufen, diese ZEIT.




Reineke1794 -August 2020


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