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Prinz Charles und ich

Das hier ist eine wahre Geschichte, auch wenn sie manchem etwas merkwürdig vorkommen mag. Als ein junger Mensch hatte ich aber öfter merkwürdige Ideen, die mir viel Ärger eingebracht hatten, mit den Eltern und auch mit der Schule.

Vor zehn, oder vielleicht auch fünfzehn Jahren, oder ist es sogar länger her? – ich weiß es nicht mehr so genau – holte ich mehrere alte Kisten aus dem Keller, die ich seit ewigen Zeiten nicht mehr beachtet hatte, um in ihnen zu stöbern. Da findet man natürlich einiges aus der Vergangenheit, was man schon längst vergessen hatte und was einem dann fast unglaublich vorkommt. Man fragt sich „war das wirklich ich?" So ist es mir nun mit einem Schreiben vom 26. März 1964 ergangen. Es geschah einige Jahre bevor ich, noch sehr jung und weltfremd, meine Heimat Serbien für immer verließ.
Ich war ein ziemlich unruhiger Geist, freiheitsliebend und angeblich schwierig (das behauptete zumindest meine Mutter, ich selbst war nie der gleichen Meinung), mit vielen Flausen im Kopf. Es war mir aber auch zu langweilig in der Provinz, in jener kleinen, verschlafenen Stadt „am Ende der Welt“.
Ich besuchte die technische Schule, Textilfachrichtung und ich hatte eine Schulfreundin, Lilja, die ich zu allerlei Unfug leicht anstiften konnte. Wir wünschten uns Abwechslung, etwas was uns aus dem Alltagstrott herausreißen würde und so kam ich auf die Idee, an Prinz Charles zu schreiben, der ungefähr in unserem Alter war. Ich konnte schon ziemlich gut deutsch aber kein englisch und so schrieb ich in deutscher Sprache, in unser beider Namen, an den Prinzen, wir würden gerne mit ihm korrespondieren. Einfach so!Den Brief schickten wir an die Buckingham Palace / London / England!!! Wir waren uns sicher, unser Schreiben kommt schon hin.
Man muss sich das vorstellen – wir lebten in einem rein kommunistischen Land, so etwas, was wir getan hatten, war damals undenkbar, nein, fast ein Vergehen. Wir taten es aber heimlich. Keiner sollte davon etwas erfahren. Als Absender gaben wir zwar meinen Namen an, aber die Adresse der Schule. Die Eltern meiner Freundin waren strenge Kommunisten, sie hätten niemals von der Sache erfahren dürfen.
Bei mir zu Hause ging es lockerer zu. Lilja, mit der ich auch in der Freizeit viel zusammen war, beneidete mich oft, weil ich eine so aufgeschlossene Familie hatte, mit der man viel unternehmen konnte. Meine Eltern, meine ältere Schwester Vera und ich fuhren mit den Fahrrädern durch die umliegenden Dörfer, veranstalteten Picknick am Ufer der Donau, machten Tagesreisen, nach Belgrad oder noch weiter, reisten in den Ferien an die Adria-Küste. Die Eltern von Lilja waren hauptsächlich mit der Partei beschäftigt, so dass sie und ihr Bruder oft allein waren.
Unser Brief an den englischen Prinzen war fort, wir mussten jedoch ziemlich lange warten, bis etwas geschah.
Eines Tages holte uns der Direktor der Schule, Mitten im Unterricht, persönlich zu sich ins Büro. Auf seinem Tisch lag der Briefumschlag mit einem großen golden-bunten königlichen Wappen. Wir wussten sofort um was es da ging. Ich war erwartungsvoll aufgeregt, meine Freundin total verstört. Ich erinnere mich noch heute gut daran, wie ich erschrak, als ich sie so sah, blass wie die Wand, mit weit aufgerissenen Augen.


Wir mussten den Brief im Beisein des Direktors öffnen und ihm anschließend erlauben, es laut vorzulesen. Der Brief kam von der britischen Botschaft in Belgrad. Hier ist der Text, wortwörtlich, die konnten nicht so gut deutsch wie ich:

Absender: BRITISH EMBASSY
BELGRAD
March 26, 1964

Auf dem Beweise unserers Botschafters ist mir befohlen, den Brief, den Sie und Fraulein ... an S.K.H. Prinz Charles am 4 Januar gesandt haben, zu beantworten.
Leider ist es dem Prinzen nicht möglich, solche Beten Wie die Ihrige zu gestatten.
Hochachtungsvoll
(A. St. J. H. Figgis)
Dritter Sekretär

Die Folgen für meine Freundin waren furchtbar – sie wurde von ihrem Vater bestraft, sogar geschlagen, durfte eine Zeitlang nicht mit mir, der Verderberin, verkehren.
Meine Eltern lachten darüber, sie waren sehr weltoffen, christlich und nicht kommunistisch (beides vertrug sich nicht) und sie kannten mich ja gut. Das, was ich getan hatte, war harmlos zum Vergleich zu dem, dass ich mich nur selten an die Regeln und Verbote hielt.
Die ganze Schule lachte über unsere Angelegenheit, sie witzelten über uns, nannten uns "Königliche Hochheiten". Das war lange DAS Gesprächsthema.

Schade eigentlich, dass aus der Brieffreundschaft mit mir und Prinz Charles nichts wurde. Damals hatte ich mich sicher schon als künftige Königin von England gesehen.
Doch nach dem Stand der Dinge, ist es nicht sicher, dass ich jemals Königin geworden wäre, auch wenn Charles mich, statt seine Camilla auserwählt hätte. Seine Mutter gibt die Krone einfach nicht her.

Heute muss ich über mich selbst lachen, wenn ich diesen uralten Brief lese. Es war herrlich, so jung, so unbekümmert und so träumerisch zu sein. Na ja, einige Träume habe ich immer noch - das hat aber nichts mit Prinz Charles zu tun. -:).
Arleta / München

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