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Nur Mäuse

Als sie die kleine Küche betrat, zog sie angewidert die Nasenflügel hoch. Eine Mischung aus kaltem Rauch, altem Kochfett und leichter Fäulnis lag in der Luft. Auf der Spüle standen ein voller Aschenbecher, zwei, drei Teller mit Essensresten, Tassen und Besteck. Im Becken lag eine Kelle, auf der die Suppenreste dem Schimmel reichlich Nahrung gaben und die gleiche cremige Substanz, von haarigem Schimmel überzogen, zierte auch den Topf auf der verkrusteten Herdplatte. Der rechte Teil des Bordes wurde von einem Stapel alter Zeitungen bedeckt, die einen riesigen Berg bildeten und das Fenster halb verdeckten. Daneben faulten 4 Äpfel noch im Pack und 10 Eier ,deren Verfallsdatum schon ein halbes Jahr zurücklag, taten wohl unsichtbar das Gleiche An dem schmalen ochsenblutfarben gestrichenen Schrank, stand eine Tür etwas offen und hier waren ein paar Vorräte, Gulaschsuppe und Fischdosen, Mehl und Zucker. und eine kleine aufgerissene Tüte mit Rosinen. Auf dem unteren Bord standen angeschlagene, kleine Emailkessel und dazwischen einige der Rosinen verstreut, oder war es Mäusekot?

Angewidert verließ sie die Küche und öffnete die nächste Tür. Erschrocken zuckte sie zusammen, im einzigen Sessel saß eine bullige Gestalt. Beim näherem Hinsehen entpuppte sie sich als ein riesiger, brauner Teddybär, der den ganzen Sessel füllte und auf dem Bauch ein rotes Herz mit der Aufschrift: Ich liebe Dich!" trug. Seine runden Glasaugen waren starr auf das gegenüberliegende Sofa gerichtet, auf dem wie gerade hingeworfen eine rosa-braun-karierte Decke lag. Auf dem kleinen blinden Glastisch standen ein überlaufender Aschenbecher, eine aufgerissene Tüte Chips. Berge von Illustrierten waren auf einem Karton gestapelt und auf einem weiteren thronte der Fernseher. Das Fenster war von einer schweren, ehemals weißen Raffgardine verhangen, jetzt von Rauch und Staub verfärbt. An der Wand hing ein Bild von Bon Jovi und daneben ein Poster mit einer Band. Die Glühlampen im 4armigen Leuchter waren bis auf eine durchgebrannt, die ein schwaches Licht auf die Idylle war.
Der Blick ins Bad konnte sie dann schon nicht mehr überraschen. Ein schmuddeliger Bademantel und ein ebensolches Nachthemd, einmal rosa gewesen, lagen über dem Wannenrand. In der Dusche waren die Fugen schwarz verschimmelt und die Kette des Ablaufstöpsels unter wucherndem Pilz kaum noch zu erkennen. Es stank unerträglich.
Sie öffnete die letzte Tür und obschon sie auf allerlei gefasst war, blieb sie überrascht im Türrahmen stehen.

Der ganze Raum war, bis auf einen schmalen Gang, der zum Bett führte, mit Bergen getragener Kleidung gefüllt. Sie lagen völlig ungeordnet auf dem Fußboden und bildeten an den Wänden vorbei Wälle. Sie zwang sich, trotz des infernalen Gestanks genauer hinzusehen und dann nahm sie eine schnelle Bewegung wahr und schloss wieder erschrocken die Tür.
Es dauerte ein Paar Minuten, bis der Verstand die Angst wieder im Griff hatte: Sicher war es eine Maus, nur eine Maus!Mäuse hatten ihr noch nie Angst gemacht.
Sie öffnete erneut die Tür, den Blick fest auf den Punkt gerichtet, an dem sie die Bewegung wahr genommen hatte. Alles war unbeweglich still. Vorsichtig setzt sie einen Fuß in den schmalen Gang zum Bett, als alles ruhig blieb, zwei, drei weitere Schritte, bis sie das ganze Bett im Blick hatte. Auch darauf lag ein Berg von Decken und Kleidern und da, wo das Kopfkissen hingehörte, entdeckte sie das Mäusenest.

In einer Mulde, gefüllt mit wirren, rötlich-braunen Fasern lagen drei oder vier noch nackte, neugeborene Mäuse. Also doch, dachte sie mit einer gewissen Erleichterung. -- Dann sah sie das Auge, ein menschliches Auge! Die Mäuse nisteten in den Haaren einer Toten!

Autorin: Matilda40

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