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Neros Story

Hm - ganz so aufregend ist meine Geschichte vielleicht nicht, aber so Einiges hab' ich auch durch - vielleicht interessiert's ja jemanden...

Eigentlich bin ich ja Vorarlberger, obwohl ich mir den Akzent längst abgewöhnt habe hier in Tirol. Meinen ersten Dosis (ogottogott, wie lang ist das nun schon her) habe ich offenbar nicht so recht gefallen, jedenfalls haben sie mich einfach im Wald ausgesetzt. Das war eine harte Schule, monatelang nur von Abfällen zu leben und was man eben so fangen kann, immer auf der Hut vor Hunden, Füchsen und Jägern. Aber irgendwann habe ich ein paar Freunde gefunden und dann war's leichter.
Trotzdem hat mich dann mal jemand eingefangen und ins Tierheim gebracht. Dort war's eng und gedrängt, ich habe den blöden Namen 'Harry' gekriegt. Mäuse und Vögel gab's auch keine und die anderen Katzen… alles fade Stubenhocker. Aber weil ich ein schöner schwarzer Kater bin, hat mich bald jemand dort weggeholt. Leider erwarteten die von mir, dass ich faul herumliege, schnurre und mich streicheln lasse - pfff, eine Zumutung. Ich war ärgerlich, sie waren ärgerlich - da bin ich lieber wieder zu meinen Kumpels in den Wald gezogen.

Das ging einige Zeit ganz gut, aber inzwischen war ich doch etwas mehr an Menschen gewöhnt und trieb mich öfters bei denen herum - und folgerichtig landete ich wieder im Tierheim. Eine neue Runde - abgeholt, mich nicht verstanden, wieder mal ausgesetzt, wieder Tierheim, wieder abgeholt, verärgert gewesen, geflüchtet... Das ging ein paarmal so, bis die Menschen im Tierheim meinten, ich solle besser woandershin verfrachtet werden - so kam ich nach Tirol, natürlich wieder ins Tierheim. Und natürlich hab' ich mich mit den Tiroler Katzen auch nicht so recht vertragen, jedenfalls waren die froh, als ich wieder mal abgeholt wurde.

Diesmal gings in eine Stadtwohnung im vierten Stock, nicht mal Auslauf hatte ich hier, aber die Dosis hatten zumindest ein wenig Verständnis für einen Rudelkater aus dem Wald. Ich bekam Frischwasser vom Wasserhahn, wenn ich das wollte und sie kämpften mit mir um die Rangordnung, wie sich's gehört. Das war hart und zum Schluss war ich der Letzte, aber wenigstens war das klargestellt. Und schlecht hatte ich's ja nicht - inzwischen hatte ich auch schon das gesetzte Alter von 14 erreicht. Nach einiger Zeit kam ein neuer Kater in die Wohnung, jung und unerfahren. An dem hätte ich mich austoben können, wenn er nicht behindert gewesen wäre. Da musste ich jetzt auch noch die Mama-Rolle übernehmen, aber mit der Zeit haben wir uns doch recht gut verstanden, besonders als er kräftiger wurde und ordentlich spielen lernte.

Dann gab's ein paar furchtbare Wochen. Alle waren aufgeregt, liefen herum, packten die ganze Einrichtung zusammen, alles stand voller Kartons, die Dosis waren tageweise fort - ich hatte schon die schlimmsten Befürchtungen - und dann wurden auch wir in Körbe gepackt und in eine neue Wohnung verfrachtet. Natürlich wieder Tohuwabohu und raus durfte ich wieder nicht, obwohl es hier ganz leicht gegangen wäre - man brauchte nur vom Balkon runterzuspringen. Ein paarmal ist mir das auch gelungen, aber die Gegend war mir fremd, die Futterschüssel nahe und schließlich konnte ich ja mein neues Rudel nicht gut alleinlassen.
Na, jedenfalls hat sich mit der Zeit alles eingelaufen, wir konnten gehen und kommen wann wir wollten - ja, auch der Kleine schaffte den Sprung vom Balkon und wieder rauf (wenn ich mir nicht den Spaß machte, ihm dabei die Beine wegzuschubsen, so dass er auf die Schnauze fiel - das war lustig...).

Aber dann kam noch ein neuer Kater an - ein Irrer. Zuerst mal fiel er meine Dosis an, obwohl sie ihn nur füttern wollten, das konnte ich natürlich nicht zulassen. Erstmal verprügelte ich ihn ordentlich, das gehört sich einfach nicht, wenn man neu ins Rudel kommt und dann sorgte ich dafür, dass ich immer zwischen ihm und den Dosis war - wer weiß, was der sonst noch angestellt hätte. Das ging so einige Wochen weiter, bis er sich mit der Zeit dann doch beruhigte. Später übernahm er dann sogar die Mama-Rolle beim Kleinen, sodass ich mehr Freizeit hatte.

Inzwischen hatte ich herausgefunden, dass man gar nicht weit laufen muss, um in den Wald zu kommen, aber mir ging's jetzt gut, ich war 17, manchmal plagte mich schon das Zipperlein, und ich hatte mich um ein Rudel zu kümmern. Manchmal braucht man auch mal seine Ruhe und da fand ich in einem kleinen Garten auf der anderen Seite des Hauses eine offene Tür -und einen alten Mann, der mich mit Leckerbissen füttert und sonst in Ruhe auf seinem Bett schlafen lässt - eine schöne Abwechslung, wenn mir die Hektik der Katzenjugend mal zu viel wird. Leider hab' ich da auch mal zu wenig aufgepasst - als ich nach einem langen Ausflug zurückkam, war der Kleine verschwunden. Wir haben tagelang alle Winkel der Wohnung durchsucht, aber er war wie vom Erdboden verschluckt.

Leider ist er nicht mehr aufgetaucht - auch die Dosis haben noch wochenlang gesucht, überall Zettel mit seinem Bild aufgepappt - aber wie mir eine Nachbarkatze im Vertrauen erzählt hat, sind zur gleichen Zeit in der Gegend ungefähr ein Dutzend Katzen spurlos verschwunden; hinter solchen Dingen können wohl nur Menschen stecken... :( Aber inzwischen ist das ja auch schon ein Jahr her und wir haben wieder einen Neuzugang, diesmal eine Katze - obwohl sie gar nicht nach Katze riecht.
Zuerst mal dachten wir es wäre ein Jungtier, weil sie so klein war und sich so schamlos über unsere Fressnäpfe hermachte. Ich wollte ihr Kraft meiner Autorität mit sanftem Druck klarmachen, dass sie die Kleinste, Jüngste, und daher die letzte in der Rang- und Fressfolge ist, aber ich war noch gar nicht dazu gekommen meinem Ärger Ausdruck zu verleihen, da hatte ich schon zwei deftige Ohrfeigen eingefangen und sie fauchte mich mit funkelnden Augen an. So etwas war mir doch noch nie begegnet. Ich ließ erstmal Speedy den Vortritt, aber dem ging's auch nicht besser. Erst als sich die Kleine sattgefressen und ein wenig eingelebt hatte, erfuhren wir ihre Geschichte.

Sie hatte ihr ganzes Leben auf einem Bauernhof verbracht, der von einer alten Frau allein betrieben wurde - eine Kuh, ein paar Ziegen, Schweine und Hühner und zwei Katzen. Für die war allerdings Zeit und Futter rar - meistens mussten sie sich selbst versorgen, Mäuse gab es ja, aber selbst die waren mager. So wie sie aussah, hatte sie wohl mehr Hunger gehabt als ich und da sich ihr Heißhunger mit der Zeit dann doch legte, beließen wir's dabei. Bei dieser Gelegenheit fragte ich auch mal Speedy, was denn eigentlich der Grund für seine anfängliche Aggressivität gewesen sei - der bekam aber einen ganz abweisenden Gesichtsausdruck und fauchte mich an, ich solle mich gefälligst um meinen eigenen Dreck kümmern. Naja, auch recht - schließlich ist es vorbei...

Interessant war allerdings zu verfolgen, wie er sich mit der Zeit vom irren Kampfkater zum Schmusetiger gewandelt hat - kaum legt sich ein Dosi irgendwo nieder, sitzt Speedy schon drauf, leckt dessen Finger ab und bettelt danach, gekrault und gestreichelt zu werden - auch die Kleine hat ihm dieses unwürdige Verhalten schon abgeguckt. Für mich als Alphakater ist das natürlich indiskutabel, dazu würde ich mich ja nie herablassen (zumindest nicht solange eine andere Katze in Sichtweite ist...).
Verlernt hat er allerdings seine Kampfkünste nicht - ich bin ja auch ein harter Bursche, aber als ich ihm zusah, wie er aus dem Stand fast 2 m senkrecht in die Luft sprang und einen vorbeifliegenden Vogel fing - da kann ich wirklich nicht mithalten und bin froh um unsere 'Katzendemokratie'.

Natürlich bin ich der Chef, aber irgendwie organisieren wir uns doch immer ohne Streitereien und ohne, dass ich ein Machtwort sprechen müsste. Manchmal wird mir der Rudelbetrieb ja auch schon zu mühsam, da ziehe ich mich dann lieber zu meinem Freund zurück oder in mein Geheimversteck, das bisher noch niemand entdeckt hat - wenn ich dann nach zwei Tagen wieder heimkomme, sind alle freundlich und besorgt, ich kann mich in Ruhe sattfressen, mich ins Schlafzimmer zurückziehen und auf dem großen Bett mein Schläfchen halten. Dafür haben die Dosis extra die Wohnung umgebaut, das Bett aus der Bibliothek (wo man sowieso kaum mal rein durfte) in ein eigenes Zimmer geräumt und es so niedrig gemacht, dass ich nicht mehr über eine Leiter 'raufzuklettern brauche. Man sieht - mit ein wenig Menschenpsychologie sind die gar nicht so schwer zu erziehen.

Zwei Jahre später ist Nero im hohen Alter von 20 über die Regenbogenbrücke gegangen.

Autor: qilin

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