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Wenn jemand eine Reise tut... Teil 2

Von Feierabend-Mitglied 18.02.2018, 10:47 – geändert Dienstag 13.07.2021, 09:02

Allzu viel Essen hatte ich mir nicht auf meinen Teller gepackt, gerade soviel, dass mein Magen etwas zu tun bekam. Danach hielt ich mich notgedrungen an die Regel: „Nach dem Essen sollst du ruhn, oder tausend Schritte tun.“, denn mein Sofa war nicht mit auf Reisen gegangen.
Die frische klare Luft tat mir gut, nur meine Füße brannten nach dem ausgedehnten Spaziergang etwas, auch war ich rechtschaffen müde geworden, ungewohnt, ohne meinen Mittagsschlaf.
Ich war glücklich wieder in den Bus steigen können.
Meine Lungen und mein Arm hatten sich in der Zwischenzeit gut erholt und der Bus war gelüftet worden.
Bald war jeder wieder auf seinen Sitzplatz und die allgemeine Unruhe hatte sich gelegt. Der Busfahrer machte noch seinen Kontrollgang, nicht dass am Ende der Reise festgestellt wurde, dass jemand fehlte. Und schon ging die Fahrt los.
Die Musik dudelte wieder leise, die Sonne schien wärmend durch die Fensterscheiben, und bis auf ein paar leisen Gesprächen war eine angenehme Mattigkeit im Bus zu spüren.
Je nach Höhe der Berge oder tiefe das Tales sah man die Baumstämme kurz über den Wurzeln oder die Baumwipfel des Waldes an den Fenstern vorbei ziehen, auch Schneematten oder kahle Felder. Schnell wechselnde Lichtverhältnisse entstanden und manch einer suchte Schutz hinter seiner am Fenster angebrachten Gardine.
Der Bus erwärmte sich und recht bald hörte man Schnarchgeräusche und es schwebten, wie auf einem orientalischen Basar, Gerüche durch den Bus. Leiber, Deos und Parfums, Bier und Wein, und das Essen vom Büfett taten ihr übriges. Einzelne Arme reckten sich nach oben zu der Klimaanlage über den Sitzen, und fummelten daran herum.
Die harsche Stimme neben mir war eingeschlafen und auch ich schloss mein Augen und genoss das Gefahren werden.
Ein Schlag auf meinen Oberarm und der Klang des rauen Rufes „Störche, Störche!“ rissen mich aus meinen Sekundenschlaf. „Kann nicht sein, genauso wenig, wie mein Arm ein Kotelett ist.“
Gestärkt durch die Pause und nun auch noch wütend: „Unterlassen sie das, weiter auf meinen Arm zu schlagen.“ Daraufhin drehte sich meine Sitznachbarin demonstrativ zum Fenster und zeigte mir ihre kalte Schulter. Ich war erleichtert, dieses Thema war nun durch.
Von wegen! Bei der Durchfahrt der nächsten Kleinstadt, wollte sie mich auf ein Gebäude aufmerksam machen, als wenn ich nicht selbst Augen im Kopf hätte, grabschte sie mir auf meinen Oberschenkel und schlug dann mit zwei Fingern immer auf die gleiche Stelle, im Takt mit ihren Worten. Also verlagerte ich meinen Körper, stellte meine Beine Richtung Gang, was mir wenig half, genauso, wie meine mehrmaligen Bitten damit aufzuhören.
Ich war froh, als wir das nächste Ziel erreicht hatten und ich aussteigen konnte. Recken, meinen Körper in einer geraden Linie wieder richten, und vor allen Dingen den Krakenarmen entfliehen konnte.
Ein Ausflugsziel, leider in Winterruhe, nur das Kaffee war geöffnet. Hungrig, denn viel hatte ich nicht zu Mittag gegessen, suchte ich mir zwei verschiedene Tortenstücke aus.
Als die Stücke serviert wurden, fielen nicht nur mir, sondern auch meinen Tischnachbarn fast die Augen aus dem Kopf. Ich hatte mit ganz normal geschnittenen Tortenstückchen gerechnet, denn die Höhe dieser Torten betrug etwa vierzehn bis fünfzehn Zentimeter, wenn nicht gar sechzehn Zentimeter. Nun war jedes Stück nicht weniger als zwölf Zentimeter breit. Das war eine Tortenschlacht so recht nach meinem Herzen.
Alle an meinem Tisch und auch ich lachten, als ich bis auf den letzten Krümel, die beiden Teller geleert hatte. Ärgere mich nur, diese Riesenstücke nicht fotografiert zu haben, denn sie sind in der heutigen Zeit eine wahre Rarität. Natürlich fragten wir uns, wie hoch der Preis für so ein Stück wohl sein würde, und wurden mehr als angenehm überrascht, als die Rechnung kam. Meine aufgeschlossenen Tischnachbarn, das Tortenbüfett mit der moderaten Rechnung entschädigten mich reichlich.
Es dämmerte schon, als wir hochzufrieden in den Bus stiegen. Zum Abschied verzauberte das Abendrot den kahlen Wald auf den gegenüber liegenden Hängen in den Farben des Indian Summers. Was für eine tolle Kulisse!
Mit dem Blick auf die untergehenden Sonne traten wir unsere Heimreise an.
Ein Hut wurde von Platz zu Platz gereicht, mit der obligatorischen Bitte um ein Spende für den Busfahrer. Meine Nachbarin war etwas ruhiger geworden, das Alter forderte anscheinend seinen Tribut, wofür ich mehr als dankbar war.
Die Lichter der Landebahn sah ich in der Ferne aufblitzen und wusste, nun ist die Fahrt schon bald zu Ende. Erneut traf mich ein Schlag am Oberarm „Da, der Flugplatz.“, und diesmal war der Schlag so kräftig, dass ein heftiger Schmerz meinen Arm durchschnitt. Sie hatte es geschafft, auch meine Nerven waren weichgeklopft, mit heißer Wut schlug ich zurück. „Das darf doch nicht war sein! Können sie ihre Hände nicht bei sich behalten?“ Ich war so stinkig sauer, dass es mir egal war, ob die anderen meine lauten Worte gehört hatten oder nicht. Meine linke Seite, Oberarm wie Oberschenkel waren weichgeklopft, meine Nerven lagen blank, der Kopf schwirrte mir vom steten Gebrabbel der Alten und ich war nur zu froh, als die Fahrt zu Ende war und ich aussteigen konnte.
Plötzlich hörte ich die Stimme des Busfahrers hinter mir „Möchten sie ihr Valentinsgeschenk denn nicht mitnehmen?“ Ich drehte mich um und sah, dass die Klappe des Gepäckraums geöffnet war. Ein Meer von rosa Azaleen schaute mich an. „Oh nein, Azaleen und dann auch noch rosa!“ , schoss es mir so durch den Kopf. Der Busfahrer griff nach einem Topf, schaute mich dann an, zögerte einen Moment und stellte den Topf wieder hinein, verschwand in die Tiefen des Stauraums und kam mit einem anderen Topf hervor. Einer Azalee in einer traumhaften Farbe. Ich war entzückt. Bedankte mich, auch nochmals für seinen Fahrstil und das schöne Rahmenprogramm.

Am nächsten Morgen bearbeitete ich die neuen Fotos am PC, sah mir noch einmal meine Reiseunterlagen an.
Bus 2, Platz 22
Ein moderner Bus mit riesigen Panoramascheiben, komfortableren Sitzen und noch mehr Luxus.
Das war gar nicht der Bus, mit dem ich unterwegs gewesen bin.
Ich war mit dem falschen Bus gefahren!
Ich war mit dem Bus 1 unterwegs gewesen!
Statt mit dem Bus 2. der eine anderen Route nahm, aber der die selbe Abfahrtsstelle anfuhr, nur ein paar Minuten nach dem Bus, in dem ich eingestiegen war.

©Monika Koch

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