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Die andere Begegnung

Es regnet, der Himmel ist grau, draußen ist es kalt und ungemütlich. Ihre alternden Knochen scheinen empfindlicher geworden zu sein. Früher hätte sie diese Witterung nicht gestört, aber jetzt verspürt sie keine Lust, Gummistiefel anzuziehen und dem Wetter fröhlich zu trotzen.
Sie muss zu einer Augenuntersuchung und darf danach nicht fahren. Also muss sie den Bus nehmen und zur Bushaltestelle laufen.
Hier steht sie jetzt, spürt die Regentropfen und den kalten Wind immer mehr und wartet auf den Bus.

Eine jüngere Frau kommt mit einem Kinderwagen und fragt sie: "Bus 649 kommt? " "In 2 Minuten", meint sie, " Er muss gleich um die Ecke biegen." Es dauert etwas länger. "Woher kommen sie," fragt sie. "Aus Syrien", erwidert die Fremde mit einem liebenswerten Lächeln. Nein, sie trägt kein Kopftuch. " Wo haben sie Deutsch gelernt?", fragt sie. "Zuhause, alleine", erwidert die Fremde.
" Bekommen sie keinen Sprachkurs?" " Nein , noch nicht."
Sie erfährt, dass die Fremde mit ihren 4 Kindern in ihrer näheren Nachbarschaft lebt. Es ist eine angenehme ruhige Nachbarschaft. " Hmmh, " denkt sie und erinnert sich an schwierige Jahre, ihr kleines Haus abzuzahlen. Ein Bericht über eine Mutter, die alleinerziehende Mutter ist, täglich versucht , mit mehreren Arbeitsstellen den bescheidenen Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder zu sichern, kommt ihr in den Sinn. Jetzt lebt hier eine Zugereiste ganz einfach in demselben Umfeld - ohne eigene Leistung - einfach finanziert.

Der aufkommende Gedanke beschämt sie. Sie will mehr erfahren, fragt von welcher Stadt die Syrierin kommt und nach den Umständen aus denen sie geflüchtet ist, was sie dort gearbeitet hat. " Damaskus - alles ist kaputt, Bruder ist im Bus durch Bombe tot, alle,
alle im Bus tot." Nein, ich nicht gearbeitet, 4 Kinder." " Wir geflüchtet in Türkei. Kein Geld. Kinder musste arbeiten viele Stunde jeden Tag, keine Schule." Tränen steigen in ihre Augen. Jetzt Kinder gehen in Schule - Deutsch zuhause alleine gelernt, ein Sohn blind, ich 2 Jahre alleine hier, Mann alleine in Türkei - kein Geld zu kommen. 10 Jahre kein Baby - dann kommt neues Baby - ich nicht wissen wohin? Baby hier Geburt. Ich alleine mit Kindern.

Sie kann es nicht fassen: Welch ein Schicksal! Wie stark eine Frau sein kann - und welche liebenswerte Ausstrahlung ein Mensch haben kann - trotz so eines Schicksals. Die Fremde lächelt warmherzig und versucht, ihre Tränen zu unterdrücken.
Sie fragt die Fremde : "Welche Sprache sprechen sie?" „Arabisch“, ist die Antwort. Sie sagt:" Ich möchte Arabisch lernen." Die Fremde strahlt. " Ich helfen ." " Und ich helfe Euch, Deutsch zu lernen,“ sagt sie. „Ich kochen für uns,“ machen gutes Baklava – aber nicht zu süß, fügt die Fremde mit einem warmen und glücklichen Lächeln hinzu. Sie fahren nur eine Haltestelle und gehen noch ein Stück des Weges gemeinsam.
Dann, beim Arzt angekommen, verabschieden sie sich. Diesmal sieht sie Freudentränen in den Augen der Fremden. Sie sieht die Fremde überglücklich und sehr froh.Sie umarmen sich zum Abschied - siezen sich nicht mehr - und sind irgendwie etwas Verbündete geworden - sie und die neue Nachbarin.

Flyerkw

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