Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

Der schönste Tag in meinem Leben...

...war der, als ich mich schön und vollkommen fühlte, so schön, wie meine vielen Geschwister um mich herum.

Kerzengerade, volle, gleichmäßige Zweige, sattes Tannengrün, jaa, so sehen sie aus, meine Geschwister, und bis vor kurzem auch ich. Ich lebte ein paar Jahre glücklich mitten unter ihnen als ihresgleichen auf einem schönen Grundstück, und nie, niemals hätte ich gedacht, daß mir das passieren konnte...´Eines Tages nämlich, in einem sehr heißen Sommer spürte ich es zum ersten Mal; es juckte auf der rechten Seite und hörte auch nicht auf.... ich warf vor Schreck ein paar Nadeln ab.
Der Sommer war heiß und die eine Seite meines Körpers war den ganzen Tag der Sonne ausgesetzt...... es juckte ganz furchtbar.... Zum Glück gab es immer mal wieder ein paar Regentage und ich dachte schon, das Schlimmste sei überstanden... Nein, der Sommer hielt an und als es endlich Herbst wurde hatte ich viele, viele Nadeln verloren und sah ziemlich ramponiert aus.

Das fiel auch dem kleinen Mädchen auf, das manchmal auf dem schräg gegenüberliegenden Balkon spielte.
Nachdenklich schaute sie sich die einst wunderschöne Tanne an.
Sie bemerkte sorgenvoll die Veränderung und hoffte, daß der Winter die Tanne regenerieren ließ.
Aber gefehlt, die eine Seite wurde nicht mehr grün und nadelig, die Äste sahen kahl und grau aus. Eines Tages hörte sie, wie sich Erwachsene über die Tanne unterhielten; sie sei krank und man müsse sie fällen.

Das Mädchen bekam einen großen Schreck, denn so weit hatte es noch nie gedacht. Ihre schöne Tanne, die sie immer geliebt hatte, sollte sterben, es gab keine Hoffnung ... Aber nicht vor Weihnachten, NEIN, auf gar keinen Fall vor Weihnachten!
Der Platz wäre so leer und trostlos..... und gerade zu Weihnachten, ob verschneit oder nicht, gehörte diese schöne Tanne einfach mit dazu. Ein paar Wochen vor Weihnachten, ganz genau am Tag vor dem ersten Advent hatte sie alles zurecht gelegt ,
die große Silberkugel und die rote Schleife, dazu Blumendraht und eine Kneifzange.
Ihren hoch aufgeschossenen Freund vom Nachbarhaus hatte sie eingeweiht in ihren Plan, denn sie brauchte einen Helfer...

Und so sah man am ersten Advent rund um die Tanne ein paar Fußstapfen im Schnee und an einem der kahlen Zweige eine große silberne Kugel mit lustig wehender roter Schleife hängen. Es hatte wieder geschneit und jetzt konnte man rätseln WER um alles in der Welt die Tanne geschmückt hatte.
Sollte es Tannen-Engel geben?? Ich aber war so selig über das Erlebte, daß ich das als die Erfüllung meines Tannen-Daseins empfand. Man sah MICH, meine stattliche Größe und meinen geraden, symetrischen Wuchs und auch die Farbe meines Nadelkleides war satt-grün. Die dürren, fast nadellosen Zweige bemerkte man kaum....

Zitternd vor Glück stand ich da, umgeben von den mir vertrauten Geschwistern und genoß es, geschmückter, glänzender Mittelpunkt zu sein, wenn auch nur für kurze, bemessene Zeit..... aber diese Gedanken lasse ich nicht zu, denn die hat jeder Tannenbaum, der geschmückt und strahlend in den Weihnachtszimmern steht, auch...

MS-L /Bouboulina

Artikel Teilen

 


9 7 Kommentieren
Mitglieder > Mitgliedergruppen > Deine Kurzgeschichte