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Lean

Kolumne

Von wegen lean

Schlank muss sein, sagten manche Firmen, und schrumpfte kräftig. "Lean Production" ergänzten andere Firmen und feuerten prompt zig Tausende. Sogar Lean Management ist manchmal in, nur eines ist out: Schlanke Software.

Das Problem der fetten Software ist einfach zu beschreiben. Kein Entwickler getraut sich mehr, die Kernfunktionen anzufassen, denn das entspräche dem Versuch, aus dem berühmten Konservendosenstapel eine Büchse aus der Mitte herauszuholen. Stattdessen werden neue Features nur noch aufgesetzt und darauf wieder Features, immer schön nach dem Schalenmodell.

Vielleicht hätte man besser den Code optimiert, doch wer zahlt schon für ein Update, wenn ihm nur mehr Tempo und Stabilität versprochen wird. Vielleicht Sie, doch Sie sind in der Minderheit, ein Gläubiger in einer Diaspora von Featuristen.

Die Mehrheit akzeptiert das lahme Tempo und auch die Abstürze, ja, noch toller: Wer nicht einmal in der Lage ist, eine Schutzverletzung zu erzeugen, der arbeitet offensichtlich nicht intensiv genug mit seinem Computer und wohl auch sonst nicht.

Nur neue Features locken die Massen, und nur mit neuen Versionen macht man Knete, sagt das Marketing. Ergo ist eine fette Textverarbeitung auch für das Zeitungslayout, zum Zähneputzen und als Adventure-Game geeignet.
Da hilft nur Aufrüstung, denkt mancher, doch mancher irrt. Er spielt das berühmte Rennen zwischen dem Hasen und den Igel oder wie formulierte es Professor Wirth so schön: Die Software wird schneller langsamer als die Hardware schneller wird.

Dem muss ein Ende sein, beschloss die Branche, und begann, den großen Konservendosenstapel in viele kleine Stapel zu zerlegen, objektorientiert heißt das. Die Idee an sich ist gut, nur leider nicht sehr schnell. Anstatt eine Funktion direkt aufzurufen, wird sie jetzt erst in einer virtuellen Methodentabelle gesucht. Kommando zurück, befahl deshalb Bill Gates, und keiner folgte, noch nicht einmal Microsoft.

Die neue Idee hieß Componentware. Anstatt auf jeder Festplatte 17 Rechtschreibkorrekturen,
12 Malprogramme und 9 Thesaurien zu installieren, sollte jede Komponente nur einmal existieren, fragt sich nur wessen. Sie ahnen es, genau daran ist diese Idee gescheitert.

Um wieder auf den Hasen zurückzukommen: Keuchend erreichte er das Feldende, warf mit letzter Kraft seinen neuen Rechner über die Ziellinie, 2 GB RAM und Gigaplatte inklusive, und der Igel stand auf und sagte nur ein Wort: Windows 8! Ja, mein lieber Hase, von wegen ich heiße so und weiß von nichts. Dass 2 GB RAM für die nächste Windowsgeneration nicht reichen werden, das weiß man, jedenfalls als Igel, und überhaupt, wie kamen Sie auf die Schnapsidee, sich einen Core i3 mit nur 2 Kernen zu kaufen?

Immer noch keuchend rannte der Hase zum nächsten Blödelmarkt, wo der neue Core i7 mit 8 GB RAM für schlappe 899 Euronen verschleudert wurde.
So neu gerüstet erreichte der Hase wiederum das Feldende, warf mit allerletzter Kraft seinen i7 über die Ziellinie, und wieder stand der Igel auf und sagte nur ein Wort: UEFI.

Das steht für „Unified Extensible Firmware Interface“ (siehe hier) und ist der Nachfolger des BIOS. Damit startet der Rechner in wenigen Sekunden, kann von größeren Festplatten booten, hat noch diverse andere Vorteile und – das ist der Klopfer -- es wird von Windows 8 vorausgesetzt.
Dumm nur, dass die wenigstens der heutigen Rechner UEFI können, also ist ein neues Mainboard oder gleich ein neuer Rechner fällig, theoretisch. Praktisch wird Microsoft das UEFI durch eine Software-Zwischenschicht emulieren, die dann natürlich bremst, wie stark, ist zur Zeit noch reine Spekulation.

Doch wie erging es dem Hasen nach dieser Schockmeldung? Um die Wahrheit zu sagen, es sieht schlimm aus.
Das arme Karnickel arbeitet inzwischen mit einem fünf Jahre alten PC, ist stolz darauf, mit 256 MB RAM auszukommen, und behauptet gar, dass es eine Textverarbeitung gäbe, die auf eine einzige altertümliche CD passt, und die noch nie wegen einer allgemeinen Schutzverletzung ausgestiegen sei.

Ob die Software wirklich so schlank werden muss, ist eine andere Frage. Ich wäre ja schon zufrieden, wenn sie nicht noch viel fetter würde. Doch was Meister Lampe nun treibt, ist wohl arg übertrieben oder?

Autor: WoSoft

Peter Wollschlaeger

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