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Drosselung

Kolumne

Pinkfarbene Drosseln

Ab 2. Mai 2013 will die Telekom bei Neukunden das DSL-Tempo drosseln wenn die Kunden mehr herunter laden als die Telekomiker ihnen erlauben.

Bestandskunden sind etwas später dran, es sei denn, sie geben dem Gedrängel der Telekom nach und lassen ihr Telefon auf VoIP umstellen. Das ist dann ein neuer Vertrag, Drosselung inklusive. Mein Tipp: Vom Sonderkündigungsrecht wegen Vertragsänderung Gebrauch machen und zu einem günstigeren Anbieter wechseln, wenn es den am Ort gibt.

Aber was heißt Drosselung überhaupt? Die Lieblingsspeise der echten Drosseln sind Schnecken, die Vögel tragen also zur Reduzierung der Schneckenplage in unseren Gärten bei. Bei den Telekom-Vögeln ist es umgekehrt. Die wollen massenhaft Schnecken produzieren, genauer, Internetverbindungen auf Schneckentempo abbremsen.
Bei allen Verträgen bis zu DSL 16.000 wird bei einem Verbrauch von mehr als 75 Gigabyte auf 384 kbit/s gedrosselt, also sozusagen DSL 0,38. Bei diesem „Tempo“ braucht schon der Seitenaufbau im Internet Minuten. Das Herunterladen eines Films in Standardqualität dauert dann 23 Stunden, in höchster Qualität fast 2 Wochen.

75 Gigabyte klingt viel, ist es aber nur, wenn sich ein Anwender auf das Surfen im Internet und E-Mail beschränkt. Wer dann aber noch öfter YouTube-Videos anschaut, in der Mediatheken der Fernsehsender versäumte Sendung nachholen möchte oder wer hochauflösende Fotos zu Flickr hoch lädt, der schafft das schon als Einzelperson recht schnell.
Noch schlimmer geht es Familien mit Kindern. Die übertreffen diese 75 GB gleich mehrfach, denn natürlich werden die Transfervolumina aller Familienmitglieder aufaddiert. Soll Papa jetzt einen Volumenzähler installieren und seine Familie zur Sparsamkeit anhalten?

Die Telekom schwafelt vom großem Kostendruck weil immer mehr User das Internet intensiver nutzen. Das ist die erste ganz schwache Ausrede, denn die Preise für den Datentransfer über die großen Backbone-Netze, sozusagen das Rückgrat des Internets, fallen seit Jahren und kompensieren den Nutzungsanstieg lässig. Hier müssten eher die Anbieter klagen, denn in Deutschland gibt es gigantische Überkapazitäten, die Telekom zahlt nur noch Spottpreise.

Ausrede 2: Einige Kunden zocken die Telekom ab und die sollen nun gebremst werden oder mehr zahlen. Doch die Kunden bezahlen bereits viel Geld an die Telekom, sogar mehr als bei anderen Anbietern. Von den rund 12,5 Millionen DSL-Kunden kassiert der Konzern jeden Monat grob geschätzt eine halbe Milliarde Euro. Zusätzlich kassiert die Telekom zig Millionen für die Nutzung ihrer Infrastruktur, der sogenannten letzten Meile, von ihren Mitbewerbern.

Die blödeste Ausrede der Telekomiker: 80 Milliarden koste der Netzausbau. Dumm nur, dass damit nicht das Netz gemeint ist, um das es hier geht. Für 80 Milliarden bekäme jeder Haushalt in Deutschland eine Glasfaserleitung mit 200 MBit/s (DSL 200.000) und mehr. Für einen Bruchteil dieser Summe ließe sich die aktuelle Netz-Hardware so weit auszubauen, dass die Kunden nicht eh schon ständig ausgebremst würden, sondern tatsächlich die DSL-Geschwindigkeit erhalten, die sie bezahlen.

Der schlimmste Fehler dieser Drosselung ist ein grober Verstoß gegen die Netzneutralität. Damit ist gemeint, dass die Provider niemanden bevorzugen dürfen, sondern alle Daten gleich schnell befördern müssen.
Doch dagegen verstößt die Telekom massiv sobald sie auf die Bremse tritt. Weil dann aber nach nur wenige Tagen auch das eigene Fernsehen via Internet ausfallen würde, wird bei der Berechnung des Volumens das Telekom-Entertain nicht mitgezählt. Auch VoIP von der Telekom zählt nicht und sogar Telekom-Partner wie Spotify (Musik-Verkauf) werden ausgenommen.

Doch Telefonie und Video über Skype, andere Videodienste, wie YouTube, Amazons Lovefilm, Maxdome oder die Mediatheken der Fernsehanstalten, jede Konkurrenz wird praktisch bis zum Totalausfall abgebremst. Wer dann noch Video sehen will, muss entweder extra zahlen – wie viel, ist noch unbekannt – oder sich bei der Telekom bedienen, sprich Fernsehen und andere Dienste beim rosa Riesen buchen.

Was also will der rosa Riese wirklich? Er will weg von der Rolle des Datentransporteurs. Er will doppelt verdienen also von den Kunden wie bisher für das Netz kassieren und dann nochmals für die Inhalte oder gleich dreifach verdienen und die Inhalte und Dienste selbst anbieten.
Das klappt natürlich am besten wenn man mit diesem Drossel-Trick alle anderen Videoanbieter abschaltet.

Die Wettbewerber schauen mit Interesse zu, ob die Telekom-Kunden die Kröte schlucken. Vorerst zieht kein anderer Anbieter nach. 1&1, Unitymedia und Vodafone haben sogar verkündet, nicht zu drosseln. Wie war das? Niemand hat die Absicht, eine Drosselung zu errichten.

Autor: WoSoft

Peter Wollschlaeger

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