Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

Für Gestaltung und Inhalt dieser Regionalseiten sind ausschließlich die jeweiligen Regionalbotschafter verantwortlich. Die von den Regionalbotschaftern eingegebenen und heraufgeladenen Inhalte unterliegen grundsätzlich weder einer Kontrolle durch Feierabend, noch nimmt Feierabend hierauf Einfluss. Hiervon ausgenommen sind werbliche Einblendungen und Beiträge die von Feierabend direkt eingestellt wurden und als solche gekennzeichnet sind.

Autor: Lilly47

eine wahre Geschichte:


Mit 17 hat man noch Träume....

Wer kennt nicht den Titel dieses Schlagers? Aber da geht es um Träume für die Zukunft. Hat sich überhaupt schon jemals jemand Gedanken darüber gemacht, wie es um die Träume aus der Vergangenheit steht ?? Dieser Gedanke kam mir aus folgendem Grund.
Ich bin Altenpflegerin, und wie es so ist erinnere ich mich oft an meinen allerersten Pflegefall.
Es war Rosa, und Rosa war 86 Jahre alt, Witwe, da ihr Mann 2 Jahre bevor ich Rosa kennen lernte starb. Rosa hatte ihre eigene kleine Wohnung im eigenen Haus. Über ihr wohnte ihre Tochter, mit Familie. Ich musste meist Mittags zu Rosa, und sie versorgen bis Nachmittags um 16 Uhr. Bevor ich zu Rosa ging holte ich ihr das Essen in einer Schulküche, welche die Rentner des Ortes mit Mittagessen versorgte.
Ich erinnere mich noch genau an den ersten Tag. Ich kam mit dem Essen in der Hand zu Rosa, sie beäugte mich etwas skeptisch und meinte dann : Was willst Du denn hier? Auf einen solchen Empfang war ich nicht vorbereitet, und somit meinte ich zu Rosa, dass ich nun für 4 Stunden bei ihr bleibe und ihr Gesellschaft leiste, damit sie nicht so alleine sei. Ich suchte einen Teller und Besteck, und stellte Rosa das Essen bereit. Wieder schaute sie mich fordernd an und sagte ! Und du ?? Ich fragte was ist mit mir Frau Schulz ? darauf antwortete Rosa: Was heißt hier Frau Schulz ? Ich bin die Rosa, und so musst Du mich auch nennen. Ich tat ihr diesen Gefallen, wusste ich ja dass ältere Menschen ziemlich störrisch ihre Wünsche durchsetzen können. Also wollte nun Rosa wissen warum ich nur einen Teller aus dem Schrank geholt hatte. Ich meinte , nun ja es kommt doch niemand mehr zum essen, oder ? Rosa sagte, na du musst auch essen. Darauf meinte ich, ich kann doch nicht Dein Essen wegessen, das geht doch nicht, und außerdem habe ich schon zu hause gegessen. Daraufhin verschränkte Rosa ihre Arme über der Brust und sagte in bestimmendem Ton „ Na dann esse ich eben auch nichts“ Damit hatte sie mir sofort gezeigt, wer hier bestimmt was zu geschehen hat.
Zuerst so richtig baff, nahm ich mir doch einen Teller, und somit saßen wir Beide am Mittagtisch und löffelten die Montagssuppe, aus der Schulküche. Ich mit etwas schlechtem Gewissen und Rosa glücklich, nicht allein essen zu müssen. So wurde es beibehalten, und ich gewöhnte mich langsam daran dass Rosa das Heft in ihren Händen hielt. Nun zu den Träumen zurück zu kommen. Rosa träumte gern, aber nicht wie in besagtem Schlagerlied von der Zukunft, sondern die Vergangenheit war das Ziel ihrer Träume. Ich hatte bald erkannt dass es durchaus seine Reize hat von der Vergangenheit zu träumen. An gestern oder vorgestern, konnte sich Rosa sehr oft nicht mehr erinnern, das war meist aus ihrer Gedankenwelt verschwunden. Rosas Gedanken gingen zwanzig Jahre zurück, und zwar in die Kinderzeit. Sie wusste so viel zu berichten, so zum Beispiel dass ihre Eltern Tabakfelder besaßen, und sie als Kind die grünen Blätter dieser Pflanze auf Fäden aufziehen musste und zum trocknen aufhing.
Solche Dinge wusste Rosa noch ganz genau.
Nach dem Essen gingen wir oft an die frische Luft, das Laufen war nicht mehr so leicht für das zierliche Persönchen das Rosa war. Doch die Strasse in der sie wohnte ging sie noch gerne einmal auf und ab. Allein um manchmal noch einen bekannten Menschen zu treffen, wenn das nicht der Fall war, wurde Rosa traurig, und meinte zu mir, siehst Du, nicht alle werden so alt wie ich es geworden bin. Viele sind schon nicht mehr auf dieser Erde, haben sich einfach weg gemacht. Es dauerte gar nicht lange, und Rosa lag mir wie eine Großmutter am Herzen.
Sie freute sich auf jeden Tag, den ich bei ihr war. Oft erzählte sie mir aus vergangenen Zeiten, auch noch davon wie sie ihren Mann kennen lernte, wie fleißig sie Beide das Haus in Stand hielten. Nur die Gegenwart machte ihr schwer zu schaffen. Sie wartete täglich darauf dass ihr Mann zurück komme, war er doch oft nur zum einkaufen, oder er war auf dem Feld um den Tabak zu ernten. Aber das waren ja leider nur Phantasien oder eben auch Träume, da ja Karl längst tot war.
Bald hatte ich herausgefunden, dass es besser ist, wenn ich auf dieses Spiel einging, und mit ihr zusammen auf Karl wartete. Somit bauten wir ein sehr herzliches Verhältnis auf. Oft hing sie an meinem Arm, wenn ich gehen wollte, und meinte ich solle dableiben, solle auch da schlafen, Karl wäre ja nachts fast nie zu hause, sie wäre nachts immer allein. Natürlich konnte ich das ja nicht tun, und wenn ich ging kam ihre Tochter nach hause.
Leider ging es Rosa zeitweise ziemlich schlecht, und ihre Gedanken waren sehr verwirrt. Wenn sie wieder mal in dieser Phase war, zog sie sich spontan Jacke und Kopftuch an, und zog mich am Arm, sie wollte dann ganz schnell das Haus , und durch den Garten das Grundstück verlassen. Sie fühlte sich dann zeitweilig verfolgt und wusste nicht mehr dass sie ihr eigenes Zuhause verlassen wollte.
Sie meinte immer es komme jeden Moment jemand der sie aus dem Haus jagen könnte. Es war oft eine schwere Zeit, aber Rosa behandelte mich fast wie ihre Tochter, ach ich denke manchmal noch viel besser, da ich ja 4 Stunden täglich Zeit hatte auf ihre Wünsche einzugehen, und ihr zuzuhören.
Damals dachte ich oft darüber nach, was Träume für einen Menschen ausmachen können, egal ob Träume von der Zukunft, oder Träume aus der Vergangenheit.
Doch es gibt wohl einen gewissen Unterschied. Die Träume von der Zukunft sind oft ungewiss, aber die Träume aus der Vergangenheit sind meist erfüllte Träume, und erfüllte Träume sind doch wohl die besseren.
Nun ist Rosa schon 3 Jahre tot, verstorben in einem Altenheim. Doch sie war meine erste Pflegeperson und ich werde sie nie vergessen, ihre Anhänglichkeit, und ihre meist doch liebenswürdigen kleinen Macken, fehlen mir heute. Ich pflege noch immer alte Menschen, aber eine Rosa war nie wieder dabei.
(Namen geändert)

Altenheim

Artikel Teilen

 

0 0 Artikel kommentieren
Regional > Thüringen > Hobbys > LESENundSchreiben > Geschichten