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Eine Weihnachtsgeschichte von Ingelore

Das silberne Glöckchen

Leise knistert das Seidenpapier, als ich das silberne Glöckchen aus dem Karton nehme, das so gewichtslos ist, aber doch so schwer in meiner Kindheit wog.
Viele Jahre verbrachte es vergessen in dem Karton, in dem ich den alten Weihnachtsschmuck aufbewahre. In diesem Karton liegen auch Erinnerungen vergangene Feiertage.
Vorsichtig packe ich das Glöckchen aus. Es ist aus dünnem doppelwandigen Glas, und innen mit einer Silberschicht überzogen, in der sich in den vielen Jahren graue Flecke bildeten. An uns Beiden ging die Zeit nicht spurlos vorbei.
Langsam bewege ich es hin und her, und ihr Klang ist immer noch hell und klar. Dieses Glasglöckchen ist ein magisches Glöckchen, und ich will davon berichten, wie es zu mir kam.
Am ersten Dezember durfte ich das erste Türchen meines Kalenders öffnen. Es war ein kleiner Kalender mit einem bunten Weihnachtsbild, dass mit Silberpuder bestreut war. Es glitzerte hell auf, wenn Licht darauf fiel.
Vorsichtig strich ich mit dem Zeigefinger darüber, dann über mein Gesicht, und ich freute mich sehr, wenn meine Wangen ein wenig schimmerten.
Aber dieser Kalender bot nicht nur Freude. Von dem heutigen Tag an begann das lange Warten auf Weihnachten, und jeder noch so kleine Tadel wurde dem Weihnachtsmann berichtet.
Heute, an diesem ersten Tag wollte ich mich von der guten Seite zeigen, und ging unaufgefordert in den Schuppen, um Eierbriketts in die Küche zu bringen. Ich packte den Korb so voll, dass ich ihn nicht tragen konnte. So zog ich ihn über den Hof, dann durch den Flur bis zur Kohlenkiste. Dort angekommen hörte ich die Stimme meiner Mutter, die meinen Namen rief.
Diesen Ton kannte ich. Er verhieß nichts Gutes. Schnell schaute ich an mir herunter.
„Ich bin noch sauber, nur meine Hände sind schwarz von den Kohlen,“ sagte ich, und strahlte sie an. „Schau, wie viel ich geholt habe. Nun musst du heute nicht mehr gehen.“
Doch ihr Gesicht blieb ernst. Kein noch so kleines Lächeln zeigte sich in ihren Mundwinkeln. Stumm zeigte sie auf den Fußboden. Bestürzt sah ich den Dreck, den der Korb hinterlassen hatte.
„Wasch dir die Hände, und geh in dein Zimmer. Warte dort bis, ich dich rufe.“
Ich wusste, dass es keinen Zweck hatte, mich zu rechtfertigen, wusch meine Hände und verließ leise die Küche.
Es war eine schlimme Bestrafung. Alleine in dem kalten Zimmer, in dem es keinen Ofen gab.
Ich suchte wie schon so oft in meinem Kleiderschrank Zuflucht. Traurig und missverstanden saß ich zwischen meinem Kleid und Mantel, den ich über mich zog.
Für diese Fälle hatte ich einen Bonbon versteckt, denn nichts traf mich härter, als alleine in einem Raum zu sein, nicht weil ich so gerne rede, sondern auch gerne zuhöre. So widme ich meine Aufmerksamkeit ganz dem Bonbon.
Die Großeltern schickten uns zum Nikolaustag ein Päckchen, und in ihm lag auch eine Tüte Bonbons für mich, die im bunten Papier verpackt waren.
Vorsichtig wickelte ich den Bonbon aus, und steckte ihn in den Mund. Lange durfte ich ihn nicht lutschen, denn er war der Letzte, und er musste noch bis Weihnachten reichen.
Ich war so beschäftigt damit, dass ich das Klingeln fast überhörte.
Nach einer kurzen Pause klingelte es noch einmal, dann war es still.
Ich stieg aus dem Schrank und lauschte. Wir hatten kein Glöckchen im Haus, und der Weihnachtsmann konnte es auch nicht sein.
Da öffnete sich die Tür und Tante Ella kam zu mir.
„Komm in die Küche, da ist es warm,“ sagte sie zu mir.
„Ich habe Stubenarrest,“ sagte ich und fing an zu weinen.
„Komm nur. Deine Mutter hat es erlaubt.“
Meine Mutter und ich wohnten bei Tante Ella und Onkel Hinrich im Haus. Sie hatten keine Kinder, und so adoptierte ich sie als Zusatzeltern.
In der warmen Küche setze ich mich ans Fenster. Die Scheiben waren nicht zugefroren wie die in meinem Zimmer. Hier konnte ich den Vögeln zuschauen, die an den Speckschwarten pickten, die Onkel Hinrich hinein gehängt hatte.
„Was hast du nur wieder angestellt,“ fragte er mich. Und ich erzählte, dass ich meiner Mutter doch nur helfen wollte. Da fiel mir das Läuten wieder ein.
„Hast du vorhin auch das Klingeln gehört, Onkel Hinrich?“
„Wir haben nichts gehört,“ antwortete er mir, und schaute zu seiner Frau. Auch sie verneinte.
Nun erzählte ich von meinem Bonbon, den ich einwickelte, als ich es das erste Mal hörte.
„Ach, jetzt weiß ich was du meinst,“ sagt Onkel Hinrich. „Das ist ein magisches Glöckchen, das nur Kinder hören, die nicht böse sind.“
Er wendet sich an seine Frau.
„Unser Kind war doch artig heute? Sie hat nur unüberlegt gehandelt. Was meinst du?“
Erwartungsvoll schaue ich Tante Ella an. Sie streicht sich die Haare und nickt.
Das ich ein liebes Kind bin, weiß ich ja, aber die Bestätigung tat mir sehr gut. Auch die Tasse warmen Milchkaffee ließ ich mir schmecken. Er ist fast so süß, wie mein Bonbon.
„Wenn du abends ins Bett gehst, pass auf, ob das Glöckchen wieder für dich klingelt,“ sagt Tante Ella zu mir. „Doch nun ziehe dich an, wir wollen einkaufen gehen, und du musst mir tragen helfen.“
Mit zehn roten Himbeerbonbons in meiner Manteltasche kamen wir zurück.
Meine Mutter wartete schon mit dem Mittagessen auf mich. Ich suchte in ihrem Gesicht nach einem Lächeln, aber sie sah mich ernst an.
„Hast du mich wieder lieb, wenn ich dir einen Bonbon schenke,“ fragte ich sie.
Da sehe ich diese verräterischen Falten die ich so gut kannte. Jetzt wusste ich, dass sie mir nicht mehr böse war.
Erst als ich ins Bett ging, fiel mir das Glöckchen wieder ein, und es dauerte nicht lange, bis es wieder läutete. Ich hatte meine Tür nur angelehnt und stand schnell auf. Leise schob ich sie ein Stückchen auf. Aber ich sah nur den Rücken von Onkel Hinrich, der zur Haustür ging.
Jeden Abend wartete ich nun auf das Läuten, und jedes mal sah ich Onkel Hinrich. Und ich sah auch ab und zu das Glöckchen in seiner Hand. Aber dieses Geheimnis behielt ich für mich.



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