Die ganze Geschichte

Die Geschichte von Wilhelm Voigt

Der Hauptmann von Köpenick war kein richtiger Hauptmann und er war noch nicht mal aus Köpenick. Der in Tilsit geborene Schumacher Wilhelm Voigt hat sich lediglich als Hauptmann der preußischen Garde ausgegeben und auf angeblich allerhöchsten Befehl die Stadtkasse aus dem Rathaus Köpenick beschlagnahmt. Natürlich für eigene Zwecke. Doch wie kam es überhaupt dazu?

Als Wilhelm Voigt die Köpenickiade ausführte war er 57 Jahre alt und hatte bereits die Hälfte seines Lebens hinter Gittern verbracht. Nach einer letzten 15 jährigen Haftstrafe versuchte er es mit ehrlicher Arbeit und fand auch Anstellung als Schumacher. Seine Vorstrafen holten ihn aber immer wieder ein, so dass ein Aufenthaltsverbot, auch in Berlin, es ihm unmöglich machten Fuß zu fassen. Darum ersann er sich den Plan, sich für jemand anderen auszugeben.

Aus verschiedenen Uniformteilen stellte sich Wilhelm Voigt eine Uniform eines Hauptmanns des preußischen 1. Garde-Regiments zu Fuß zusammen. Am 16.10.1906 unterstellte er sich nahe der Militärbadeanstalt Plötzensee zwei Trupps Soldaten, die gerade einen Wachwechsel hinter sich hatten. Aufgrund seines Dienstgrades wurde die Order nicht in Frage gestellt. Zusammen mit den Soldaten fuhr der falsche Hauptmann mit der Berliner S-Bahn in die Stadt Köpenick. Erst 1920 wurde Köpenick durch die Großberliner Gesetze ein Teil Berlins. Und da es in Köpenick kein stehendes Heer gab, nur eine kleine Polizeistation, hielt es Voigt für ein leichtes Ziel seines Plans. Außerdem hatte er davon gehört, dass im Rathaus 2 Millionen Mark liegen sollten. Ein Irrglaube, wie sich später herausstellte.

Den Soldaten erklärte Wilhelm Voigt, dass er den Bürgermeister verhaften und nach Berlin überstellen sollte. Sie marschierten zum Rathaus, umstellten das Gebäude. Voigt ließ alle Ausgänge abriegeln. Dann verhaftete er „im Namen seiner Majestät“ den Bürgermeister Georg Langerhans und Oberstadtsekretär Rosenkranz. Um vor dem Rathaus für Ruhe und Ordnung zu sorgen, gab er der vor Ort befindlichen Gendarmerie den entsprechenden Befehl.

Nachdem der Bürgermeister in Gewahrsam war und das Rathaus unter seiner Kontrolle, ließ Voigt einen Rechnungsabschluss machen und beschlagnahmte die Stadtkasse. Das Geld musste teilweise beim örtlichen Postamt abgehoben werden. Insgesamt erbeutete Voigt 3.557,45 Mark. Das Kassenbuch wies allerdings einen Fehlbetrag von 1,67 Mark auf. Die Übernahme des Geldes quittierte Voigt ordnungsgemäß, aber mit falschem Namen.

Für den Bürgermeister und den Kassenrendanten von Wiltburg ließ Voigt Droschken kommen und ließ sie unter Bewachung nach Berlin zur Neuen Wache bringen. Den restlichen Soldaten gab er den Befehl, das Rathaus noch für eine halbe Stunde besetzt zu halten, während er zurück zum Bahnhof marschierte und sich absetzte. Seine Uniform wurde später auf dem Tempelhofer Feld gefunden.

Die Polizei fahndete nach ihm und konnte ihn 10 Tage später verhaften. Den entscheidenden Tipp hatte sie von einem ehemaligen Zellengenossen erhalten, dem Voigt von seinen Plänen erzählt hatte. Die Anklage lautete „unbefugtes Tragens einer Uniform, Vergehen gegen die öffentliche Ordnung, Freiheitsberaubung, Betrug und schwere Urkundenfälschung. Gemessen an seinen früheren Strafen schienen die verhängten 4 Jahre vergleichsweise gering. Als strafmildernd soll das Gericht den Umstand bemessen haben, das Voigt sich ernsthaft darum bemüht habe, ein nützliches Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft zu werden, seine Lage als Vorbestrafter aber aussichtslos war. Tatsächlich musste Wilhelm Voigt nur bis zum 16.08.2016 sitzen, da ihn der Kaiser Wilhelm II. vorzeitig begnadigte. Für das deutsche Volk galt Voigt als Held, der die Fehlbarkeit der Autorität durch die Uniform gezeigt hatte.