Laurenziberg in Rheinhessen

Wallfahrtskirche St. Laurentius in Laurenziberg

Außenansicht der Wallfahrtskirche St. Laurentius auf dem Laurenziberg[Bild: Alexander Wißmann]

Eine Kirche auf dem Laurenziberg - oder Bergen, wie es früher genannt wurde - wurde erstmals 1307 urkundlich erwähnt. Die Kirche ist dem heiligen Laurentius von Rom (gest. 258) geweiht. Bis ins 14. Jahrhundert hinein war die Kirche von Bergen die Mutterkirche der Filialkirchen von Appenheim, Dromersheim, Engelstadt, Gau-Algesheim, Nieder- und Ober-Hilbersheim und Ockenheim. [Anm. 1]

Am 29. Juni 1488 gewährt der Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg (gest. 1504; Amtszeit: 1484–1504) einen Ablass von 40 Tagen, wenn sie reumütig beichten und würdig kommunizieren. Einige Tage später – 16. Juli – erteilt er den Ortschaften von Gau-Algesheim, Ockenheim, Dromersheim, Aspisheim, Appenheim, Nieder-Hilbersheim, Ober-Hilbersheim die Erlaubnis am 10. August, dem Gedenktag des Hl. Laurentius mit ausgesetztem Allerheiligsten zur Kirche des Hl. Laurentius zu ziehen.[Anm. 2]

Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wurde der Weiler mitsamt der Laurentiuskirche durch Brandschatzung vollkommen zerstört. Die wenigen Überlebenden waren nach Gau-Algesheim geflüchtet. 10 Jahre nach Ende des Kriegs wurde der Weiler durch den Freiherren Georg Christoph Langwerth von Simmern (1636–1672) wieder aufgebaut. [Anm. 3] Für die wiederangesiedelten Untertanen wurde neben der abgebrannten Kirche eine kleine Kapelle errichtet, die man erneut dem Hl. Laurentius und den Hll. Rochus (um 1295–1327) und Sebastian (gest. um 288) weihte. Die große Pestwelle im Jahr 1666 und die darauffolgende Viehseuche 1670 führten zu einer Wiederbelebung der Wallfahrt. Nun wurden auch Pferde gesegnet, die als Nutztiere fundamentale Bedeutung für die Menschen hatten.[Anm. 4]

1704 wurde auf den Fundamenten der alten die aktuelle Kirche errichtet. Am 14. September – dem Fest Kreuzerhöhung – 1730 wurde die neugebaute Kirche durch den Mainzer Weihbischof Caspar Adolph Schnernauer (gest. 1733; Amtszeit: 1728–1733) unter Assistenz des Gau-Algesheimer Pfarrers Johann Georg Clemens (1670–1762; Amtszeit: 1699–1760) sowie den Pfarrern der ehemaligen Filialorte feierlich konsekriert. Von den Filialorten kamen nur noch die kurmainzischen Orte Gau-Algesheim, Dromersheim und Ockenheim mit dem Allerheiligsten auf den Laurenziberg. Die kurpfälzischen Dörfer Appenheim, Aspisheim, Engelstadt und Nieder- und Ober-Hilbersheim kamen seit der weitgehenden Protestantisierung der Dörfer nicht mehr auf den Berg. [Anm. 5]

Im Glöcknerhaus, das 1968 niedergelegt wurde, übernachteten die Patres diverser Konfraternitäten während der Wallfahrtstage, um die ankomenden Pilger zu versorgen. Pilger kamen aus Rheinhessen, dem Rheingau, dem Naheland und dem Hunsrück. Insbesondere aus dem Wallfahrtsort Spabrücken kamen die Pilger regelmäßig. [Anm. 6]

1719 erhielt der Franziskanerpater und apostolischer Pönitentiar unter Papst Clemens XI. (1649–1721; Amtszeit: 1700–1721) Fortunatus Dohlen nach vielen Bitten für die Wallfahrtskirche eine kleine Reliquie aus dem Grab des Hl. Laurentius in Rom. Sie wurde 1739 überreicht und in ein kostbares Reliquiar eingearbeitet. Gegen 1750 wurde der Ort nicht mehr Bergen sondern Lorenziberg oder Laurenzberg genannt. [Anm. 7]

1792 rückten französische Truppen an den Laurenziberg heran und entweihten die Kirche als Unterkunft. Die vorhandenen Altäre und Ausstattungsgegenstände wurden in einem kalten Winter 1795 von den Soldaten verheizt. Ein Gutsbesitzer namens Pierre François Paravey wollte die Kirche eine Scheune verwandeln oder sogar ganz abreißen lassen. Jakob Göbel, Pfarrer in Gau-Algesheim und der Mainzer Bischof Joseph Ludwig Colmar (1760–1818; Amtszeit: 1802–1818) kämpften ohne jegliche Hilfe der politischen Gemeinde für den Erhalt der Kirche – und gewannen.[Anm. 8] Sie ließen nach Absprache mit den Franzosen die Kirche zur Filialkirche von Gau-Algesheim deklarieren. So blieb die Kirche auf Laurenziberg stehen. [Anm. 9]

Hochaltar von 1658 aus der Lambertikapelle des Mainzer Doms.[Bild: Alexander Wißmann]

Von Bischof Colmar erhielt die Kirche 1807 für den Hochaltar den Altaraufbau der Lambertikapelle des Mainzer Doms. Dieser wurde 1656 vom Mainzer Domscholaster und späteren Kurfürsten und Erzbischof Karl Heinrich von Metternich-Winneburg (1622–1679; Amtszeit: 1679) gestiftet und am 16. März 1658 in der Lambertikapelle des Mainzer Domes aufgerichtet. Der Hochaltaraufbau wurde im Andenken an seinen Oheim, den Domscholaster Johann Reinhard von Metterich (gest. 1638), der in der Lambertikapelle bestattet worden war, errichtet. Das Wappen der Familie Metternich-Winneburg-Beilstein ist über der zentralen Nische zu sehen. [Anm. 10] Der Hochaltaraufbau ist ein typischer barocker Aufbau bestehend aus Portalarchitektur. In die zentrale Nische wurde eine Skulptur des Hl. Laurentius eingefügt, die 1867 vom Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811–1877; Amtszeit: 1850–1877) geschenkt wurde.[Anm. 11] Ebenso wurde die Kartusche im Auszug des Altarretabels verändert. Dort wird der Heilige Laurentius als Fürbitter im Himmel angerufen: Beate Laurenti, triumphans in gloria coeli, intercede pro nobis.[Anm. 12]

Altar der schmerzhaften Muttergottes aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.[Bild: Alexander Wißmann]

Als man die St. Christophskirche in Mainz 1868 im neugotischen Stil umgestaltete, wurden zwei Seitenaltäre abgängig, die man für die Kirche auf dem Laurenziberg erwarb.[Anm. 13] Auf einem alten Aquarell von 1818 von J. Conrad sind beide Seitenaltäre noch in situ zu sehen.[Anm. 14] Der linke Seitenaltar ist der Muttergottes geweiht. Der rechte Seitenaltar ist dem Hl. Kreuz geweiht. In diesem Altar war bis 1868 das bekannte Wallfahrtsbild, ein gotisches Kreuz aufbewahrt, das in Mainz von einem betrunkenen Mann namens Schelkropp geschändet worden war, woraufhin sich ein Wunder ereignete[Anm. 15] Das gotische Kreuz befindet sich seit der Zerstörung von St. Christoph während des Zweiten Weltkriegs in der Franziskuskapelle des Mainzer Priesterseminars.[Anm. 16] Der Muttergottesaltar beherbergte bis 1868 eine mittelalterliche Pietà, die ebenfalls die Bombardierung während des Zweiten Weltkriegs in St. Christoph überstand und sich heute auf einem Nebenaltar in der katholischen Kirche St. Quintin in Mainz befindet.[Anm. 17] Die Auszugsbilder der Altaraufbauten, wie bei J. Conrad zu sehen, wurden nicht verändert und zeigen auf dem Muttergottesaltar die Hl. Veronika mit dem Schweißtuch und dem darauf befindlichen Abdruck des Antlitz Christi sowie auf dem Hl. Kreuz-Altar Jesus Christus mit Dornen gekrönt und mit einem Purpurmantel bekleidet (Ecce Homo) flankiert von zwei Soldaten. [Anm. 18] Es handelt sich um qualitätvolle Ölgemälde aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Ebenso sind die am Aufbau angebrachten Engel noch ursprünglich zu den Altären gehörend. Anstelle der alten Gnadenbilder befinden sich heute in den Altaraufbauten eine Pietà und ein Kruzifix im neugotischen Stil.

1905 wurde durch den Architekten August Greifzu (1873–1949) – einem Schüler Ludwig Beckers (1855–1940) – die Kirche gotisiert. Sie erhielt ein Rabitzgewölbe, das allerdings 1978 wegen Einsturzgefahr wieder entfernt wurde. Im Zuge der Regotisierungsmaßnahmen wurde auch die aktuelle Westfassade errichtet, eine Empore eingebaut, der Dachreiter neu gestaltet und die Außenkanzel mit dem Treppenturm gebaut.[Anm. 19]

Der Hl. Laurentius predigt vor der christlichen Gemeinde Roms.[Bild: Alexander Wißmann]

Ebenso entstanden zu dieser Zeit die Farbglasfenster aus der Werkstatt von Johannes Kriebitzsch (1857–1938) mit Szenen aus dem Leben des Hl. Laurentius. Sie wurden u.a. vom Mainzer Bischof Georg Heinrich Maria Kirstein (1858–1921; Amtszeit: 1904–1921) – der ehemals Pfarrer in Gau-Algesheim war – dem Gau-Algesheimer Pfarrer Dekan Joseph Hensel (Amtszeit: 1903–1910) und mehreren Laurenziberger und Gau-Algesheimer Familien gestiftet.[Anm. 20] Sie zeigen im Kirchenschiff den Heiligen Laurentius, wie er die Hl. Kommunion vom Heiligen Papst Sixtus II. (gest. 258; Amtszeit: 257–258) empfängt – hier taucht am unteren Bildrand der Name der Werkstatt Kriebitzsch auf – , Laurentius predigt von der Kanzel vor der christlichen Gemeinde, Papst Sixtus segnet Laurentius kurz vor seiner Hinrichtung – ebenfalls von Kriebitzsch signiert –, Laurentius verteilt Nahrungsmittel an Bedürftige, die Gefangennahme des Heiligen und Vorführung vor Kaiser Valerian (Amtszeit: 253–260)

Die zwei Kirchenfenster des Chorraums zeigen: Der Heilige Laurentius zeigt dem Kaiser die Reichtümer der Kirche – die Armen und Bedürftigen –, das Martyrium des Heiligen auf dem glühenden Rost – beide gestiftet von Bischof Georg Heinrich Maria Kirstein.

Die Orgel hat einen lokalen Bezug zum Ort, denn sie wurde 1932 vom Gau-Algesheimer Orgelbauer Michael Hubert Körfer (1868–1950) errichtet. Sie stand bis 1990 in der katholischen Kirche St. Georg in Rüsselsheim.[Anm. 21]

Pfarrer Dr. Ludwig Hellriegel (1932–2011) ließ 1986 eine Gedenkstätte unter der Empore für die Märtyrer der Verfolgungszeit 1933–1945 errichten. Die Stätte ist auch Erinnerungsstätte für die Familie Möbius, die früher im Küsterhaus gegenüber der Kirche wohnten.[Anm. 22]

Nachweise

Verfasser: Alexander Wißmann M.A.

Verwendete Literatur:

  • Arens, Fritz: Neue Forschungen und Veränderungen an der Ausstattung des Mainzer Doms. In: Mainzer Zeitschrift 70, 1975, S. 106–140.
  • Brück, Johann Philipp: Aus der Geschichte der Pfarrei Gau-Algesheim. In: ders. (Hrsg.): 600 Jahre Stadt Gau-Algesheim, Gau-Algesheim 1955, S. 51–70.
  • Falk, Valentin Alois Franz: Heiliges Mainz oder die heiligen Heiligthümer in Stadt und Bisthum Mainz, Mainz 1877.
  • Gondolf, Werner: Die Berger/Laurenziberger Urkunden. In: Der Laurenziberg. Beiträge zur Geschichte des Gau-Algesheimer Raumes 36, 1994, S. 165–277.
  • Schega, Herbert (Hrsg.): Haus – Hort – Heimat. St. Georg – Gut, dass es dich gibt. 100 Jahre Kirche St. Georg, Rüsselsheim, Rüsselsheim 2002.
  • Wantzen, Manfred: Die Familie Langwerth von Simmern im Rheingau und ihre Beziehung zu Bergen/Laurenziberg bei Gau-Algesheim. In: Der Laurenziberg. Beiträge zur Geschichte des Gau-Algesheimer Raumes 4, 1994, S. 66–164.
  • Wantzen, Manfred: Ein Besuch auf dem Laurenziberg. In: Gau-Algesheim. Historisches Lesebuch. Beiträge zur Geschichte des Gau-Algesheimer Raumes 41, Gau-Algesheim 1999.  .

Aktualisiert am: 27.07.2017

Anmerkungen:

  1. Siehe Wantzen 1999, S. 300f. Zurück
  2. Siehe Gondolf 1994, S.183. Zurück
  3. Siehe Wantzen 1994, S. 118f. Zurück
  4. Siehe Wantzen 1999, S. 301. Zurück
  5. Siehe a.a.O., S. 302. Zurück
  6. Siehe a.a.O., S. 302. Zurück
  7. Siehe a.a.O., S. 302. Zurück
  8. Siehe a.a.O., S. 303. Zurück
  9. Siehe Brück 1955, S. 63. Zurück
  10. Siehe Wantzen 1999, S. 303. Zurück
  11. Siehe Brück 1955, S. 64. Zurück
  12. Heiliger Laurentius, triumphierend im Himmel, bitte für uns. Zurück
  13. Siehe Wantzen 1999, S. 303. Zurück
  14. Siehe Arens 1975, Tafel 17b Zurück
  15. Siehe Wantzen 1999, S. 303. Zur Geschichte des Heilig Kreuz Stiftes und des Gnadenbilds siehe Falk 1877, S. 1f. Zurück
  16. http://dcms.bistummainz.de/bm/dcms/sites/einrichtungen/priesterseminar/nachrichten/index.html?f_action=show&f_newsitem_id=44121; zuletzt geprüft am 21.07.2017) Zurück
  17. Siehe Arens 1975, S. 74f. Zurück
  18. Siehe a.a.O., Tafel 17b Zurück
  19. Siehe Wantzen 1999, S. 303. Zurück
  20. Siehe ebd. Zurück
  21. Siehe Schega 2002, S. 24. Zurück
  22. Siehe Wantzen 1999, S. 305. Zurück