Einst klapperten die Mühlen am rauschenden Bach

Mai

Selz-Mühlen in der Ingelheimer Gemarkung
In einem großen Bogen durchzieht die Selz das Rheinhessische Hügelland. In früheren Zeiten prägten Mühlen den Flusslauf, einst waren es mehr als 40. Mit Mühlwehren und Gräben wurde das Wasser der Selz an die Mühlräder geleitet. Mächtige Mahlwerke zerkleinerten Korn und Raps. Allein im Ingelheimer Stadtgebiet waren sechs dieser Mühlen zu finden. Heute ist leider keine einzige mehr in Betrieb, aber die Gebäude sind teilweise noch erhalten.

Herrschaftsmühlen
Die bekanntesten Mühlen sind die Eulen- und die Layenmühle in der Ingelheimer Gemarkung. An der Grenze zu Großwinternheim liegt die Eulenmühle. Sie wurde vermutlich im 16. Jahrhundert erbaut und war lange im Besitz der adligen Familie Ulner, auch Aulner genannt, was altdeutsch Topf oder Töpfer bedeutet. Wie der Heimatforscher Andreas Krämer herausfand, entstand aus dem Familiennamen Aulner die Bezeichnung „Aulner- oder Eulenmühle“. Die Eulenmühle war eine Mahlmühle, die mit fünf Gängen arbeitete. Die ursprüngliche Herrschaftsmühle ging nach 1789 in den Besitz des Müllers Johannes Weil über, später an eine Familie Hofmann und wurde bis 1929 betrieben. Danach kaufte Irmgard von Opel das Anwesen: sie nutzte die  gehörigen Wasserrechte für ihr Gut Westerhaus. 1978 renovierte Irmgard von Opel die Mühle und machte sie zu ihrem Wohnsitz. Nach ihrem Tode standen die Gebäude einige Jahre leer. Ende der 1990iger erwarben und renovierten  Norbert und Wiltrud Heine die Eulenmühle. Heute sind die idyllisch gelegenen alten Fachwerkgebäude ein Blickfang für jeden vorübergehenden Spaziergänger.

Die Eulenmühle in Groß-Winternheim.
Die Eulenmühle in Groß-Winternheim.

Ein Stück weiter selzabwärts liegt die Layenmühle. Auch sie war eine Mahlmühle und arbeitete mit drei Gängen. Die Layenmühle wird 1382 erstmals urkundlich genannt. Damals hieß sie Emmerichs-Mühle und war im Besitz der Ritter von Ockenheim. Da die Ritter von Ockenheim mit dem Geschlecht derer von Leyen verwandt waren, überlieferte sich in den folgenden Jahrhunderten der Name Layenmühle. Die Mühle blieb bis zur Enteignung durch die Franzosen in adligem Besitz. Als Inhaber im 19. Jahrhundert ist nur die Müllerfamilie Weisbach bekannt. Sie wurde mit dem Besitz nicht glücklich, denn innerhalb von nur acht Jahren (1887 und 1895) brannte die Mühle zweimal ab. Man vermutete Brandstiftung, konnte den Täter aber nie überführen. 1900 gab die hochverschuldete Familie Weisbach den Mühlbetrieb auf, und das Anwesen wurde versteigert. Wendelin Zerban hieß der neue Besitzer, der fünf Jahre später die Layenmühle an den Westerwälder Müller Rüder veräußerte. Gemahlen wurde aber nicht mehr. Die Layenmühle diente als Wohnstatt, unter anderem auch Johann Maison, dem Jagdaufseher des Hofguts Westerhaus. Nach dem 1. Weltkrieg kaufte Karl Fluck die Mühle und betrieb dort eine Bäckerei. Im 2. Weltkrieg dienten die Gebäude zur Lagerung von Kriegsgütern und brannten nach einem Bombenangriff zum dritten Mal. Heute ist die Mühle im Besitz der Familie Heinrichs. Sie betreibt dort Landwirtschaft. Von der alten Mühlenlage ist leider nichts mehr zu sehen.

Selz-Mühlen in der Stadt
Im Stadtbereich liegen zwei der sechs Ingelheimer Selzmühlen. Da ist die Engenthaler Mühle oder Klostermühle. Sie liegt am Ende der Ober-Ingelheimer Edelgasse und gehörte einst zum Kloster Engenthal. Das Anwesen ist heute im Besitz der Familie Wasem. Von der ehemaligen Mühle zeugen nur noch das Wohnhaus mit seinem wunderschönen Fachwerk und die Stallungen mit ihrem Kreuzgewölbe. Die zweite Mühle im Stadtbereich ist am Ende der Altengasse zu finden. Sie wird Himmelsmühle genannt. Auch hier ist nur noch das Wohnhaus erhalten. Die Mühle war schon 1370 in Betrieb. 1806 kam sie in den Besitz von Christoph Himmel (daher der Name Himmelsmühle), dessen Familie bis zur Einstellung des Mühlbetriebes dort die Getreidemühle und eine Bäckerei betrieb. Danach wurden die zur Mühle gehörenden Gebäude zu Mietwohnungen umgebaut.

Weiter selzabwärts
Selzabwärts nutzten noch zwei weitere Mühlen die Wasserkraft der Selz: die Gries- und die Neumühle. Erstere war die größte Mühle an der Selz. Sie hatte drei Mahlstöcke und einen unterschlächtigen Mahlstock für die Ölmühle. Der Name Griesmühle kommt nicht, wie sicher viele vermuten, von dem aus Weizen gemahlenen Gries, sondern leitet sich von dem Wort Grus ab. Grus bedeutet griesiger Sand und beschreibt die Bodenbeschaffenheit der Gemarkung. Die Griesmühle wird im 14. Jahrhundert erstmals erwähnt und war bis 1803 in adligem Besitz. Als Besitzer erscheinen hier die Freiherren von Ingelheim und Horneck. 1803 kaufte der Müller Philipp Weyell die Mühle. Die Familie Weyell hielt den Mahlbetrieb bis zum Jahre 1910 aufrecht.
Die letzte Mühle vor der Mündung der Selz in den Rhein ist die Neumühle. Reste ihrer Gebäude kann man heute noch in dem Kiefernwäldchen am Rande der Konrad-Adenauer-Straße finden. Über die Geschichte der Neumühle ist nur wenig bekannt. Sicher ist, dass zwischen 1779 und 1860 eine Familie Weyell dort eine Getreidemühle unterhielt. 1880 wurde der Mühlbetrieb eingestellt und das Anwesen an die Firma Ott und Hennig verkauft. Die Firma nutzte die Wasserkraft der Selz, um Druckerschwärze herzustellen. 1930 erwarb Dr. Wilhelm Eberlein die Neumühle, machte aus der Schwärzefabrik ein kleines Chemieunternehmen und produzierte dort bis zum Jahre 1954 Färbebindemittel.