Die Milchkuh Cilly hat ihren Posten schon bezogen. Zwei Wochen soll sie in der Ansbacher Straße 20b das CSU-Wahlkreisbüro von Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) belagern. Am Dienstagmorgen begann die Aktion der Milchbauern in Neustadt an der Aisch, einem mittelfränkischen Städtchen zwischen Würzburg und Nürnberg. Die Landwirte sind empört und frustriert. Sie fühlen sich von Minister Schmidt nicht ernst genommen. Und sie fürchten um ihre Existenz, schließlich bewegt sich seit Monaten der Milchpreis steil abwärts.

Für einen Liter Milch zahlen einige Molkereien nur noch 18 bis 19 Cent. Der Grund für den Preisverfall: Es wird viel zu viel Milch produziert. Vor rund einem Jahr wurde die EU-weite Milchquote abgeschafft. Sie regelte, wie viel Milch ein Bauer produzieren durfte. So wollte man für stabile Preise sorgen – letztlich jedoch ohne Erfolg.

Jetzt können die Bauern wieder so viel Milch herstellen, wie sie wollen. Um noch einigermaßen kostendeckend wirtschaften zu können, bräuchten die etwa 75.000 Milchbauern in Deutschland aber einen Erzeugerpreis von etwa 40 Cent pro Liter, heißt es.

Der Markt werde geradezu überschwemmt mit Milch aus Europa und aus Deutschland, sagt Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), der ebenfalls vor dem Wahlkreisbüro des Landwirtschaftsministers protestiert. Die sinkende Nachfrage aus China und Russland hält Foldenauer für die derzeitige Situation wenig entscheidend ­– obwohl dies von Experten als Hauptgrund für die starken Preisschwankungen genannt wird. Im vergangenen Jahr sei der Milch-Export sogar gestiegen und auch in diesem Jahr wachse der Absatz ins Ausland. Das Problem sei, dass diese Zunahme im Export noch unter der Ausweitung des Angebots liege, sagt Foldenauer.

"Wir haben dem Minister ein Konzept vorgelegt, wie man in Krisenphasen dieser Entwicklung begegnen könnte. Doch das lehnt Schmidt einfach ab", kritisiert er. Die Milchbauern fordern, in schwierigen Situationen die Produktion auf EU-Ebene zeitlich befristet zu deckeln. Dafür wollen die Bauern aber entschädigt werden. Die EU hatte im März die rechtlichen Voraussetzungen für freiwillige, zeitlich begrenzte Produktionskürzungen in den EU-Staaten geschaffen. Produzenten können sich bei den Mengen absprechen, ohne kartellrechtlich in Probleme zu geraten. Im Prinzip ist das eine Quote light.

Doch warum will sich die Bundesregierung nicht auf eine solche Regelung einlassen? Agrarminister Schmidt wolle nicht wie früher die Mengen beschränken und in den Markt direkt eingreifen, sagt BDM-Sprecher Foldenauer. Die Regierung setze dagegen auf Steuererleichterungen und Liquiditätshilfen. Das wiederum kritisieren die Landwirte. Direkthilfen nach dem Gießkannen-Prinzip würden ohne jede Marktwirkung verpuffen. Schmidt legt den Landwirten außerdem nahe, das Segment zu wechseln, wenn sie dem Wettbewerb nicht standhielten. "Ein Ansatz ist auch der Ökolandbau, der beispielsweise weniger vom Preiskampf betroffen ist", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Kleinere Betriebe sollen erhalten werden

Das Institut für Ernährungswissenschaft (ife) in Kiel untersucht seit Jahren die Situation auf dem Milchmarkt und hat mit dem Ende der Quoten-Regelung eine Studie herausgegeben. Ihr Fazit: Grundsätzlich funktioniere der Milchmarkt, nur die hohen Preisschwankungen führten dazu, dass selbst gut laufende Milchbetriebe Liquiditätsprobleme bekämen. Am Ende würden Unternehmen die Milchviehhaltung aufgeben, obwohl sie langfristig rentabel arbeiten würden, heißt es in der Studie. Deshalb sei es notwendig, dass der Staat in den Markt eingreife, um "in Ausnahmesituationen die Preise zu stabilisieren". Doch wie?

Den Vorschlag der Milchproduzenten zur Mengensteuerung in Krisenzeiten hält das Institut nur eingeschränkt für sinnvoll. Stattdessen werden etwa bessere Frühwarnindikatoren vorgeschlagen oder ein Versicherungssystem, mit dem Landwirte große Verluste abfedern können.

"Der Markt braucht Regeln", hält Milch-Lobbyist Foldenauer dagegen. "Sonst kommt es zu einem Crash, wie jetzt." Außerdem führten die niedrigen Preise zu einer ungesunden Entwicklung. Gerade Betriebe, die in den vergangenen Jahren viel in eine moderne Produktion investiert hätten, stünden nun vor riesigen Problemen. "Diese Betriebe schließen nicht, sondern werden stillschweigend enteignet", sagt Foldenauer. "Da steigt dann ein Investor ein und übernimmt Grund und Boden."

Es ist Konsens in der Agrarpolitik, dass auch kleinere Betriebe und bäuerliche Strukturen in Deutschland erhalten werden sollen, um nicht den gesamten Markt einigen wenigen Großbetrieben zu überlassen. Aber wie kann man das erreichen? Für den 30. Mai hat Minister Schmidt nun einen Milchgipfel einberufen. Bis dahin soll die Kuh Cilly vor seinem Wahlkreisbüro ausharren. Von dem Treffen versprechen sich die Landwirte allerdings kaum eine Lösung.