Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

Für Gestaltung und Inhalt dieser Regionalseiten sind ausschließlich die jeweiligen Regionalbotschafter verantwortlich. Die von den Regionalbotschaftern eingegebenen und heraufgeladenen Inhalte unterliegen grundsätzlich weder einer Kontrolle durch Feierabend, noch nimmt Feierabend hierauf Einfluss. Hiervon ausgenommen sind werbliche Einblendungen und Beiträge die von Feierabend direkt eingestellt wurden und als solche gekennzeichnet sind.

Litha-Sommersonnenwende mit den Siefersheimer Kräuterhexen

Litha wird als eines der ältesten Feste der germanischen Völker am 21. Juni gefeiert. Auf diesen Tag fällt die Sommersonnenwende. In Skandinavien wird der Tag auch als Mittsommer bezeichnet und gehört dort zu den schönsten Ereignissen des Jahres. Große Scheiterhaufen werden errichtet und überall Volksfeste gefeiert. Es handelt sich bekanntlich um den längsten Tag und die kürzeste Nacht des Jahres. Die Sonne steht auf ihrem Höhepunkt, die Tage werden wieder kürzer und die Schatten länger. Es ist zugelich auch der offizielle Beginn des Sommers.

Bei den Germanen wurde die Sommersonnenwende als das heiligste Fest im Jahresrad gefeiert. Es wurden Feuer entzündet und ums Feuer getanzt - im Kreis und im Uhrzeigersinn. Sie huldigten noch einmal dem Sonnengott und brachten ihm Rauchopfer, das Gesundheit, Kraft und Stärke für das Jahr bringen sollte.

Zu einem solchen Litha-Sommersonnenwendefest laden alljährlich die Siefersheimer Kräuterhexen ein, verbunden mit einer Kräuterwanderung zum keltischen Kultplatz am Martinsberg. Meine Turnschwester Agathe hatte die Idee, dass wir unserer Jazztanzschwester Hannelore zum 70. Geburtstag die Teilnahme am Sommersonnenwendefest schenken und es gemeinsam mit ihr feiern. Das war eine gute Idee. Und so fuhren 10 Damen am 21. Juni gut gelaunt mit drei Autos von Zornheim nach Siefersheim.

Siefersheim_Rose56
Was erwartet uns heute abend .... fragen: Uschi, Eleonore, Johanna, Marion, Hannelore, Monika, Agathe, Hildegard (v.lks.n.re) - nicht auf dem Bild: Brigitte und Rosemarie
Foto: Rose56

In der Ortsmitte warteten schon viele Gäste auf die Abendwanderung, die um 19.30 Uhr beginnen sollte. Bis jeder die 19 €, die für die Wanderung, Kräutertafel und Getränke im Weingut gezahlt hatte und die Gruppen auf die drei Kräuterhexen Christine Moebus, Karin Mannsdörfer und Martina Schmitt aufgeteilt waren, verging eine weitere halbe Stunde, so dass unsere Gruppe von ca. 30 Personen mit Karin Mannsdörfer gegen 20 Uhr auf den Weg zum Martinsberg aufbrach.

Siefersheim2_Rose56
Die drei Kräuterhexen Christine Moebus, Karin Mannsdörfer und Martina Schmitt
Foto: Rose56

Am Ortsende bleibt Karin Mannsdörfer an einem Garten stehen und zeigt auf einen Holunderbusch. Sie erklärt, dass der Holunder die Nähe des Menschen sucht und früher an fast jedem Haus ein Holunder wuchs. Er diente nicht nur als Hausapotheke, sondern galt auch als magischer Schutzbaum, der Haus und Hof vor Schaden und bösem Zauber bewahrte. Diejenigen, die vorüber kamen, „zogen ihren Hut vor ihm und beugten das Knie“ und niemand wagte es, die Pflanze zu fällen oder in seinem Wuchs zurecht zu schneiden. Man glaubte, dass der Holunderbusch negative Energien, Unglück und Krankheit an sich zieht und bannt. Würde er gefällt werden, würden diese negativen Energien freigesetzt und wieder auf Haus und Hof zurück kehren.

Die Kräuterhexe erzählt weiter, dass im Glauben der Kelten der Holunder ein Baum des Lebens und des Todes sei, was man an dem Weiß der Blüten und dem tiefen Schwarz der Früchte sehen könne. Hier wohnt die schwarze Erdgöttin Morrigan, die laut keltischem Jahreskreis im Frühjahr zur Lichtgöttin Brigid wird, ein beschützender Hausgeist. Die alten Germanen glaubten, dass in der Nacht der Sommersonnenwende Elfen und Zwerge um den Holunderbusch tanzen und Hochzeit halten.

Sie erläutert weiter, dass fast alle Bestandteile des Holunders verwendet werden können. Die Blüten helfen als Tee bei Grippe, Schnupfen, Bronchitis etc. (Holunderblütentee), die vitaminreichen Beeren stärken die Abwehrkräfte. Sie sollten aber nie roh gegessen werden, da sie leicht giftig sind und Übelkeit verursachen. Der Saft hilft bei Rheuma und Neuralgien, die Rinde und Wurzeln wirken harntreibend und entwässernd. Eine Salbe, aus Blättern gewonnen, lindert Prellungen und Quetschungen. Und, so die Kräuterhexe, ein Blatt in der Hand verrieben und auf die Hand- und Fußgelenke aufgetragen, schützt vor Zecken. Sie erzählt uns, daß sie, bevor sie - strumpflos - zum Kräutersammeln aufbricht oder im Garten arbeitet, sich mit einem Blatt des Holunders einreibt und seitdem nie wieder eine Zecke eingefangen hat. Wir können es kaum glauben!

Siefersheim4_Rose56
Blick zum Kirchturm von Siefersheim, einem Weinbauort in der Rheinhessischen Schweiz
Foto: Rose56

Ein kurzes Stück weiter stoppen wir und Karin Mannsdörfer pflückt ein Wegerichblatt. Sie erklärt uns, daß es ein Blatt vom Mittleren Wegerich ist, der hier meist wächst.
Wegerich hilft nicht nur bei Schnittwunden, bei denen man sich ein Blatt um den Finger wickeln sollte, sondern auch gegen Blasen an den Füßen, indem man sich einfach ein Blatt in den Schuh legt. Wir staunen! Ein Mythos, so die Kräuterhexe, besagt, dass jede Frau herausfinden kann, wieviel Kinder sie bekommt. Man müsse nur Blatt und Stiel auseinanderziehen und die Fäden, die danach am Blatt hängen bleiben, ablesen. Sind es zwei oder drei? Bei Karin Mannsdörfer funktioniert's: es sind zwei!

Siefersheim5_Rose56
Karin Mannsdörfer erklärt uns die Wirkung des Wegerich.
Foto: Rose56

Die Melde ist eine der ältesten Kulturpflanzen und diente bereits im alten Rom als Nahrungsmittel. Sie läßt sich im Salat oder als Würze im Hackfleisch verwenden oder als Spinat. Sie ist reich an Vitamin C und Mineralstoffen und wirkt bei Blasenproblemen, Hautunreinheiten, Husten, Lungenleiden, blutreinigend und abführend. Deshalb ist sie im Volksmund auch als „Schissmelde“ oder in Rheinhessen als „Schissmelle“ (daher auch der Schissmelle-Umzug in Mombach?) bekannt.
Bei der Gelegenheit erklärt uns Karin Mannsdörfer, die wie die anderen Kräuterhexen eine staatliche Ausbildung zu Kräuterführerinnen absolviert hat und Kultur- und Weinbotschafter sind, dass die Kräuter nur im Frühjahr geerntet werden sollen. Sie dienen dann der Vitalität. Fangen sie an zu blühen, werden sie zu Heilpflanzen.

Weiter geht es zum rosa blühenden Seifenkraut. Es hat, wie der Name schon sagt, tatsächlich etwas mit Waschen zu tun. Die Pflanze enthält nämlich bis zu 5 % an Saponinen, also Seifenstoffen. Das Kraut diente früher als Waschmittel und Zahnpasta. Bei den Kelten und Germanen wurde das Seifenkraut auch in der Kräuterheilkunde eingesetzt. Die hohen Saponinwerte wirken schleimlösend. Zuviel davon kann allerdings die Verdauungsorgane reizen.
Die Kräuterhexe reicht ein Blatt umher und wir können spüren, wie weich die Haut wird, wenn man mit ihm darüber streicht.

Siefersheim7_Rose56
Seifenkraut
Foto: Rose56

Jeder kennt aus eigener, vielleicht auch leidvoller, Erfahrung die Brennessel. In der germanischen Mythologie war die Brennessel ein Symbol des Gottes Donar, des Donnergottes. Sie wird deshalb in manchen Gegenden auch heute noch „Donnernessel“ genannt. Bei den Kelten war die Brennessel eine ganz besondere Pflanze - ein Freund des Menschen. Sie fängt schlechte Gedanken, Neid und Missgunst ab und beschützt so die Bewohner des Hauses vor ihnen.
Im Mittelalter galt die Brennessel - so die Kräuterhexe - „als Viagra des Mannes“: Männer, die ihren ehelichen Pflichten nicht mehr nachkamen, wurden mit Brennesseln ausgepeitscht!
Die Kelten stellten aus Brennesselfasern Stricke, Säcke und Hemdenstoffe her. Fast jeder kennt heute noch den Nesselstoff.
Heute dient die Pflanze in erster Linie als Heilpflanze. Als Tee wirkt sie harntreibend und entschlackend, bei Niersteinen, Rheuma und Gicht, ist gut bei Ekzemen und Hautproblemen.
In der Küche finden die frischen Blätter (vor der Blüte!) und das getrockenete Kraut scmackhafte Verwendung.
Die Brennessel dient auch, so die Kräuterhexe, als Erste-Hilfe-Mittel: einfach ein Blatt nehmen, zur Kugel formen und diese unter die Zunge legen - ein Energieschub ist die Folge !

Siefersheim8_Rose56
Es ist spannend, der Kräuterhexe zuzuhören
Foto: Rose56

Ein paar Meter weiter zeigt uns Karin Mannsdörfer den Beifuß, die „Mutter aller Kräuter“, so erklärt sie uns. Die Staude wächst bis zu einem Meter hoch. Die eingeschnittenen, dunkelgrünlich-gräulichen Blätter sind an der Unterseite behaart und geben der Pflanze ein wenig das Aussehen von Unkraut. Er blüht von August bis September. Beifuß gehört zur Familie der Artemisa-Pflanzen und wurde in der Antike nicht nur als Gewürzpflanze, sondern auch als Heilkraut genutzt. Ihm werden verdauungsfördernde Eigenschaften zugesprochen und wird deshalb als Gewürz zu schwer verdaulichen und fetten Speisen verwendet.

Beifuß ist eine der ältesten Ritualpflanzen. Das Räuchern mit Beifuß geht bis in die keltisch-germanische Zeit zurück. Es diente dem Vertreiben der bösen Geister, aber es kann auch helfen, eigene Heilkräfte zu aktivieren. In der Johannisnacht geräuchert, soll er im kommenden Jahr beschützen und Kraft geben.

Auch die Schafgarbe, die wir als nächstes kennenlernen, wird zum Räuchern verwendet. Dies soll zur inneren Weisheit und Leichtigkeit führen und vor negativen Einflüssen schützen. In der Medizin wird die Schafgarbe, ähnlich wie die Kamille, seit Jahrhunderten als Arzneipflanze bei Magen- und Darmbeschwerden genutzt.

Siefersheim9_Rose56
Die Schafgarbe kennt jeder, die Wirkung erklärt uns Karin Mannsdörfer
Foto: Rose56

Am Fuße der „Hexenkanzel“ verweilen wir einen Augenblick. Auffällig blüht hier eine kleine blaue Blume, das Berg-Sandglöckchen.

Siefersheim9_Rose56
Blaue Farbtupfer: das Berg-Sandglöckchen
Foto: Rose56

Danach beginnt der Aufstieg zur Hexenkanzel, die im Naturschutzgebiet der Rheinhessischen Schweiz liegt. Oben angekommen haben wir einen schönen Blick in die Landschaft.

Siefersheim10_Rose56
Die Hexenkanzel
Foto: Rose56
Siefersheim11_Rose56
Wir kraxeln nach oben
Foto: Rose56

er bequeme Abstieg zum keltischen Kultplatz am Martinsberg führt durch einen schattigen Eichenwald.

Am Hain angekommen, zeigt uns die Kräuterhexe das Jakobskreuzkraut, das in den vergangenen Jahren in Verruf gekommen ist. Die Pflanze ist stark giftig und verliert auch im Heu nicht ihre Giftigkeit. Auf der Weide wird älteres Jakobskreuzkraut normalerweise gemieden, jedoch wenn das Vorkommen hoch ist, wird sie insbesondere von jungen Tieren gefressen. Mehrere Todesfälle beim Pferd bestätigen dies.

Siefersheim11_Rose56
Der Hain - einst ein keltischer Kultplatz
Foto: Rose56

Siefersheim14_Rose56
Die Kräuterhexe mit dem Johanniskraut
Foto: Rose56

Bekannt ist auch das Johanniskraut, dem im Mittelalter starke Zauber- und teufelabwehrende Kräfte zugeschrieben wurden. Sie besitzt gelbe Blüten, aus welchem beim Zerdrücken ein roter Saft, Hypericin, austritt. Karin Mannsdörfer zeigt uns ein Blatt, das den Eindruck erweckt, es sei durchlöchert. Sie erzählt uns, dass der Sage nach diese Löcher vom Teufel stammen. Dieser war verärgert über die Macht, die die Pflanze über böse Geister und über ihn selbst besaß. Deshalb zerstach er mit Nadeln die Blätter.
In Wirklichkeit handelt es sich aber um „Behälter“, welche das Öl des Johanniskrautes beinhalten.
Im Mittelalter war die Pflanze als Hexenkraut, Teufelfuchtel und Teufelsbanner bekannt, und ihm wurden starke Zauber- und teufelabwehrende Kräfte zugeschrieben.
Für die pharmazeutische Verwendung werden heute speziell angebaute Pflanzen verwendet. Sie helfen bei leichten Formen von Depressionen, nervöser Unruhe und Gereiztheit und stabilisieren das Nervensystem.

Bei den Strahlen der untergehenden Sonne erreichen wir kurz nach 22 Uhr wieder Siefersheim.

Am Wegrand blüht der rote Klatschmohn. Wenig bekannt dürfte sein, dass aus den Blütenblättern ein wirksamer Hustensirup gewonnen werden kann. Karin Mannsdörfer verrät uns das Rezept:

100 g Klatschmohnblüten (frisch)
oder 20 g Klatschmohnblüten (trocken)
250 ml Wasser
250 g Zucker

Die Blütenblätter werden mit kochendem Wasser überbrüht und einige Stunden zum Ziehen gestellt. Dann abseihen und in die Flüssigkeit den Zucker geben. Nochmals aufkochen und unter Hitzezufuhr zu einem Sirup einkochen lassen.

Als letzte der drei Gruppen erreichen wir in der beginnenden Dämmerung das Weingut der Familie Moebus und finden noch einen freien Tisch in der Scheune. Doch zuvor nehmen wir uns am Eingang einen Beifußzweig. Wir flechten uns einen Kranz für den Kopf, denn schließlich wollen wir am heutigen Abend des Sonnenwendfestes Kraft für den kommenden Jahreszyklus schöpfen.

Siefersheim15_Rose56
Hof im Weingut Möbus
Foto: Rose56

Mit unserer „Eintrittskarte“, dem rosa Zettel, der - farbig unterschiedlich für die einzelnen Gruppen - zu Beginn der Führung verteilt wurde, können wir uns am „Buffet“ einen Teller vorzüglicher Kräutersuppe und anschließend Pellkartoffel mit leckerem Kräuterquark holen. Auf dem Tisch stehen Weiß- und Rotwein, Traubensaft und Sprudel.

Siefersheim16_Rose56
Gekrönt mit unseren Beifußkränzen gehen wir zum Buffet.
Foto: Rose56

Als es dunkel ist, werden im Hof die Sonnenwendfeuer angezündet. Es erklingt keltische Musik. Kurz vor Mitternacht treten zwei Musiker mit Dudelsack und Schalmei hinzu und der rituelle Tanz um das Feuer beginnt. Ein starker würzig-herber Duft des geräucherten Beifußes steigt auf und umhüllt die Tänzer und Gäste. Ob er uns im kommenden Jahr schützen wird? Wir glauben fest daran. Auf alle Fälle macht er müde. Oder war es der Wein und die späte Stunde?

Siefersheim17_Rose56
Mystischer Tanz um das Sonnenwendfeuer
Foto: Rose56

Lange nach Mitternacht verlassen wir die Sonnenwendfeier und ich liege erst gegen 2 Uhr im Bett. Schlaffördernd wirkt die Räucherung des Beifußes jedenfalls nicht: ich „tanze“ im Traum noch die ganze Nacht weiter. Aber die Nacht ist kurz, schließlich haben wir die Sommersonnenwende.

Siefersheim17_Rose56
Der Geruch der verbrennenden Beifußkränze zieht in die Nase. Aber er wird uns gegen Zauberei und Dämonen im kommenden Jahr schützen.
Foto: Rose56

Alle Bilder von der Kräuterwanderung und der Sonnenwendfeier kannst Du hier sehen.

Text und Fotos: Rose56

(eingestellt am 4.7.10)

Artikel Teilen

 

Artikel bewerten
5 Sterne (1 Bewertungen)

Nutze die Sterne, um eine Bewertung abzugeben:


0 0 Artikel kommentieren
Regional > Mainz > Leseecke > Roses Leseecke > Siefersheimer Kräuterhexen