Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

Für Gestaltung und Inhalt dieser Regionalseiten sind ausschließlich die jeweiligen Regionalbotschafter verantwortlich. Die von den Regionalbotschaftern eingegebenen und heraufgeladenen Inhalte unterliegen grundsätzlich weder einer Kontrolle durch Feierabend, noch nimmt Feierabend hierauf Einfluss. Hiervon ausgenommen sind werbliche Einblendungen und Beiträge die von Feierabend direkt eingestellt wurden und als solche gekennzeichnet sind.

"Die Welt strömt ein. Ich atme sie zurück."

Eine literarisch-musikalische Hommage für Elisabeth Langgässer
zum 60. Todestag



Elisabeth Langgässer, eine Dichterin im 20. Jahrhundert, die in der Öffentlichkeit in Vergessenheit geraten ist. Der Name sagte mir nur insofern etwas, als ich wußte, dass es in Alzey das Elisabeth Langgässer-Gymnasium gibt.

Als ich die Ankündigung einer literarisch-musikalischen Hommage für Elisabeth Langgässer in der Presse las, wurde ich neugierig. Ich stellte die Veranstaltung auf unsere Seite und freute mich, dass es Jenny7778, meingold und gudy43 ebenso wie mir ging und wir zu viert am 15. Juni im Haus am Dom mehr über Elisabeth Langgässer erfahren wollten.

Dr. Sonja Hilzinger, Autorin, Lektorin und Wissenschaftsberaterin in Berlin, die nach Biogra-fien von Anna Seghers, Inge Müller und Christa Wolf im Jahr 2009 die erste umfangreiche Langgässer-Biografie vorgelegt hat, gab Einblicke in ihre Biographie und ihr Werk, eingebettet in Zeit- und Literaturgeschichte.
Gaby Reichardt, die als Schauspielerin am Mainzer Staatstheater und als Moderatorin des Hessischen Rundfunks tätig war, und die heute Lesungen hält und als Moderatorin für Konzerte wirkt, las aus Elisabeth Langgässers Briefen und ihrer Prosa und trug mit angenehmer Stimme Gedichte vor.
Annette Degenhardt, die als Solo-Gitarristin und Komponistin in Mainz lebt und arbeitet, begleitete das Programm mit klassischer Gitarrenmusik.

Elisabeth Langgässer wurde 1899 in Alzey geboren. Dort wuchs sie zusammen mit ihrem zwei Jahre älteren Bruder Heinrich auf. 1909, nach dem Tod ihres aus jüdischer Familie stammenden Vaters, Eduard Langgässer, zog die Mutter mit ihren Kindern nach Darmstadt. Der Vater, ein Architekt und Regierungsbaurat, war vor seiner Heirat mit Eugenie zum katholischen Glauben übergetreten. In Darmstadt besuchte Elisabeth das Gymnasium und ließ sich 1918 nach dem Abitur zur Lehrerin ausbilden. Es folgte die Tätigkeit als Volksschullehrerin in Seligenstadt und Griesheim. Bereits in dieser Zeit verfasste sie naturlyrische Gedichte, die sich an den Stilmerkmalen der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff orientierten.
1924 erschien ihr erster Gedichtband „Der Wendekreis des Lammes“. In der Folgezeit wurden ihre Gedichte in der Frankfurter Zeitung veröffentlicht.

Den ersten massiven Einbruch in ihrem Leben erfährt sie, als sie von dem verheirateten, jüdischen Rechtswissenschaftler und Sozialisten Heller schwanger wird. Elisabeth Langgässer muss Ende 1928 den Schuldienst kündigen. Sie zieht nach Berlin zu ihrer Mutter und ihrem Bruder, wo ihre Tochter Cordelia geboren wird. In Berlin arbeitet sie zunächst als Dozentin an einer Schule und ab 1930 als freie Schriftstellerin. In dieser Zeit schuf sie verschiedene Hörspiele.1931 erhält sie den Literaturpreis des deutschen Staatsbürgerinnenverbandes. 1933 erscheint die Kindheitsnovelle Proserpina.

Kühkopf_pixelio_Bodo-Schmitt
Kühkopf
Foto: by Bodo-Schmitt_pixelio.de

1935 heiratet sie den Philosophen Wilhelm Hoffmann, der als Regisseur und Lektor beim Kinderfunk tätig ist. Diese Ehe war von den Nationalsozialisten als „privilegierte Mischehe“ eingestuft worden und bot somit einen gewissen Schutz. Im Jahr darauf, 1936, erscheint ihr Roman „Gang durch das Ried“. Der Roman spielt im Jahr 1930 und beschreibt ausführlich und eindrucksvoll die Landschaften und die Tierwelt des heutigen Naturschutzgebietes Kühkopf-Knoblochsaue.



(Der nach ihr benannte 11 km lange Wanderweg in der Knoblochsaue führt, vorbei am Forsthaus Knoblochsaue und der Schwedensäule, durch die urwüchsigen Landschaften der Riedwiesen und der Auenwälder....wir sollten ihn einmal erkunden!).

Die Ehe verhindert nicht den Ausschluss aus der Reichsschriftumskammer, da sie als „Halbjüdin“ eingestuft wird. Das bedeutet gleichzeitig Publikationsverbot. Trotz dieses Verbots schreibt sie weiter. Der Novellenband „Rettung am Rhein“ kann 1938 in Österreich erscheinen. 1939 beginnt sie die Arbeit an dem Roman „Das unauslöschliche Siegel“.

1938, 1940 und 1942 werden weitere drei Töchter geboren.

Elisabeth Langgässer hatte lange den Rassenwahn der Nazis verkannt. Als sie die Wohnung mit dem Judenstern kennenzeichnen sollen, muss ihre Tochter Cordelia, die nach den Nürnberger Gesetzen als Volljüdin eingestuft wird, das Haus verlassen. Auswanderungspläne in die Schweiz für Cordelia scheitern. Mittels einer Adoption durch ein spanisch-belgisches Ehepaar wird versucht, Cordelia, die die damit die spanische Staatsbürgeschaft erhält, zu retten. 1944 erfolgt trotzdem die Deportation Cordelias nach Theresienstadt und von dort nach Auschwitz. Sie gehört zu den wenigen Überlebenden dieses Konzentrationslagers.

Elisabeth Langgässer, bei der 1942 erste Anzeichen der Multiplen Sklerose auftreten, wird 1944 dienstverpflichtet und muß in einer Munitionsfabrik arbeiten.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkreigs läßt sich Elisabeth Langgässer in Rheinzabern in der Nähe ihrer Geburtsstadt Alzey nieder.

1946 erscheint ihr Roman „Das unauslöschliche Siegel“ und macht sie zur bekanntesten Autorin der ersten Nachkriegsjahre. Darin breitet sie ihr Geschichtsbild an der Gestalt des Juden Lazarus Belfontaine aus und zeigt die Erlösung des schuldigen Menschen durch die in der Taufe zugesagte göttliche Gnade. Wie dieser Roman ist ihr gesamtes Werk gekennzeichnet vom christlichen Denken.

1946 erhält sie die erste Nachricht Cordelias aus Schweden. Mutter und Tochter sehen sich jedoch erst 1949 wieder. Cordelia zog mit dem Namen Cordelia Edvardson als Schriftstellerin nach Israel. Jahrzehnte nach dem Tod der Mutter schrieb sie in dem Roman „Gebranntes Kind sucht Feuer“, auf. Das Buch erschien 1986.

Zahlreiche Lesereisen und publizistische Beiträge prägen die Zeit nach dem Krieg. Der Gedichtband „Der Laubmann und die Rose“ und „Der Torso“, eine Sammlung von Kurzgeschichten, erscheinen 1947 und 1948. Im März 1950 wird Elisabeth Langgässer in die Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur gewählt. Geschwächt durch die Multiple Sklerose stirbt sie am 25. Juli 1950 in einem Karlsruher Krankenhaus. Die Veröffentlichung ihres zweiten Romans „Märkische Argonautenfahrt“ erlebt sie nicht mehr. Sie schildert hier die Erlebnisse einer schicksalhaft verbundenen, heilsuchenden Gruppe von Menschen während einer Pilgerfahrt. Posthum wird ihr 1950 der Georg-Büchner-Preis, eine der bedeutendsten literarischen Auszeichnungen, verliehen. Ihr Grab befindet sich auf dem Alten Friedhof in Darmstadt.

Für mich hat insbesondere die Biografin Sonja Hilzinger die Person Elisabeth Langgässers überzeugend nahegebracht, ihr Aufwachsen in der rheinhessischen Landschaft, ihre deutsch-jüdische Familiengeschichte in der NS-Zeit aber auch ihre Konflikte, ihre Umstrittenheit und die Widersprüche. Vieles in ihren Werken ist mir jedoch fremd geblieben, insbesondere die philosophisch-theologische Vorstellungswelt der Dichterin. Das Zitieren aus ihren Texten, nicht zuletzt aus ihren Gedichten, bot jedoch einen unmittelbaren Zugang zu ihren Werken. Werke, die deutsche Geschichte und Schicksale vorführen, die aus unserem Bewußtsein verschwinden oder schon verschwunden sind.

Dass einige der Zuhörer des Abends Elisabeth Langgässer wiederentdecken wollen, zeigt sich an der großen Resonanz: lediglich drei Bücher liegen später noch auf dem Tisch, alle anderen wurden verkauft. Wir vier beschließen den Abend mit einem Glas Wein im Haus am Dom, ehe wir uns am Schillerplatz voneinander verabschieden.

eingestellt am 21. Juni 2010

Autor: Feierabend-Mitglied

Artikel Teilen

 

Artikel bewerten
5 Sterne (2 Bewertungen)

Nutze die Sterne, um eine Bewertung abzugeben:


0 0 Artikel kommentieren
Regional > Mainz > Leseecke > Roses Leseecke > Hommage an Elisabeth Langgässer