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Melanchthon's Buchbesprechungen 2010/2011

Im Sommer hat Melanchthon (Melanie) wieder interessante Bücher gelesen, die sie uns über den Winter vorstellen will.

Der letzte Harem

von Peter Prange

Der letzte Harem erzählt die Lebensgeschichte von zwei Frauen zwischen Orient und Okzident. Beide verlieren als Kinder ihre Eltern, als das ganze Dorf bei einem Anschlag vernichtet wird.
Ein in der Nähe befindlicher Sklavenhändler nimmt sie mit und über Zwischenstationen landen sie im letzten Harem.
Wegen ihrer Schönheit steigt eine bald als Favoritin des Sultans auf, die andere ist eine Arbeits-sklavin, die aber später auch die Aufmerksamkeit des Sultans erlangt.
Sie sind in einer privilegierten Position, als durch Putsch des Militärs der Umbruch erfolgt und kurze Zeit darauf der erste Weltkrieg ausbricht und die Türkei auf der Seite Deutschlands kämpft.
Nichts ist mehr wie es war. Eine wird zur Trinkerin, die andere muss miterleben wir ihr Volk hingeschlachtet wird und muss ums eigene Überleben kämpfen.

Ein faszinierendes Buch wegen der wunderbaren Beschreibungen des Lebens im Harem, aber auch ein erschreckendes Buch, wegen der krassen Darstellung der Verfolgung und Vernichtung der Armenier.
Ein beeindruckendes Buch, wegen verschiedener Sätze, die einen aus dem Kontext gezogen noch mehr anspringen und nicht mehr loslassen wollen. Absolut empfehlenswert!

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„Das sind doch Gebetskränze, nicht wahr?“ Der Goldschmied nickte.
„Und wer soll damit beten? Armenier oder Kurden?“
„Was für eine große Frage für so eine kleine Kette“, sagte der Goldschmied.
„Vielleicht wäre es besser, man würde sie gar nicht stellen. Sie richtet nur Schaden an.“
„Aber man muss doch wissen womit man betet!“
„Muss man das wirklich?“ Der Goldschmied schaute sie mit einem geheimnisvollen Lächeln an. „Viele Menschen meinen, beim Beten wäre die Kette das Wichtigste. Als müssten sie nur die Perlen durch die Finger gleiten lassen, damit ihre Gebete zum Himmel gelangen. Doch glaub mir, meine Tochter, die Kette allein vermag gar nichts, viel wichtiger ist das Herz. Nur wenn die Gebete aus einem reinen Herzen kommen, kann die Kette helfen, dass der Himmel sie erhört. Und dann ist es gleichgültig, ob jemand Armenier oder Kurde ist, Muslim oder Christ. Die einen sagen Bismillahrirahmanirahim, während sie die Perlen zählen, die andere Vater unser, der du bist im Himmel ... Doch sie meinen beide dasselbe.“
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„Warum haben Sie immer nur diese eine Art von Gebetskränzen gemacht? Ich kann mich an keine anderen erinnern.“ Sie beugte sich vor und gab ihm die Kette zurück. „Sogar heute noch. Sie sind genauso wie früher.“
„Ja warum?“ Der Goldschmied nahm die Kette und betrachtete die Perlen. „Die meisten Leute glauben, ich könnte keine anderen, und ich habe sie in dem Glauben gelassen. Aber das ist nicht der wirkliche Grund. Ich habe nur diese eine Art gemacht, weil ich immer hoffte, dadurch ein bisschen Frieden im Dorf zu stiften. Ich dachte, wenn die Kurden und die Armenier mit denselben Perlenkränzen beten, die einen die Suren des Korans, die anderen die Gesetze des Rosenkranzes, dann würden sie sich nicht totschlagen. Aber das war wohl ein frommer Wunsch. Deine Eltern und die Eltern deiner Freundin hatten ja auch dieselben Kränze und trotzdem ...“
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Wie kann es sein, dass einige wenige Verbrecher solche Macht in einem Volk erlangen, dass sie in dessen Namen Taten begehen können, für die sich ihre Kinder und Kindeskinder noch schämen? Wie kann es sein, dass sie in Menschen, die seit Generationen in Eintracht und Frieden miteinander leben, solchen Hass entzünden dass Nachbarn ihre Nachbarn verraten, Freunde ihre Freunde erschlagen, nur weil sie unterschiedlichen Glaubens sind? Wie kann es sein, dass sie, obwohl in verschwindender Minderzahl, Scharen anderer Menschen dazu verleiten, alles zu vergessen und außer Kraft zu setzen, was mit dem Göttlichen verbindet, bis nur noch die Dämonen in ihnen übrig bleiben? Und wie kann es sein, dass sich dieses Verhängnis wieder und wieder ereignet, zu allen Zeiten, in allen Völkern und Kulturen der Menschheit, die in diesen Schreckensmomenten der Geschichte sich selbst ins Antlitz speit ...

Knapp 600 Seiten, Knaur - ISBN 978-3-426-63855-2 - € 9,95

(eingestellt am 29.1.11)

Eisfieber

Hoffe Ihr habt alle Weihnachten gut verbracht und es ging niemandem so wie dieser großen Familie in Schottland, deren Weihnachtstage Ken Follet in seinem Roman EISFIEBER beschreibt.

Stanley Oxenford leitet ein privates Forschungslabor, in dem nach einem Gegenmittel zu Virenerkrankungen, so gefährlich wie Ebola, Lassa, etc., geforscht wird.

Am Heiligen Abend, kurz bevor der Rest der Belegschaft in die Weihnachtsfeiertage gehen will, wird festgestellt, dass aus einer hochgeheimen Versuchsreihe Proben entwendet wurden. Die Sicherheitschefin, eine ehemalige Polizistin, gibt keine Ruhe und besteht darauf der Sache auf den Grund zu gehen. So werden alle Mitarbeiter mit Zutrittsberechtigung, auch die, die im Urlaub sind, befragt.
Die Personenzahl kann eingegrenzt, der vermeintliche Übeltäter gefunden werden – tot!

Obwohl jetzt die Sicherheitsvorkehrungen verdoppelt werden, wird am selben Tag in dem Hochsicherheitslabor, wo nur ganz wenige Personen Zutritt haben, Zutritt nur mit Chipkarte und einem Fingerabdruck-Abgleich, eingebrochen. Tödliche Viren werden entwendet!

Ein Schneesturm behindert die Diebe, sie müssen ihr Auto stehen lassen und einen Unterschlupf suchen; ausgerechnet im Haus von Stanley Oxenford, der für die Weihnachtsfeiertage seine Kinder, Schwiegersöhne und Enkel zu Besuch hat.
Das Geschehen spitzt sich mehr und mehr zu, bis es richtig eskaliert.

Spannend und dramatisch von der ersten bis zur letzten Minute. Man möchte das Buch am liebsten in einem Rutsch durchlesen und gar nicht mehr aus der Hand legen.
Es ist leicht zu lesen, da es in kurze Kapitel untergliedert ist und in einer zeitgemäßen Sprache geschrieben wurde. Ein gutes Buch für ein ekliges Winterwochenende!

Der Roman wurde übrigens verfilmt und vom ZDF ausgestrahlt.

Als Taschenbuch erschienen bei Bastei-Lübbe, 600 Seiten, ISBN 978-3-404-15668-9, 10 €


„07.45 Uhr
In der Speisekammer war es kalt.
Der Weihnachtstruthahn, der für den Kühlschrank in der Küche zu groß war, lag in einem Bräter auf einer marmornen Anrichte; Olga hatte ihn bereits bratfertig gefüllt und gewürzt. Zutiefst deprimiert fragte sich Miranda, ob sie das Festtagsmahl überhaupt noch erleben würde.
Gemeinsam mit ihrem Vater, ihrer Schwester und Hugo stand sie zusammengepfercht in einem Raum von nicht einmal einem Quadratmeter, umgeben von Gestellen voller Frischgemüse, einem Bord mit Pasta-Gläsern, Cornflakes-Schachteln, Dosen mit Thunfisch und Eiertomaten sowie gebackenen Bohnen.
Am schlechtesten ging es Hugo, der anscheinend nur zeitweise bei Bewusstsein war. Er lehnte an der Wand, und Olga drückte sich in dem Bemühen, ihn warm zu halten, an seinen nackten Körper. Stanleys Gesicht sah aus, als wäre es von einem Lastwagen gerammt worden, aber er stand aufrecht und seine Miene verriet Wachsamkeit.
Miranda fühlte sich elend und hilflos. Sie konnte es kaum ertragen, einen so starken Charakter wie ihren Vater verwundet und gefesselt sehen zu müssen. Und Hugo war zwar ein Lump, aber so etwas hatte er kaum verdient: So, wie er aussah, war zu befürchten, dass er dauerhafte Schäden abbekommen hatte. Olga war eine Heldin: Sie ließ nichts unversucht, ihrem Ehemann beizustehen, obwohl sie erst seit kurzem wusste, dass er sie mit ihrer Schwester betrogen hatte.“

(eingestellt am 6.1.11)

Dezembersturm

von Iny Lorentz

Dezembersturm ist ein dicker, aber leicht zu lesender, Roman.

Lore, noch nicht einmal 16 Jahre alt, Enkelin eines ostpreußischen Adeligen, muss erleben wie ihre ganze Familie Opfer von Flammen wird und ihr Großvater als Folge davon schwer erkrankt.
Um nicht als Magd ihres Großcousins zu enden, tritt sie – auf Wunsch des Großvaters – die Reise nach Amerika an.
Bevor ihr Schiff vor der Themse-Mündung in einen Sturm gerät lernt sie ein kleines Mädchen, Nati, kennen, das ebenfalls Waise ist und bei ihrem Großvater lebt. Dieser bittet sie, sich um das Kind zu kümmern und stellt sie als Gesellschafterin an. Das Schiff kentert, aber Lore schafft es sich und die Kleine zu retten, während der Großvater der Kleinen von seinem eigenen Neffen, Ruppert, ins Wasser gestoßen wird.
An Land stellt ihnen der Neffe nach, denn es geht um ein großes Erbe.
Nach aufregenden Begebenheiten in England tritt Lore auf einem Frachter von Dover aus die Heimreise an. Der Frachter wird gerammt und viele Menschen ertrinken.
Man sollte meinen, dass sie, zurück in Bremen, ein ruhiges Leben führen kann, aber auch hier gibt es in ihrem Umfeld Menschen, die ihr nicht wohl gesonnen sind.


Die beschriebenen Schiffsunglücke sind historisch belegt und detailliert beschrieben. Am Rande erfahren wir etwas über die sozialen und kulturellen Gegebenheiten jener Zeit. Auch die Landschaften werden ganz gut beschrieben, sei es nun Ostpreußen oder England.
Ein Buch ohne Tiefgang, aber mit Spannung bis zum Schluss und einer guter Bildersprache, geeignet zum Abschalten und Entspannen.

Auszug:
Noch während sie überlegte, mit welcher Ausrede sie Zeit gewinnen konnte, trat Ruppert auch schon ein. Diesmal glich er nicht gerade einem Triumphator, sondern sah übernächtigt aus und machte ein Gesicht wie eine gereizte Bulldogge. Sein Ausflug am gestrigen Abend schien nicht sehr erfolgreich verlaufen zu sein. Lore hatte jedoch keine Zeit, Schadenfreude zu empfinden, denn Rupperts Gesichtsausdruck wechselte so schnell, als hätte er sich eine Maske übergestülpt, und wirkte nun souverän und zugleich belustigt.
„Du scheinst mir ja ein außergewöhnlich stures Frauenzimmer zu sein“, sagte er und deutete auf Nati, die wimmerte und röchelte, als läge sie wirklich in den letzten Zügen. „Was versprichst Du dir eigentlich davon, dich meinem Willen zu widersetzen? Glaubst Du, es käme ein Engel mit dem Flammenschwert, um dich zu retten? Niemand weiß, wo du bist, und es wird sich auch kein Mensch dafür interessieren. Dabei habe ich dir gestern ein sehr gutes Angebot gemacht …“
„Und warum?“, schrie Lore ihn an. „Doch nur, um mich hereinzulegen! Ich soll Nati töten, und dann klagen Sie mich des Mordes an und waschen Ihre Hände in Unschuld!“
Ruppert lachte zynisch auf. „So viel Misstrauen in so einem kleinen Köpfchen! Ich gebe zu, ich habe diese Möglichkeit in Erwägung gezogen. Aber es wäre meinen Plänen nicht förderlich, wenn ich Dir Gelegenheit gäbe, vor Gericht auszusagen. Das würde schlichtweg zu viel Staub aufwirbeln. Ich möchte das Retzmann-Erbe jedoch ohne größeres Aufsehen übernehmen. Deswegen wäre es mir lieber, wenn Du mir helfen würdest, das kleine Hindernis unauffällig aus dem Weg zu schaffen. Wie ich gestern schon sagte, bin ich bereit, mich mit einer ordentlichen Summe erkenntlich zu zeigen.“
Lore biss sich auf die Lippen und schüttelte den Kopf, so dass ihre halbaufgelösten Zöpfe flogen. „Tausend Mark für einen Mord, der Ihnen wahrscheinlich Hunderttausende einbringt? Ist das nicht ein bisschen knauserig?“

(eingestellt am 1. Dezember 2010)

Abgetreten

von Kornelia Helfmann

„An diesem Abend ist die Liebe gestorben, einfach unter den Tisch gefallen ist sie, unter den Tisch mit seiner verwaschenen rosa Tischdecke, unter den Tisch im Speisesaal dieses Hotels in Südfrankreich, und da lag sie nun, die Liebe, und ich habe sie zertreten mit meinen Schuhen, mit diesen altmodischen, ehemals chicen roten Lederschuhen, vor Jahren waren sie einmal chic gewesen, jetzt waren es die einzigen exchicen Schuhe, die ich für ein Hotel besaß. Dieses Hotel war auch einmal chic gewesen, vor Jahren, jetzt war es nicht mehr chic, das verband dieses Hotel mit meinen Schuhen, meinen Schuhen mit ihren hohen, dünnen Absätzen und vorne spitz zulaufend, zu wenig Platz für die Zehen und sicher nicht gesund, aber ich hatte keine anderen, und zum Zertreten der Liebe waren sie ganz gut geeignet.
Ich bewegte den rechten Vorderfuß auf der hinuntergefallenen Liebe hin und her, hin und her, und der hohe, spitze Absatz machte schleifende Geräusche auf dem Parkett, die anderen Gäste schauten schon zu uns herüber, aber das konnte mich nicht davon abhalten, diese Liebe zu zerquetschen, diese Liebe, die unter dem Tisch auf dem Fußboden lag und die ich zwar nicht sehen, aber bis zu ihrem endgültigen Ableben sehr gut fühlen konnte.“

Mit diesen drei Sätzen beginnt der kurze Roman von Kornelia Helfmann, der fast nur so lange dauert, wie ein Drei-Gang-Menue in einem französischen Restaurant.
Mit ihrem Mann ist sie nach Südfrankreich gefahren, in dasselbe Hotel, in der sie die Hochzeitsreise mit ihm verbrachte.
In Rückblenden erzählt sie ihr Leben mit Kurt. Vom ersten Kennenlernen, ihrer Schwangerschaft, der Hochzeit und der Zeit danach. Sie arbeitet, er kümmert sich um Kind und Haushalt.
Sie berichtet von ihrer Familie und seiner, die gegensätzlicher nicht sein könnten, genau so gegensätzlich wie sie und Kurt eigentlich sind.

Immer wieder verlangt die Gegenwart ihre Aufmerksamkeit. Die Bedienung kommt, nimmt die Bestellung auf und serviert nacheinander die verschiedenen Speisen.
Die Bedienung, die sie nicht beachtet, aber um so mehr den Kurt. Der wiederum korrigiert ihre Wortwahl, korrigiert ihr Französisch, wo sie doch extra für diesen Urlaub einen Kurs belegt hatte. Trotzdem bemüht er sich immer wieder nett und freundlich zu ihr zu sein, schließlich soll ja diese Reise ihre Ehe kitten.

Ein Buch das man, einmal angefangen, nicht mehr aus der Hand legt.
Ein ungewöhnlicher Stil. Trotz der oft über etliche Zeilen gehenden Bandwurmsätze ist das Buch leicht und schnell lesbar. Ja, häufig hat man das Gefühl, dass gerade wegen der Bandwurmsätze, mit einer anschaulichen, bildhaften Erzählart, das Buch so einzigartig wird. Aber nein das stimmt nicht ganz, es ist die wirklich ungewöhnliche und originelle Geschichte, mit einem nicht vorhersehbaren Ende.

Ein absolut empfehlenswerter kleiner Band von nur 125 Seiten, der übrigens mit dem Brigitte-Romanpreis 2004 ausgezeichnet wurde.
ISBN 3-8135-0245-7 – Albrecht Knaus

(eingestellt am 1.11.2010)

Autor: Melanchthon

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