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Wegen der bevorstehenden Wahlen stelle ich diesen Monat das Buch der
Bundestagsabgeordneten Lale Akgün, geboren in Istanbul, vor:

Tante Semra im Leberkäseland


"Türken sind anders, Deutsche aber auch - Mein Leben zwischen Minarett und Dom"
Lale Akgün

Auszug:
„Die anderen Kinder im Kindergarten sind ganz gemein zu mir“, sagte sie fruchtbar traurig.
„Was ist den passiert“, fragte ich erschrocken.
„Sie sagen, der Nikolaus kommt nicht zu dir, weil du schon den Moslem-Teller kriegst.“
Jetzt muss ich erklären, was ein »Moslem-Teller« war. Es war nicht etwa ein Teller, auf dem ein Moslem serviert wurde, sondern ein Teller, auf dem nichts aus Schweinfleisch war. Auf dem »Moslem-Teller« lagen Käse, Rindwurst und andere Dinge. Und wie alle Kinder, die bei der Anmeldung als Religionszugehörigkeit »Islam« angegeben hatten, bekamen den »Moslem-Teller«. Ein kleiner und gut gemeinter Beitrag des Kindergartens zur interreligiösen Verständigung. Dieser Teller war unter allen Kindern sehr begehrt, weil er ein Privileg von wenigen war. Und jetzt kam die Retourkutsche. Jetzt sollte mein armes Kind, das dasaß wie ein Häuflein Elend, vom Nikolaus diskriminiert werden, weil es ja das Privileg des Moslem-Tellers genoss. »Moslem-Teller« und dazu noch Geschenke vom Nikolaus, das war zu viel des Guten. Meinten jedenfalls die anderen Kinder.
„Aber ich bitte dich“, tröstete ich sie, „den Nikolaus interessiert es überhaupt nicht, was du im Kindergarten zu essen bekommst, der unterscheidet nicht nach Religionszugehörigkeit, er unterscheidet nach brav und böse, und er kommt zu allen Kindern, die brav gewesen sind.“
„Bist du dir sicher?“ Aziza schaute mich an, und in ihren Augen keimte eine Spur von Hoffnung.
„Ganz sicher!“
Sie schien zu überlegen. „Und das Christkind?“
Nachdem ich nun gerade den Nikolaus als so gerecht und weise dargestellt hatte, konnte ich das Christkind nicht ausschließen, und ihm Diskriminierungstendenzen unterstellen. „Das Christkind auch!“ sagte ich voller Überzeugung. „Auch das Christkind bringt allen lieben Kindern was mit!“
„Hmm“, es folgte eine kleine Pause. „Und der Osterhase?“
Bitte, sollte ich jetzt den Osterhasen ausschließen, nur weil er kein lupenreiner Christ ist? „Der Osterhase der versteckt die Eier für alle Kinder, und . . .“, fügte ich schnell hinzu, um die Reihe zu komplettieren „ . . . der Sankt Martin , der hat seinen Mantel doch mit einem Bettler geteilt. Und was heißt das? Er hat ihn mit allen Menschen geteilt!“
Nach diesem Plädoyer für die Schutzpatrone und Helden der Christenheit (bis auf den Osterhasen) war Aziza einigermaßen beruhigt. Nikolaus, Christkind, der Osterhase und Sankt Martin, sie alle gehörten jetzt auch zu uns, wir hatten sie einfach adoptiert.

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Lale Akgün ist 9, als sie mit ihren Eltern von Istanbul nach Köln zieht. In ihrem Buch beschreibt sie nicht nur die ersten ungewohnten und oft sehr witzigen Begebenheiten in Deutschland, sie nimmt Deutsche und Türken gleichermaßen ganz schön auf die Schippe.
Ein heiteres, kurzweiliges Buch, das zum Schmunzeln und Lachen einlädt, allerlei Wissenswertes von unseren türkisch-deutschen Nachbarn vermittelt und mit etlichen Klischees aufräumt.

Mehr über Lale Akgün erfährst Du auf ihrer Homepage.

ISBN 978-3-8105-0119-6 Fischer Verlag - Seiten: 255 - € 14,90


eingestellt am 1. September 2009

Autor: Melanchthon

Die Germanin

Die Germanin
- Roman zur Varusschlacht -
von Robert Gordian


Auszug:
Nelda hatte indessen die halbe Nacht wach auf der Herbergsmatratze gelegen und über dieses Vorhaben nachgedacht. Kaum war Gaius Sempronius fort, verließ sie, nachdem sie beim Wirt eine kurze Nachricht für ihn hinterlegt hatte, die Herberge und eilte zum Hafen. Sie machte einen Umweg und im Gassengewirr der cannabae mit den Läden und Werkstätten der Händler schüttelte sie die beiden alten Diener ab, die ihr – zweifellos im Auftrag ihres Herrn – zu folgen versuchten. Im Hafen hielt sie Ausschau nach Kaufleuten, die entweder auf Schiffen oder über die hölzerne Brücke zum Kastell hinüber wollten, dem kleineren römischen Militärlager auf der anderen Seite des Rhenus. Sie hatte Glück. Ein Händler, der seine Ware auf zwei hoch beladenen Wagen zu den Legionären dort drüben und den in der Umgebung siedelnden römerfreundlichen Matiakern bringen wollte, erlaubte ihr, sich ihm anzuschließen.
Er wollte bei den Matiakern Pelze erhandeln, klagte aber darüber, dass sie schlechte Jäger seien und zu hohe Preise verlangten. Das war für Nelda, die sich ihm mit dem germanischen Namen Gerbod vorgestellt hatte, ein willkommener Gesprächsgegenstand. Neben ihm, auf der Kutscherbank des ersten Wagens sitzend, während sie - nach einem Aufenthalt am Tor des Kastells – auf der Straße zur Römerfestung bei den heißen Quellen dahin rumpelten, überredete sie ihn, seine Handelsreise am Südrand des Mons Taunus fortzusetzen und sich ins Land der Chatten vorzuwagen. Die seien ausgezeichnete Bärenjäger, auch Felle von Füchsen, Wölfen und Mardern könne man bei ihnen billig erwerben.

ISBN 978-3-8053-3930-8
Verlag Philipp von Zabern - 252 Seiten - 19,90 €

Thusnelda verlässt Mogontiacum um Ihren Mann, Arminius, zu suchen. Dieser hatte es geschafft die zerstrittenen germanischen Stämme für eine große Schlacht zu vereinen, die Varusschlacht.
Keine Angst, die Schlacht wird zwar auch beschrieben, aber das Buch erzählt die Geschichte von Thusnelda, die auf Wunsch ihres Vaters, einem Cheruskerfürsten, so ausgebildet wird, dass sie später einen hochrangigen Römer heiraten kann. Schon in jungen Jahren widersetzt sie sich der Mutter, die sie zwingt, alle hausfraulichen Tätigkeiten zu erlernen. Sie ist begabt, spricht bald lateinisch und griechisch. So kommt sie früh in Kontakt mit ranghohen Römern.
Mit einem solchen soll sie im Wehrhof ihres Vaters eine Gesetzgebung für die Germanen entwickeln. Sie aber wartet insgeheim immer noch auf Arminius, einem jungen Cherusker im Dienste der Römer. Als er endlich kommt und bei ihrem Vater um ihre Hand anhält, wird er abgewiesen. Nelda widersetzt sich den Wünschen des Vaters und geht mit Arminius.
Dieser ist jedoch besessen von der Idee, die germanischen Stämme zu vereinen, damit sie der zunehmenden Landeinnahme der Römer entgegentreten. Thusnelda führt ein unstetes Leben an der Seite dieses rastlosen Mannes.
Nach der Varusschlacht steht Thusnelda einem eigenen prosperierenden Wehrhof vor, als sie von ihrem Vater mit Hilfe einer List entführt wird. Bei dem Versuch sie zu befreien kommt es zum Kampf mit den Römern. Arminius kann fliehen, Thusnelda wird mit ihrem Sohn nach Rom verschleppt. Nach Jahren gelingt es ihr, ihren alten Vertrauten Gaius zu bewegen, sie nach Mogontiacum in die Nähe ihrer alten Heimat mitzunehmen. Sie muss Arminius warnen, sein Leben ist in größter Gefahr.
Ein spannendes Buch, das man kaum weglegen mag. Anschaulich werden Lebensweisen und Gebräuche der Germanen und Römer geschildert. Besonders faszinierend ist auch, dass die Geschichte gerade in unserer Gegend spielt, zwischen Main und Lahn und darüber hinaus.

(eingestellt am 1. Oktober 2009)

Autor: Melanchthon

Die Flucht der Ameisen

Die Flucht der Ameisen
Eine geokalyptische Vision
Ulrich C. Schreiber


Können wir uns vorstellen was passiert, wenn unterhalb von Mosel und Lahn ein Vulkanausbruch das Rheintal versperrt? Das Wasser von Main, Nahe, Mosel, Lahn, und des Rheins, mit all den oberen Nebenflüssen, deren Wasser er schon mit sich bringt, nicht mehr abfließen kann? Das können und wollen wir uns nicht vorstellen, denn der letzte Vulkanausbruch in der Eifel liegt ja schon so lange zurück. Obwohl auch in unseren Regionen manchmal die Erde bebt, wiegen wir uns in Sicherheit.

Gerhard, ein Professor für Geologie an der Uni Köln, unternimmt mit seiner Frau regelmäßig geologische Ausflüge in die nahe Eifel und macht dabei erstaunliche Entdeckungen. Unter anderem, dass die Waldameisen ihre Haufen auf geologischen Brüchen gebaut haben. Vermehrt finden sie Hinweise, dass ein möglicher Vulkanausbruch bevorstehen könnte.
Sie verstärken ihre Untersuchungen mit Hilfe von Diplomanden, Doktoranden und der Unterstützung des Geologischen Landesamtes Mainz. Bevor sie noch ihre Vermutungen beweisen können, nimmt die Katastrophe ihren Lauf.

Ein echter Horror-Sciencefiction in nächster Nachbarschaft. Interessant der erste Teil, in dem die geologische Geschichte der Eifel dargelegt wird und viele Kenntnisse über Gesteinskunde und Vulkanismus unterhaltsam nahe gebracht werden. Aufgelockert wird das Buch durch lustige Schilderungen, u. a. mit dem Kater Morpheus oder dem Ring der Nibelungen. Der zweite Teil ist dann ein richtiger Schocker, aber mehr möchte ich darüber nicht verraten. Nur beim dritten Teil war ich nicht mehr ein sehr aufmerksamer Leser. Für mich ging es da etwas zu technisch zu, viele Passagen habe ich in Windeseile überflogen.

Das erste Buch von Schreiber ist gut geeignet als Geschenk für Leute die sich für Geologie oder Vulkanismus interessieren, Technik-Freaks, Wanderfreunde der Eifel, Rheinanwohner und natürlich für jeden Thriller-Liebhaber. Ein leicht lesbarer Stil, eine Vision die nachklingt und einige Zeit beschäftigt.

Auszug:
„Apropos andere Gedanken . . .“ Gerhard fingerte mit der rechten Hand eine Übersichtskarte aus dem Rucksack und studierte sie eine Weile nachdenklich. Seit einiger Zeit schwelte in seinem Unterbewusstsein etwas, das er bei der Geländebearbeitung immer wieder beobachtet hatte. Und nun drängte sich diese Beobachtung immer stärker in den Vordergrund. „Ist Dir schon mal aufgefallen, dass wir manchmal den ganzen Tag durch die Gegend laufen und keinen einzigen Ameisenhaufen sehen? Und wenn wir eine Störung gefunden haben und das Gelände verfolgen, treten sie plötzlich in Massen auf?“
„Das gleiche wollte ich dich auch schon fragen. Besonderns deutlich war es südlich von Euskirchen. Da standen mindestens vierzig Nester auf der Störungszone. Oder bei Bad Neuenahr, auf der großen Quarzkuppe, wo sie sogar im tiefsten Wald gebaut haben.“
Katrin musste plötzlich lachen. „Es liegt bestimmt nicht daran, dass sie so gerne quarzen.“
„Und die Erzverhüttung haben sie auch noch nicht entwickelt. Natürlich könnte es etwas mit den Mineralien zu tun haben, die dort vorkommen, aber die gibt es hier eigentlich überall, nur etwas sparsamer verteilt. Egal, was es ist, für den Bedarf der kleinen Ameisen müsste es allemal reichen.“
„Vielleicht nutzen sie etwas ganz anderes, das es nur in der Störungszone gibt.“
„Möglicherweise die winzigen Spalten, die in größere Tiefen führen, zum Beispiel als Wärmequelle im Winter. Wenn es richtig kalt wird, steigt die wärmere Luft aus dem Erdinneren nach oben. Die Temperatur fällt hier manchmal auf minus zwanzig Grad unter Null. Da bringt ein Luftstrom von vielleicht plus vier bis sechs Grad schon einen Überlebensvorteil.“
„Dann hätten uns die Ameisen in der Nutzung der Geothermie einiges voraus.“
„Vielleicht nutzen sie auch ein Spurengas, um sich bestimmte chemische Verhältnisse zu schaffen. Manche Arten produzieren sogar Antibiotika, um eine Verpilzung der Bauten zu verhindern.“
„Heißt das, überall dort, wo Ameisenhügel stehen, sind auch Störungen?“ fragte Katrin zweifelnd.

ISBN 3-926126-54-X – Shayol - 350 Seiten – gebunden 24,90 € / Taschenbuch 8,95 €

(eingestellt am 1. November 2009)

Autor: Melanchthon

Wie wär es, Weihnachten einmal ausfallen zu lassen?

Wie wär es, Weihnachten einfach einmal ausfallen zu lassen?

Keine langweiligen Weihnachtsfeiern, keine Karten, kein Weihnachtsbaum, keine Geschenke, keine Gewichtszunahme durchs Festessen.

Da ihre Tochter das erste Mal Weihnachten nicht zu Hause sein wird, sehen Luther und Nora Weihnachten mit sehr gemischten Gefühlen entgegen.
Nach längerem hin- und her beschließen sie, Weihnachten ausfallen zu lassen.
Wenn, dann mit allen Konsequenzen, keine Weihnachtfeiern mit Kollegen, kein fröhliches Trinken im Verein, keine Trinkgelder für Briefträger, Zeitungszusteller, Müllmänner. Keine Dekorationen am Haus und im Garten. Schon gar kein Besuch von Benefizveranstaltungen und keine Einladungen.

Das alles erweist sich als gar nicht so einfach in einer kleinen Stadt, wo jeder jeden kennt und Rituale wie festgeschrieben sind. Je häufiger die beiden von ihren Plänen sprechen, um so mehr stoßen sie auf Unverständnis in ihrer Umgebung. Gegen alle Widerstände buchen sie eine Kreuzfahrt. Statt Weihnachtsgeschenke zu kaufen, gönnen sie sich neue Freizeitgarderobe.

Aber dann kommt alles ganz anders!

Was passiert, wird hier nicht verraten, denn schließlich ist Weihnachten ein Fest voller Überraschungen.

DAS FEST
von John Grisham
(ja, Ihr lest richtig, er hat auch andere Sachen geschrieben als „Die Jury“ oder „Die Firma“)

ist erschienen bei Heyne - ISBN 3-453-21625-3 – nur 208 Seiten lang, mit hübschen kleinen Zeichnungen und Lesebändchen.
Wärmstens zu empfehlen – besonders wenn man Amerika und die Amerikaner mag oder aber nur mal kräftig über deren Irrwitz vor und an Weihnachten lachen möchte.

Auszug:
„Während Luther dort hing und auf den Tod wartete, darauf, dass das Seil nachgab, sich dann völlig löste und ihn auf den Boden krachen ließ, durchströmte ihn der Hass auf Weihnachten mit neuer Leidenschaft. Weihnachten hatte ihn in diese Lage gebracht.
Weihnachten war an allem schuld.
Und er hasste auch seine Nachbarn, sie alle, ob alt oder jung. Sie scharrten sich mittlerweile zu Dutzenden in seiner Auffahrt, er konnte sie herbeilaufen hören, und während er sich langsam um sich selbst drehte, sah er wie immer mehr Leute die Straße entlang rannten, um diesen Anblick nur ja nicht zu verpassen.
Irgendwo über ihm knackte es, dann gaben Seil und Kabel nach und Luther sackte weitere fünfzehn Zentimeter ab, bevor sein Fall erneut ruckartig gestoppt wurde. Die Menge schnappte nach Luft. Zweifellos wären einige der Zuschauer gern in Beifallsrufe ausgebrochen.“


(eingestellt am 29. November 2009 - 1. Advent)





Die Eismalerin

Karitas

Milchkanne 1923 - Bleistiftradierung

Der Morgen ist schon fortgeschritten.
Die Helligkeit kriecht schlaftrunken zum Fenster an der Ostseite hinein, sie ist faul in diesen Tagen des tiefsten Winters.
Ich bin allein im Zimmer. Lausche, höre aber nichts außer dem Gekreisch der Vögel.
Ich komme mir verlassen vor. Springe aus dem Bett und renne im Nachthemd aus dem Haus.
Soweit das Auge reicht sehe ich nichts als Meer.
Der Fjord ist klein, die Berge zu beiden Seiten niedrig, der Säulenbasalt zu meiner Rechten weint, Nieselregen in der Luft, windstill, aber nasskalt.
Ich zittere im Nachthemd, gehe wieder ins Haus und schließe die Tür.
Da sehe ich die blaue Kanne auf dem Küchentisch.
Sie badet sich im Morgenlicht. Das Fenster rahmt sie ein. Sie ist voll Milch.
Ich greife mit beiden Händen nach ihr, trinke in großen Zügen, bis ich Atem holen muss. Die weiße Flüssigkeit rinnt mit durch sämtliche Adern und Nerven, ich glaube Kraft zu schöpfen, schließe die Augen vor Glück . . .


Viele Kapitel beginnen mit einem Bild, eins schöner als das andere, so dass mir die Auswahl nicht leicht fiel.

Eine Witwe zieht mit sechs Kindern aus ländlicher Region in eine kleine Hafenstadt, im nördlichsten Fjord Islands. Die Kinder sollen die Möglichkeit eines Schulbesuchs haben - auch die Mädchen.
Es sind harte Zeiten um 1900. Die Frauen arbeiten wochenlang in der Fischfabrik, schuppen und salzen Heringe. Die Kinder erledigen die Hausarbeit. Die unberechenbare Natur erschwert das Leben zusätzlich. Trotz ständiger Geldnot und vieler Probleme dürfen die Kinder im Winter alle die Schule besuchen.
Die jüngste Tochter, Karitas, entdeckt früh ihr künstlerisches Talent und wird gefördert durch eine Malerin, der sie im Haushalt hilft. Diese ermöglicht ihr die Weiterbildung in Dänemark. Nach Island zurückgekehrt verliebt sie sich und steht vor einer schwierigen Entscheidung.

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Das Buch ist eher ein Frauenroman, der viel über Leben, Sitten und Gebräuche des damaligen Islands aussagt. Es beschreibt erschreckend die Armut und Umstände unter denen Karitas versucht ihrem künstlerischen Ruf zu folgen, und ist angerührt durch viele kleine Begebenheiten.
Der Zusammenhalt der Dorfgemeinschaften wird gut herausgearbeitet, aber auch die verschiedenen Konflikte, die eine zur damaligen Zeit zu emanzipierte Karitas vor und erst recht in ihrer Ehe durchlebt.

Wer Bilder mag, wird fasziniert sein von den vorangestellten einleitenden Bildbeschreibungen.

Die Eismalerin - Autorin: Kristin Marja Baldursdóttir
erschienen im Krüger-Verlag (ISBN-13-978-3-8105-0256-8)


(eingestellt am 2. Januar 2010)

Der Traum vom Leben

Eine afrikanische Odyssee


Fast fünf Jahre war John Ekow Ampan unterwegs von Ghana nach Europa!
Unterwegs mit Auto, Bussen, Lastwagen, Booten, zu Fuß! Er war im Gefängnis, wurde von den Fahrern der Laster, die sein Geld kassiert hatten, in der Sahara zurückgelassen. Er sah Leute sterben, neben denen er gestern noch auf dem Lastwagen gesessen hatte. Von Algerien wurde er ausgewiesen, versuchte es erneut – diesmal erfolgreich!
Er lebt und arbeitet in Spanien, schickt regelmäßig Geld nach Hause, damit seine Kinder die Schule besuchen können. Nach 14 Jahren kehrt er das erste Mal nach Hause zurück. Seine Kinder sind groß und kennen ihn kaum, seine Frau ist eine andere geworden, alleine auf sich gestellt mit drei Kindern.

Begleitet wird er von Klaus Brinkbäumer und Markus Matzel, dem Fotografen. Sie wollen mit ihm die Reise wiederholen – auf den Spuren von Tausenden von Westafrikanern, die in die Ungewissheit reisen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Die in Algerien aufgegriffen und zurück geschickt werden; die in Ceuta hinter großen Zäunen eingesperrt werden, wie Vieh; die in zu kleinen Booten versuchen nach Spanien oder Italien zu gelangen. Die zu Hause hohe Schulden machen, um die Reise zu finanzieren, nicht wissend, dass sie in Europa niemals so viel verdienen werden, um diese Schulden zurück zahlen zu können.

Dieses Buch ist ein Reisebericht, einer sehr beschwerlichen, hindernisreichen Reise. Gleichzeitig berichtet es über politische Hintergründe und die wirtschaftliche Lage der einzelnen Länder die durchquert werden müssen. Es erzählt Einzelschicksale und gibt Interviews wieder, von Leuten die auf der Strecke bleiben oder es geschafft haben das ‚Paradies’ Europa zu erreichen. Es ist unglaublich spannend geschrieben und vermittelt ganz nebenbei viel Hintergrundwissen zu der Situation in Afrika.

Sehr schwer wurde die Auswahl des Auszugs, eine ganz Reihe von Seiten-Nummern hatte ich notiert, alles außergewöhnliche und berichtenswerte Begebenheiten. Entschieden habe ich mich dann für eine Aussage des Autors selber und einen Auszug aus einem der Einzelschicksale mit Interview:

„Bevor ein Weißer nach Afrika kommt, nimmt er nicht ständig wahr, dass er weiß ist; es ist selbstverständlich, er lebt in einer Welt der Weißen, er kennt keine andere Welt, und darum ist Hautfarbe selten ein Thema für ihn.
In Afrika vergisst du die Farbe der eigenen Haut nie. Sie hebt dich heraus, sie fällt auf, sie schützt dich manchmal, und manchmal gefährdet sie dich. Wenn wir durch die Straßen von Lagos gehen, blicken uns alle an, buchstäblich: alle. Es gibt hier Straßen, in denen vermutlich seit Jahren keine Weißen waren, Mütter zeigen auf uns und rufen ihren Kindern zu: „Guckt mal, das sind Weiße!“ Aha, so sehen also Weiße aus.
Als Reporter möchte man auf einer Reise wie dieser eintauchen in die Welt, über die man schreiben will, man möchte die Gesprächspartner übersehen lassen, dass man Reporter ist, weil man ihr Leben sehen und erleben will, ohne Künstliches, ohne Veränderung, aber in Afrika findet dieses Bestreben immer ein frühes Ende: Sie sind schwarz, wir sind weiß, das ist die Basis jedes Gesprächs, und das wissen alle.“

Ich habe nette Deutsche getroffen und furchtbare. Polizisten schrien mich an und bliesen mir Rauch ins Gesicht. Ein Taxifahrer, den ich nach dem Weg fragte, sagte, es sei ganz nah, er würde mich hinfahren, und dann fuhr er in Kreisen durch die Gegend, und am Ende wollte er 40 Euro.
Ein alter Mann der mich aus 20 Metern Entfernung sah, schrie: »Nein, nein, nein« und rannte weg.
Manchmal denke ich, ihr Europäer seid so brutal und so dumm. Unser Problem ist euer Problem und ein Problem aller, es ist ein Problem der Menschheit. Aber ihr Europäer wollt eure schöne Welt genießen und euch um nichts kümmern; das geht bloß nicht mehr, weil anderswo Arbeit zu billig geworden ist, und weil es zu viel Armut gibt. Die Welt ist außer Rand und Band, und ihr Europäer wollt Zeit gewinnen, so lange wie möglich euer Leben so bewahren, wie es ist.
Deutschland? Nie wieder.
Lass die Deutschen doch ihr verdammtes, schönes Land ganz allein für sich haben
.“

Fischer-Verlag, 300 S., broschiert/gebunden lieferbar, ISBN-10: 3100051033/ISBN-13: 978-3100051035


(eingestellt am 31. Januar 2010)

Mit dem folgenden Buch schließt Melanchthon (Melanie) für diesen Winter ihre kleine Buchauswahl ab. Sie schreibt: "Jetzt kommt der Frühling und statt Buchbesprechungen am PC zu lesen, solltet Ihr alle einen schönen langen Spaziergang machen!"

Das geheime Leben der Bücher

Autor: Régis de Sá Moreira
Buchrücken:
„Ein zauberhaftes Buch mit einer so einfachen Botschaft: Lesen hilft und macht glücklich.“

Es ist die Geschichte eines Buchhändlers, der seine Buchhandlung so sehr liebt, dass er sie nie schließt und an seine Tür geschrieben hat -GEÖFFNET- und der die meiste Zeit seines Lebens mit Lesen verbringt.
Es werden entzückende und skurrile Begebenheiten in seiner Buchhandlung, mit seinen Kunden erzählt, aber eigentlich geht es um den Buchhändler selbst, ein liebenswertes Unikat.
Der Stil ist ungewöhnlich, witzig, poetisch – ein wirklich lesenswertes kleines Büchlein, das alle Buchliebhaber begeistern wird.

Hier ein kleiner Auszug, der zweite Teil einer Geschichte über einen etwas vulgären und simplen Mann, der in der Buchhandlung erscheint und nach den drei Büchern fragt, die man auf eine einsame Insel mitnehmen sollte:

Der Buchhändler ließ ihn ziehen, ohne diesem Vorfall zu viel Beachtung zu schenken, doch während er sich einen Brennnesseltee zubereitete, begann er, sich selbst zu fragen.
Welche drei Bücher sollte man auf eine einsame Insel mitnehmen?
Welche waren die drei Bücher, die er selbst, der Buchhändler, auf einsame Insel mitnehmen würde? Eine quälende Frage für den Buchhändler.
Seine Gedanken drehten sich im Kreis, während er selber die Wendeltreppe hinunterging, und als er unten war, begann er seine Bücher Revue passieren lassen.
»Drei Bücher« sagte sich der Buchhändler.
Er lief durch seine Gänge, hielt vor dem ersten Regal inne, nahm ein Buch heraus, ging weiter, nahm ein anderes heraus, fing an, die Stirn zu runzeln, ging weiter, nahm ein drittes heraus, sagte sich, dies sei eine erste Auswahl und er werde sie später erneut sortieren, ging weiter, nahm noch mehr Bücher aus den Regalen . . .
Eine halbe Stunde später stand der Buchhändler vor all den Büchern, die er mit dem Ziel gestapelt hatte, nur drei davon zu behalten und seufzte.
Er hatte noch nicht einmal eine erste Auswahl getroffen, da erreichte schon die Zahl der aus den Regalen genommenen Bücher die Anzahl jener, die in den Regalen verblieben waren.
Er nahm allen Mut zusammen und machte einen neuerlichen Versuch.
»Drei Bücher« grübelte der Buchhändler vor sich hin, »drei Bücher ... Warum nicht zwei? Oder vier? Oder null? … Oder tausend? … Ausgerechnet drei Bücher …«
Drei einfach so. Und niemand wusste, weshalb.
Der Buchhändler fing an, die erste Person zu verfluchen, die diese Idee gehabt hatte.
Die erste, die diese Frage gestellt hatte. Und wem? Und warum?
Weil all diese Sätze, all diese Ideen schließlich irgendwoher kommen mussten. Sie stammten zwangläufig von einem speziellen Fall. Hätte sich der Buchhändler in diesem Augenblick den Leichtfertigen, der das Problem mit den drei Büchern in die Welt gesetzt hatte, in seiner Buchhandlung vorknöpfen können, hätte er ihm seine Ansicht darüber klar gemacht. Und vor allem hätte er ihn nach der Antwort gefragt. Er hätte sich vor dem Mann oder der Frau auf die Knie geworfen und ihn oder sie angefleht, ihm die Titel der drei Bücher zu nennen.
Jetzt nahm es der Buchhändler dem groben Kunden übel, dass er ihn auf diese Idee gebracht hatte. Konnte er denn seine drei Bücher nicht selbst wählen? Immerhin war das etwas sehr Persönliches.
Der Buchhändler verdächtigte den groben Kunden nunmehr, in der gleichen Klemme gesteckt zu haben wie er und sich deshalb an ihn gewandt zu haben. Der Buchhändler war immerhin Buchhändler, und es war normal, sich wegen einer Buchauswahl an ihn zu wenden.
Aber was für eine Wahl …
»Drei Bücher«, wiederholte der Buchhändler für sich. Nicht zwei, nicht vier, nicht null, nicht tausend.
Der Buchhändler hörte nicht auf, an die drei Bücher, an die drei »verdammten Bücher« zu denken.
Und er dachte so intensiv daran, dass er schließlich glaubte, er müsse sich selbst zu einer einsamen Insel aufmachen.
Doch die Auswahl wurde dadurch nur noch schrecklicher.
Als hielte er sein eigenes Leben in seinen Händen. Der Buchhändler schrie.
Ein Kunde schreckte hoch und schrie ebenfalls. »Entschuldigung«, sagte der Buchhändler.
Der Kunde blicke ihn erstaunt an und zog es vor zu gehen. Der Buchhändler beruhigte sich.
Er erinnerte sich daran, dass er auf keine einsame Insel reisen, keine drei Bücher auswählen und sich erst recht nicht alle Probleme der anderen zu eigen machen musste.
»Außerdem«, sagte sich der Buchhändler, indem er ein letztes Mal an den schimpfenden Kunden dachte, würde er sicher eine Buchhandlung auf der Insel finden.
Der Buchhändler setzte sich schließlich auf einen der Bücherstapel und griff auf gut Glück nach einem Buch von einem anderen Stapel.
Er begann zu lesen, begann zu lächeln, und die drei Bücher verschwanden wie drei Schatten aus dem Geist des Buchhändlers.
Er vergaß sie völlig und versank in seiner Lektüre.


Verlag Droemer/Knaur, gebunden/broschiert, 170 Seiten
ISBN-10: 3426197111 - ISBN-13: 978-3426197110


(eingestellt am 28.2.2010)

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