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Führung in der Alten Synagoge in Weisenau


Im Herbst und Winter wollen wir uns den verschiedenen Glaubensgemeinschaften in Mainz und Umgebung widmen und ihre Gebetsstätten kennenlernen. Nach dem Besuch der Christuskirche im Oktober führt uns unser Weg im November in den Mainzer Vorort Weisenau. Gut versteckt hinter einem Holztor befindet sich ein kleines Gotteshaus, die Weisenauer Synagoge.

280 Jahre ist sie alt, mit einer reichen Geschichte. Diese wollen wir uns am Nachmittag des 7. Novembers erzählen lassen.
Reinhard Frenzel, langjähriges Mitglied im Vorstand des Fördervereins der Alten Synagoge und früherer Gymnasiallehrer, empfängt unsere 25 Mitglieder am Tor in der Wormser Straße.

Eine steinerne Treppe führt uns hinauf zum Gebäude, das von außen eher an ein barockes Kirchlein erinnert.

Es hat die Belagerung von Mainz und zwei Weltkriege überstanden. Nach der Pogromnacht am 9. November 1938 war das kleine Gebäude Hühnerstall, Lager und Schuppen. Durch die Recherchen zur Ausstellung „Juden in Mainz“ im Jahr 1978/79 wurde die Synagoge wiederentdeckt, 1984 unter Denkmalschutz gestellt, liebevoll restauriert und 1996 wieder eingeweiht.

Es gibt kaum eine andere Stadt in Deutschland, deren jüdische Geschichte über 1000 Jahre lang zurückverfolgt werden kann. Im Mittelalter war Magenza ein kulturelles Zentrum des Judentums. Und doch waren die Juden auch in Mainz immer wieder der Verfolgung ausgesetzt. Am 27.5.1096 wurde im 1. Kreuzzug die jüdische Bevölkerung fast vollständig ausgelöscht und das gesamte jüdische Viertel im Bereich der heutigen Flachsmarktstraße ein Raub der Flammen.

Über die jüdische Geschichte in Mainz hatte ich schon nach unserer eindrucksvollen Führung in der Neuen Synagoge in der Hindenburgstraße berichtet.
Hier kannst Du den Bericht noch einmal lesen

Nicht nur in Mainz, sondern auch in den Vororten Hechtsheim, Ebersheim und Weisenau hatten sich Juden angesiedelt. In Weisenau datiert der älteste Nachweis aus dem Jahr 1444. Zu dieser Zeit gab es drei jüdische Gemeinden in Weisenau. Ein Teil der Bevölkerung gehörte zur Grafschaft Isenburg-Büdingen, ein Teil zum St. Viktorstift und der dritte Teil zum Kurfürsten in Mainz. Alle drei Ortsherren siedelten in Weisenau Juden an. Als 1784 die Herrschaft über den gesamten Ort an Kurmainz gefallen war, gab es nur noch eine jüdische Gemeinde mit rund 250 Juden, was einen Anteil von 22 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte.
Mehr kannst Du hier lesen

1736/37 wurde auf den Grundmauern eines früheren Gebäudes die kleine Synagoge im Stil des Spätbarock gebaut. Da die jüdische Bevölkerung in Weisenau nicht aus reichen Bürgern bestand, gewährte der Mainzer Domherr Franz Freiherr von Ingelheim ein Darlehen zum Kauf des Grundstücks und Bau der Synagoge einen Kredit.

Bei der Belagerung von Mainz im Jahr 1793 wurde das Gebäude stark beschädigt. Aber erst im Jahr 1818 konnte sie neu eingeweiht werden. Zu dem Zeitpunkt hatte die Jüdische Gemeinde noch 120 Mitglieder. 1925 bestand die Gemeinde nur noch aus 30 Mitglieder.

Bis in die 1930er Jahre blieb die kleine Synagoge als Gotteshaus erhalten, bevor sie in der Reichspogramnacht am 9. November 1938 geschändet und entweiht wurde. Es wurde auch ein Feuer gelegt, das aber wieder gelöscht wurde. Hitlers Schergen hatten Angst, dass der Brand auf die benachbarten Häuser in der engen Bebauung übergreifen würde.

Noch im Juli 1938 fand die letzte Trauung statt. Hilde Minkel aus Weisenau heiratete Alfred Seligmann. Die Trauung wurde durch Rabbiner Dr. Sali Levi vollzogen. Dem Ehepaar gelang im Oktober 1938 die Emigration nach Argentinien. Sie kehrten 1958 nach Deutschland zurück.

1939 mußte die jüdische Gemeinde die Synagoge unter dem Druck der Nazi-Diktatur verkaufen. Im 2. Weltkrieg wurde sie als Hühnerstall genutzt und nach dem Krieg als Holzlager und Schuppen. Dadurch blieb sie jedoch als Gebäude erhalten. Bei der Vorbereitung zur Ausstellung „Juden in Mainz“ 1978 erinnerte man sich an sie. Die Stadt Mainz sanierte Dach und Mauern. Eine weitere Restaurierung scheiterte an den finanziellen Mitteln. Das jüdische Gotteshaus wird 1984 unter Denkmalschutz gestellt, als das „seltene Beispiel eines jüdischen Kultbaus aus dem 18. Jahrhundert“.

1993 wurde ein Förderverein gegründet. Große Verdienste erwarb sich Dr. Heinrich Schreiner, ehemaliger Präsident der Landeszentralbank in Rheinland-Pfalz. Er wurde zum Vorsitzenden des Fördervereins gewählt.


Leider funktioniert der Link zum Förderverein mit seiner interessanten Homepage nicht. Sie kann aber über den Link zu Wikipedia am Anfang des Berichts aufgerufen werden oder gib' diesen Befehl oben in die Leiste ein:
www.förderverein-synagoge-mainz-weisenau.de

Am 27. Mai 1996, dem 900. Jahrestag der fast vollständig ausgelöschten Judengemeinde im 1. Kreuzzug, wird die Weisenauer Synagoge von dem in Mainz geborenen Rabbiner, Prof. Dr. Leo Trepp, wieder eingeweiht. Mit dabei - in der ersten Reihe - wie uns Reinhard Frenzel auf dem Bild zeigt, ist Hilde Seligmann, die 1938 kurz vor der Zerstörung, in der Synagoge geheiratet hat.

Seitdem dient die Alte Synagoge kulturellen Veranstaltungen wie Konzerte, Ausstellungen und Lesungen der Begegnung von Juden und Nichtjuden.


Wir betreten den Innenraum durch das Portal, auf dem in hebräisch zu lesen ist: „Der Ort, auf dem du stehst, ist heiliger Boden".

Das hölzerne Tonnengewölbe ist mit Sternchen verziert, auf der Westseite befindet sich die Frauenempore. Nach jüdischem Verständnis ist der Raum zwar malerisch restauriert, aber es gibt keine Menschendarstellung, keine Bilder. Einziger Schmuck sind die hebräischen Texte. Eine der Wandinschriften lautet: "Gesegnet bist du bei deinem Kommen und gesegnet bei deinem Gehen"

Alte Synagoge_fidelis45
Alte Synagoge_fidelis45
Alte Synagoge_fidelis45
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Die erhöhte Bima (Platz, von dem aus die Tora während des Gottesdienstes verlesen wird), steht im Mittelpunkt des Raumes, der Toraschrein befindet sich an der Ostseite. Rechts davon hängt das ewige Licht (hebräisch ner tamid).

Ruth Eis-Levi, die Tochter des letzten Mainzer Vorkriegsrabbiners Dr. Sali Levi, schenkte der jüdischen Gemeinde die siebenarmigen Leuchter, die Menora.

Hinter dem roten Vorhang befindet sich die Tora (hebräische Bibel). Mindestens eine Tora ist für eine Synagoge erforderlich. Reinhard Frenzel berichtet, dass die frühere orthodoxe Synagoge in der Flachsmarktstraße, in der Leo Trepp Rabbiner war, 27 Torarollen besass.

Hinter dem Toraschrein schmückt ein Teppich die Wand, gestiftet von der alten jüdischen Weisenauer Musikerfamilie Ganz - erkennbar an den Motiven, die eine Gans darstellt.


Nachdem die jüdische Gemeinde der Synagoge bereits eine Torarolle geschenkt hatte, kam 2003 eine zweite hinzu. Auf einer Fotografie können wir sehen, dass Kardinal Karl Lehmann sie in einer Zeremonie an Leo Trepp überreicht. Die Torarolle war in der Pogromnacht auf den Stufen des Priesterseminars gefunden und seither dort aufbewahrt worden.

Die Bima, der Toraschrein, das Portal und die Frauenempore folgen dem historischen Vorbild.

Lediglich bei der Gestaltung der Fenster wurden bei der Restaurierung neue Wege beschritten. Der Künstler, Prof. Johannes Schreiter, der die Glasfenster schuf, wollte mit ihnen die Zerstörung im Laufe der Geschichte und die Leiden der Juden zum Ausdruck bringen. Darauf deuten auch Ps. 74 (Klage über das verwüstete Heiligtum) und Ps. 79 (Klage über die Zerstörung Jerusalems) hin.

Auf der Frauenempore beinhaltet der Text des Ps.126 Zukunftsvisionen.

An der Westseite des Gebäudes, so Reinhard Frenzel, befand sich eine Luke. Versteckt unter Holzdielen fand sich die alte Tora, Torawimpel, sog. Mappa, und andere Fundstücke.

Zum Schluß der Führung zeigt uns Reinhard Frenzel noch die seit 2015 wieder zugänglichen beiden Mikwen (rituelles Bad). Sie wurden bei den Restaurierungsarbeiten wieder entdeckt.

Das Tor, das von Mainzer Kunstschmieden geschaffen wurde, symbolisiert in den Wellen die Funktion des Gebäudes.

Neben dem Sandsteinbecken stieß der Mainzer Archäologe Dr. Rupprecht auf eine weitere Mikwe, die etwa 6m tief liegt. 21 Stufen führen in die Tiefe zum Tauchbecken. Dieses Bad ist wohl genauso alt wie die Synagoge, während das zuerst gefundene Becken aus der Mitte des 19. Jhs. stammt. „Offenbar wurde die alte Mikwe wegen Wasserverschmutzung aufgegeben und zugeschüttet“, erklärt uns Reinhard Frenzel „und ein neues, kleines Tauchbecken gebaut“.

Fast zwei Stunden hat die Führung gedauert. Wir bedanken uns bei Reinhard Frenzel für den informativen Nachmittag, an dem wir so viel erfahren haben. Nicht nur über die kleine alte Synagoge in Weisenau, die die Jahrhunderte überdauert hat, sondern auch über das jüdische Leben in Weisenau.

Nur wenige Schritte sind es bis in das gemütliche Lokal „Bauernschänke“, wo wir den Abend ausklingen lassen.

An diesem Nachmittag waren Dieter/fidelis45, Sieglinde/Musikmaus und Günter/Moritz22 die Fotografen. Herzlichen Dank hierfür.
Die Bilder sind im Bericht
und auch hier zu sehen

(eingestellt am 10.11.17)

Autor: Feierabend-Mitglied

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