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Wiesbaden

Die folgenden Zeilen sind gedacht für Leute, die unabhängig von unserer Fahrt einmal auf eigene Initiative Wiesbaden etwas intensiver erfahren wollen.

Der Ausdruck "nassauern gehen", also schnorren, hat den Hintergrund, dass die damaligen Fürsten zu Nassau zwar Studenten hatten, aber keine Universität. Also richtete man in Göttingen einen Mittagstisch für die dort studierenden Untertanen ein - kostenlos. Wenn nun fremde Studenten kostenfrei essen wollten, dann mischten sie sich unter die Landeskinder, sie gingen nassauern. Nun einiges zu Wiesbaden selbst: Sie ist eine Stadt mit drei Gesichtern:

Zum ersten ist, wie sicher bekannt, Wiesbaden die Landeshauptstadt Hessens. Es befinden sich hier alle hessischen Ministerien, sowie die hessische Staatskanzlei (mit dem derzeitigen Ministerpräsidenten Boris Rhein). In Wiesbaden sind zwei große Bundesbehörden etabliert. Erstens das Bundeskriminalamt, dann das Statistische Bundesamt (Volksmund: Buddhistisches Standesamt, klingt als Wortdreher ganz gut.) Dazu kommen noch Niederlassungen von Banken und Versicherungen.
Von daher könnte man sagen: Wiesbaden ist eine Angestellten- und Beamtenstadt.

Zum zweiten ist Wiesbaden eine Kongressstadt mit zwei Gesichtern.

Einmal das Rhein-Main-Congress-Center für Messen und andere Veranstaltungen.
Das zweite große Kongresszentrum ist das Kurhaus. Nachdem es in den 80er Jahren renoviert und restauriert wurde, hat man den großen Konzertsaal, den Friedrich-von-Thiersch-Saal mit modernster Technik, die man heute für ein gut funktionierendes Kongresshaus benötigt, ausgestattet. Beide Kongress-Zentren, das RMCC sowie das Kurhaus sind an über 300 Tagen ausgebucht, ganz zu schweigen von anderen sportlichen sowie kulturellen Veranstaltungen. Die Stadt Wiesbaden, (Hotels, Gastronomie, Einzelhandel) profitiert natürlich von den vielen Besuchern, sodass Wiesbaden nicht gerade eine „arme" Stadt ist. Die durchschnittliche Kaufkraft liegt ca. 20 % über dem Durchschnitt.

Das dritte Gesicht Wiesbadens ist der Gesundheitsstandort, der Grund weshalb unsere Kurgäste hier sind. Warum kommt und kam man nach Wiesbaden, um zu kuren? Man kam seit alten Zeiten wegen unserer heißen Quellen, die hier aus dem Boden sprudeln. Insgesamt sind es 26 Quellen. Mit einer Temperatur zwischen 45 und 67 Grad kommen sie aus einer Tiefe von 2000 Metern. Es sind Natrium-Chlorid-Thermen, also kochsalzhaltiges Wasser. Zusammen mit anderen Mineralien wie Calcium, Kalium, Eisen, Mangan dienen die Quellen besonders zur Behandlung der Atmungsorgane, Nervenleiden sowie des Bewegungsapparates (orthopädische und rheumatische Leiden). Nicht umsonst ist Wiesbaden eines der führenden Rheumazentren Deutschlands. Im Gegensatz zu früheren Zeiten spricht man heute natürlich hauptsächlich von der sogenannten „klinifizierten Kur", die über die Krankenkasse bezahlt wird.

Wiesbaden hat auch eine lange Geschichte: Auf dem Portikus des Kurhauses steht die lateinische Inschrift "Aquis Mattiacis", was übersetzt heißt "den Wassern der Mattiaker". Die Mattiaker waren ein Stamm der germanischen Chatten, die in Wiesbaden siedelten als die Römer die warmen Quellen dieses Ortes entdeckten. Nach Wiesbaden kamen die Römer gerne, um in den heißen Quellen zu baden. Schon Plinius berichtet, dass ihr Wasser 3 Tage warm bleibe. Sie erbauten hier ein Kastell (bewiesen durch Funde) und bescherten Wiesbaden, das sie ja Mattiacum nannten, eine erste Blütezeit. Sie siedelten hier - mit Unterbrechungen - vom 1. - 5. Jahrhundert.

Im 9. Jahrhundert schrieb Einhard, der Geschichtsschreiber und Biograf von Karl dem Großen, über Wiesbaden als "Bad in der Wies". Daraus entstand später "Wisibada" und letztlich Wiesbaden.

Vom 12. Jahrhundert an war Wiesbaden im Besitz der nassauischen Fürsten und Grafen. Aus der nassauischen Linie geht auch der einzige deutsche König hervor: König Adolf. 1806 schließen sich die Nassauer dem Rheinbund an und werden dadurch in den Stand der Herzöge erhoben. Der Fürst bekam den Rat, von Napoleon den Titel eines Großherzogs zu verlangen, dann würde er wahrscheinlich Herzog und das klappte ja, wie man weiß. Er steht auf der Seite Frankreichs und die nassauischen Männer müssen mit in die napoleonischen Kriege ziehen. Die meisten sind dann auch in Spanien und auch besonders viele in Russland gefallen.


Diese politische Allianz wird den Herzögen von Nassau auch 1866 zum Verhängnis. 1866 (ein entscheidendes Jahr) wird Nassau preußisch. Nassau hatte im Bund mit Österreich (Rheinbund) gegen Preußen gestanden, das aus dem Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland als Sieger hervorgegangen war. Herzog Adolf musste abdanken. Mit den Preußen kamen die Hohenzollernkaiser, Wilhelm 1., der 99 Tage-Kaiser Friedrich III. und danach Wilhelm II. Wiesbaden war auch in der nassauischen Zeit (bis 1866) ein bekannter Badeort. Goethe kam z.B. schon 1814/1815 zur Kur nach Wiesbaden.

In der "wilhelminischen" Zeit erblühte Wiesbaden nun zur Weltkurstadt. Nicht nur der deutsche und europäische Adel kam nach Wiesbaden um zu kuren, sondern auch der russische Adel, ebenso Großfabrikanten, pensionierte Generäle und nicht selten Mitglieder von Fürsten- und Königshäusern. Man blieb 4 - 6 Monate zur Kur, und es gehörte zum Prestige, in einer eigenen Villa oder zumindest in einem Nobelhotel zu logieren. Deshalb verfügt Wiesbaden noch heute über 800 solitär stehende Villen aus dieser wilhelminischen Zeit.
Um die Jahrhundertwende gab es in Wiesbaden 250 Hotels, davon 65 Grandhotels, d.h. in der Wilhelmstrasse und in der Innenstadt reihte sich ein Hotel ans andere. Besonders Kaiser Wilhelm II. liebte Wiesbaden sehr. Dank seiner Unterstützung entstanden prunkvolle Bauten. Die wichtigsten sind das Theater und natürlich das neue Kurhaus. Bis zum Ersten Weltkrieg erlebte also Wiesbaden eine Glanzzeit als sommerlichen Treffpunkt des Kaisers und des Hofes. Die Stadt wurde ganz vom gesellschaftlichen Leben bestimmt, das seit 1896 bei den Maifestspielen zu Ehren Wilhelm II. im neuerbauten Staatstheater seinen Höhepunkt erreichte.

Als 1918 nach dem verlorenen Krieg die alte Gesellschaft unterging, war die große Zeit Wiesbadens vorbei. Wiesbaden war zwar eine reiche Stadt, aber die Geldeinnahmen waren nur einseitig, also nur Kurbetrieb, eine sog. Monostruktur, die sich in Krisenzeiten nicht bewährte. Es gab keine Industrie, und so sah man zu, dass die umliegenden Industrieorte, nämlich Biebrich und Schierstein, eingemeindet wurden. So liegt Wiesbaden seit 1926 am Rhein.

Wiesbaden wurde im 2. Weltkrieg vergleichsweise gering zerstört. Man spricht von etwa 28 % Gesamtbeschädigung. Da Wiesbaden Lazarettstadt war und Sitz der amerikanischen Luftwaffe werden sollte, fühlte man sich hier ziemlich sicher, aber am 4.Februar 1945 fielen dann doch Bomben. Warum ist unklar, aber ein Großteil der Bomben fiel, da an diesem Tag Nebel herrschte, in die Wälder ringsum. (Leider bekam das Haus meiner Großeltern doch einen Treffer. Eine Phosphorbrandbombe ließ es bis zum 3. Stock abbrennen um nach dem Löschversuch 2 Tage später dann doch noch bis auf die Grundmauern niederzubrennen.)

Zum Glück blieb Wiesbaden nach dem Krieg von Bodenspekulanten verschont, sodass es das architektonische und städtebauliche Erscheinungsbild aus der wilhelminischen Zeit bewahren konnte. Wiesbaden ist deshalb ein einzigartiges Stadtdenkmal des sog. Historismus, ein Architekturstil, der sich aus verschiedenen Baustilen der Vergangenheit (bis zur Antike) zusammensetzt.

In Biebrich kann man von der anderen Rheinseite das Biebricher Schloss sehen, in dem im 19. Jahrhundert die nassauischen Fürsten und später Herzöge residierten. Das Schloss wurde nicht an einem Stück gebaut. 1700 - 1709 baute man zuerst den östlichen und westlichen Pavillon für Fürst von Nassau-Idstein und seine Gemahlin. Ohne das Mittelteil war so ein Schloss für ein Ehepaar nicht gerade ideal, und so baute man noch den runden Mittelbau und seine Verbindungsgalerien (1707 -1721). Die Seitenflügel zum Park hin kamen dann 1734 bis 1744 hinzu. Es wurde also sehr lange bis zur Vollendung dieses Schlosses gebaut.

Goethe war 1815 in Schloss Biebrich zu Gast. Auch Napoleon war hier zu Besuch, ebenso Richard Wagner. Herzog Adolf, der nach dem Tod seiner jungen Frau Adelheid von Sachsen Dessau heiratete und dann noch 6 Kinder mit ihr hatte, bewohnte das Schloss bis zur Annexion Nassaus durch die Preußen. König Wilhelm von Preußen bot dem Herzog zwar an, das Schloss weiterhin als Privatbesitz zu bewohnen, aber er zog es vor, nach Wien zu gehen. 1890 wurde er dann noch Großherzog von Luxemburg bis zu seinem Tode im Jahre 1905. Sein Urenkel ist der heutige Regent Luxemburgs. Herzog Adolf war begeisterter Botaniker, und so verkaufte er, da er doch von Biebrich weg ging, seine berühmte Pflanzensammlung für 60 000 Gulden nach Frankfurt. Sie bildete den Grundstock für den Palmengarten in Frankfurt.

Nach dem letzten Krieg war das Schloss in einem sehr schlechten Zustand, man nannte es auch "Rattenburg.

Heute werden die Rotunde und die Galerien vom Ministerpräsidenten Hessens als Repräsentationsräume genutzt. Im Ostflügel ist die Filmbewertungsstelle untergebracht und auf der Westseite das Landesamt für Denkmalspflege. Am Rhein das Haus mit den grünen Fensterläden ist die Villa Annika, die Richard- Wagner-Villa. Er hat 1862 hier die Ouvertüre der "Meistersinger von Nürnberg" komponiert. Er war oft bei Herzog Adolf im Biebricher Schloss zu Gast. Stets in Geldnöten, konnte er diesen nicht als Mäzen für seine Kunst gewinnen. Er hatte dann mehr Glück bei dem bayrischen König Ludwig, der ihm dann auch Bayreuth baute.

Hinter dem Schloss wurde später noch ein großzügiger Park angelegt (1811 von Ludwig v. Sckell) Hier finden auch die jährlichen Internationalen Pfingstreitturniere statt, die von Dyckerhoff (Zementfabrik) ins Leben gerufen wurden.

Vom Schloss aus kann man über den Rhein Mainz auf der anderen Rheinseite sehen, nur 12 km entfernt und in den Köpfen manchmal doch so weit. Man frotzelt sich, macht Witze über die andere Seite, manchmal nette, manchmal böse. Wenn auch Mainz an Wiesbaden oft kein gutes Haar lässt, so gesteht man uns immerhin zu, dass wir (wir?) die netteren Nachbarn hätten. Nun ja !


Der Bahnhof, zu Kaisers Zeiten 1905 gebaut, im Stil des Neubarock mit Jugendstilmotiven. Kaiser Wilhelm II. kam jedes Jahr im Mai nach Wiesbaden, und sein repräsentatives Aussehen wurde ausdrücklich so gewünscht. Leider wird der Kopfbahnhof dadurch nicht an die ICE-Strecke angeschlossen.

In der Bahnhofstraße lohnt sich ein Blick nach links und rechts auf die Häuser, prächtige alte Häuser und Bausünden vereint. Rechts der Wilhelmstraße die Südseite des Kurparks mit dem Warmen Damm und links elegante Geschäfte.

Hinter den Gebäuden der Marktplatz mit dem Rathaus. Durch die Häuser kann man auch die Marktkirche erkennen. Sie wird auch Nassauer Dom genannt, ist 66 m hoch und hat nach dem Hamburger Michel die zweitgrößte Orgel Deutschlands. Das Standbild auf dem Marktplatz vor dem Stadtschloss stellt Wilhelm von Oranien dar, genannt "der Schweiger" und Befreier der Niederlande 1648 vom spanischen Joch. Wiesbadener Volksmund: Warum heißt er der Schweiger? Na, weil er ein Schloss vor dem Maul hat.

Rechts die Südansicht des Hessischen Staatstheaters. Die Hauptschauseite geht zum Park hin, hat aber da keinen Eingang für das gewöhnliche Volk, der Kaiser wollte vom Haupteingang sofort in seine Loge kommen. Normale Sterbliche hatten deswegen keinen Eingang. Davor das Schillerdenkmal (1905). Kaiser Wilhelm II., der gern das Theater besuchte, hatte einen eigenen Zugang für seine Kutsche hier von der Wilhelmstrasse aus. Er fuhr hier hinein und gelangte dann auf direktem Wege in seine Privatloge. Auf ihn gehen die Wiesbadener Maifestspiele zurück, da er bis 1914 jedes Jahr im Mai Wiesbaden für eine längere Zeit besuchte. Vor dem Kurhaus das Bowling Green mit seinen Brunnen. In diesem Jahr gab es dort eine Kunsteisbahn, die größte transportable Kunsteisbahn Deutschlands und war ein Publikumsmagnet, es kamen sogar Besucher aus dem Ausland, insgesamt ca. 240.000 Besucher.

Ein paar Fakten zum Kurhaus: Das Foyer, das im Stil römischer Thermenarchitektur angelegt ist wird gekrönt von einer 21 Meter hohen Kuppel, ausgeschmückt mit einem Reigen jugendlicher Idealgestalten. Die vier Mosaikmedaillons zeigen Götter der alten Römer, die Gottheiten Venus, Apoll, die Jagdgöttin Diana und den Meeresgott Neptun. Die Marmorstatuen hier in der Mitte stellen Athena, Aesculap, Eirene mit dem Plutosknaben und Apollon dar. Das lichtdurchflutete Glas zeigt einmal das Stadtwappen, die drei Lilien auf blauem Grund und auf der anderen Seite den Reichsadler.

Friedrich von Thiersch hat dieses Kurhaus im Auftrag des Kaisers gebaut. Es waren eigentlich nur 3 Millionen Goldmark geplant, aber am Ende wurden 6 Millionen verbaut. (Kommt uns irgendwie vertraut vor, aber das Kurhaus ist ja zumindest fertiggestellt worden) Man kann aber auch sehen, dass an nichts gespart wurde. Bei der Einweihung 1907 war Kaiser Wilhelm II. entzückt und überwältigt und fand es das schönste Kurhaus der Welt. Eigentlich gab es ja schon ein Kurhaus, das 1810 erbaut wurde, dem Kaiser aber zu klein erschien.

Als „Verbeugung vor dem Lehrer" wurden die 28 Säulen des alten Kurhauses in den kleinen Konzertsaal integriert, der dann nach seinem Erbauer Christian-Zais-Saal genannt wurde. Es gibt mehrere Säle, die für kleine und große Veranstaltungen, Seminare, Kongressen, usw. genutzt werden, jeweils benannt nach einem berühmten Wiesbadener.

Der große Konzertsaal mit 1400 Plätzen wurde zu Ehren des Architekten des Kurhauses Friedrich-von-Thiersch-Saal genannt. Dieser Saal ist das Prunkstück des Hauses. Da die Innenausstattung durch die Bomben zerstört war, wurde der Saal originalgetreu wiederhergestellt, aber mit modernster Technik und hervorragender Akustik. Es finden hier nicht nur Konzerte, Theater und Kongresse darin statt, sondern auch große Bälle. Vom Foyer aus kann man direkt in den Kurpark gelangen und dann im 3 km langen Park spazieren gehen. Neben dem Restaurant im Kurhaus gibt es auch noch ein Gartenlokal draußen. Außerdem die Konzertmuschel für Konzerte im Sommer mit einer Tanzfläche davor, wo man häufig am Wochenende nachmittags tanzen kann.

Links der Eingang zum Casino, zur Spielbank. Die Spielbank ist täglich (außer Heiligabend und Karfreitag, an diesen beiden Tagen kann man nicht pleite gehen) 12 Stunden geöffnet, nämlich von 15 Uhr bis 3 Uhr nachts. Hier befindet sich das große Spiel, es wird Roulette und Black Jack gespielt. Das kleine Spiel (Automaten, usw.) befindet sich draußen in der verglasten Säulenhalle. Hier in der Spielbank gibt es eine Kleidervorschrift (Krawatte für die Herren), und mit einem Mindesteinsatz von 5 Euro ist man dabei. Die Räume der Spielbank sind sehr edel ausgestattet.

Durch die östliche Nerotalstraße geht es Richtung Nerobergbahn, die seit 1888 ohne einen Unfall in Betrieb ist. Von weitem sieht man schon das Viadukt, auf dem sie über das Nerotal zum Neroberg fährt. Sie ist eine wasserbetriebene Bahn, das heißt, die zwei Wagen hängen an einem Seil, einer oben, einer unten. In der Mitte ist ein zweigleisiges Stück Schiene, an dem sich die beiden Waggons begegnen, Länge insgesamt 440 Meter. In den oberen Wagen wird je nach Auslastung des unteren Wagens zwischen 3,5 und 7 Tonnen Wasser gefüllt, damit er den anderen durch seine Schwerkraft hochzieht. Das unten abgelassene Wasser wird dann wieder für eine neue Fahrt hochgepumpt, früher mit Dampfmaschine (da wurde sich über den Rauch beschwert), heute elektrisch.

Weiter geht es durch die westliche Nerotalstraße, die von der anderen, der „vornehmen“ Straße auf der ganzen Länge durch einen Park auf Distanz gehalten wird. Die vornehme Seite war die Protzseite, die Westsonne bekam und teurer war. (Gleiches auf der Biebricher Allee. Auf dem Reitweg, natürlich auf der Westseite, der „richtigen“ Seite gab es noch nach dem Krieg einen Sandweg, der von einer schattenspendenden Platanenreihe gesäumt wurde, man ritt ja nicht gerne in der Sonne.)

Dann zur Russischen Kapelle, die fälschlicherweise auch Griechische Kapelle genannt wird. Das kommt daher, weil sie 1855 der Heiligen Elisabeth nach griechisch-orthodoxem Ritus geweiht wurde. Die Kirche mit den 5 goldenen Kuppeln (Symbol für Jesus Christus und die vier Evangelisten) und dem russischen Kreuz darauf ist von weither sichtbar und ebenfalls ein Wahrzeichen Wiesbadens.

Gebaut wurde sie als Grabkirche für die verstorbene 19-jährige Herzogin Elisabeth. Hintergrund ist eine traurige Lovestory: Der letzte Herzog von Nassau, Herzog Adolf heiratete 1844 in Petersburg die Nichte des Zaren Nikolaus 1., die 18-jährige Großfürstin Elisabeth Michailowna. 3 Wochen dauerte die Reise von Petersburg nach Wiesbaden, und das Paar wurde enthusiastisch vom Volk empfangen. Ein Jahr später verstarb die junge Frau bei der Geburt ihres Kindes. Auch das Töchterchen überlebte nicht. Der Zar wollte die beachtliche Mitgift (ca. 1 Mill. Rubel) nicht zurück und so beauftragte Herzog Adolf den Baumeister Philipp Hoffmann, eine Grabkirche zum Gedenken an seine Frau zu bauen. Philipp Hoffmann studierte 1 Jahr lang russische Sakralarchitektur, russischen Kathedralbau. Man kann sagen: diese Kirche ist eine Nachbildung der Erlöserkirche in Moskau (die nicht mehr existiert). 1855 wurde die Kirche eingeweiht und der Sarg der Verstorbenen mit einem Fackelzug überführt. Der Eingang vor uns (Südseite) wurde nur von der herzoglichen Familie benutzt, später auch beim Besuch des Zaren Nikolaus II. Der Seiteneingang war für die "Normalbürger" bestimmt. Deshalb kann man jetzt, vorausgesetzt, es ist kein Gottesdienst und man zahlt einen Obolus, durch diesen Eingang gehen und uns die Kirche von innen ansehen.

Der Sarkophag mit Elisabeth in schlummernder Pose wurde von Prof. Hopfgarten geschaffen, einem nassauischen Bildhauer. Vorbild war das Grabmal der Königin Luise in Berlin. Auf seinem Sockel stehen die zwölf Apostel, die Figuren in den Ecken stellen weibliche Figuren dar, nämlich Glaube, Liebe, Hoffnung und Unsterblichkeit. Der Sarkophag ist nur als Symbol zu sehen, der eigentliche Sarg befindet sich unten in der Krypta. Dort hält auch die russisch-orthodoxe Gemeinde im Winter ihren Gottesdienst. Wertvoller Marmor verkleidet den gesamten Innenraum der Kirche. Der Sarkophag ist aus carrarischem Marmor, ebenso die lkonenwand. Wir sehen hier noch braun-roten Marmor aus Deutschland, grauen Marmor aus Schweden, elfenbeinfarbigen aus Rhodos und schwarz-weiß geädertem aus Ägypten.

Nach orthodoxer kirchlicher Traditionen sind Gotteshäuser gen Osten ausgerichtet. Der Blick wird also gleich beim Betreten der Kirche auf die Ikonostase, die lkonenwand gerichtet. Dahinter verbirgt sich der Altarraum. Während des Gottesdienstes hat die Gemeinde zu stehen. Der Pope tritt nur zu bestimmten Augenblicken vor die vergoldete Königspforte.

Mit König ist der König der Könige, also Jesus Christus gemeint. Die Darstellung der Verkündigung sehen wir links, einmal der Erzengel Gabriel, dann die Gottesmutter Maria. Rechts der Königspforte ist Jesus Christus mit der Weltenkugel zu sehen, daneben den Erzengel Michael, den Drachen besiegend. Weiter rechts die Schutzheilige der Kirche, die Heilige Elisabeth und dann der Heilige Nikolaus. Ganz links die Heilige Katharina und danach die HI. Helena, mit dem aufgefundenen Kreuz Christi. Über der Königspforte sehen wir die Darstellung des Heiligen Abendmahls. Ganz oben Darstellungen der Apostel. Links: Apostel Petrus, rechts: Apostel Paulus. Dazwischen die Evangelisten Johannes, Markus, Lukas und Matthäus.


An den Wänden Medaillons der Maler und Künstler, die an dem Bau mitgewirkt haben, wie Hopfgarten jr., der die oberen Malereien ausführte, der Maler Neff, der sämtliche Bilder der Ikonostase malte, an der Tür rechts und links der Baumeister Hoffmann und Prof. Hopfgarten, der den Sarkophag und sämtliche Köpfe geschaffen hat. Seht links die Glasvitrine. In ihr liegt ein Sarg mit dem Bild des Leinentuchs Christi. Am Karfreitag wird dieses Bild im Grablegungsgottesdienst in einer Prozession um die Kirche getragen und danach bis zum Osterfest in der Mitte der Kirche ausgelegt, zur Verehrung durch die Gläubigen. Eine Tradition, die ihren Ursprung in Konstantinopel hat, wo sich das echte Leintuch befand (944-1204), heute liegt es aber in Turin.

1896 besuchte Zar Nikolaus II. Wiesbaden. Er kaufte die Kirche mit umliegendem Wald aus seiner persönlichen Kasse, um dieses Kleinod der Orthodoxie in Deutschland zu bewahren. So gehört die Kirche heute der Russischen Orthodoxen Diözese des Orthodoxen Bischofs von Berlin.

Alle Ikonen wurden von dem russischen Maler Neff in Petersburg gemalt und dann zur Fertigstellung der Kirche eingepasst. Dieser Maler hat übrigens auch die erwähnte Erlöserkirche sowie die Isaak-Kathedrale ausgemalt. Sehen wir uns nun die Kuppel an. Die Fresken wurden von dem nassauischen Hofmaler Jakobi gemalt. Sie zeigen Darstellungen der vier Evangelisten und der Propheten, nicht zu vergessen die zwölf Engelgestalten.

In der Kuppelspitze seht ihr das Auge Gottes. Für orthodoxe lkonenmalerei ungewöhnlich, denn an dieser Stelle sollte eigentlich Christus, der Pantokrator (Weltenherrscher) dargestellt sein. Das Dreieck steht als Symbol für die Trinität: Vater, Sohn und Heiliger Geist, der Strahlenkranz dafür, dass Gott die ganze Welt überblickt.

Links der Russische Friedhof. Auf diesem Friedhof sind zahlreiche russische Persönlichkeiten begraben, so z.B. Onkel und Tante des Zaren Nikolaus II. aber auch viel baltendeutscher Adel, der am russischen Hof oft eine herausgehobene Stelle hatte oder auch der expressionistische Maler Alexej von Jawlensky, der bis 1941 in Wiesbaden gelebt hat. Auch der Übersetzer des Zaren, der baltendeutsche Baron von der Palen, er sprach 14 Sprachen perfekt, musste sich nach der russischen Revolution in Wiesbaden mühsam als Gerichtsübersetzer seinen Lebensunterhalt verdienen.

Von der Kapelle kann man auf den Neroberg in einem ca. 10 bis 15 minütigen Fußweg bergauf gelangen. Es gibt dort ein Schwimmbad, das Opelbad, bei dem man, wenn man den Kopf über den Beckenrand hebt, ganz Wiesbaden unter sich liegen sehen kann. Das Restaurant dort ist zu empfehlen, besonders im Sommer auf der Terrasse mit dem herrlichen Weitblick.

So, das war’s, habt Ihr jetzt irgendwelche Fehler gefunden, behaltet sie,
ich habe keine Verwendung mehr dafür.


Autor: Gerd / Topolieschen - Mai 2024

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