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Es sind giftig süße Honigbonbons

Giftig süße Honigbonsbons...

Feierabend-Mitglied Henriette Jorjan schreibt lyrische Gedankenkinder

Feierabend: Du hast einen Gedichtband veröffentlicht, der den ungewöhnlichen Titel „Giftig süße Honigbonbons“ trägt. Doch bevor wir uns deine Lyrik ansehen, möchten wir wissen, wer die Autorin Henriette Jorjan ist. Vielleicht fasst du für uns ganz kurz die wichtigsten Stationen in deinem Leben zusammen.

Henriette: Die Nordseeflut hat mich als Strandgut ans Ufer in Ostfriesland geschwemmt. Das war am 10. August 1951. Natürlich habe ich mir damals die besten Eltern ausgesucht. Wasser und flaches Land faszinieren mich, dort fühl ich mich wohl, kann tiefer atmen und in dem scheinbaren Nichts liegt für mich alles verborgen. Eigentlich wollte ich einen Beruf erlernen, der meinen Ideenreichtum jeden Tag aufs Neue herausfordert, doch es kam alles anders, eben giftig süß. Organisieren, übersetzen technischer Belange, Kunden im In- und Ausland „digital“ betreuen gehört heute zu meinen Büroalltag. Den Ausgleich verschaffe ich mir mit meiner Schreiberei - ich nenne das: Gedankenurlaub, den ich mir überall nehmen kann.

Feierabend: Seit wann schreibst du Gedichte? Die meisten Autoren, die in die Schriftstellerei einsteigen, versuchen sich eher an belletristischer Literatur, an Erzählungen, Biografien oder Romanen. Warum reizt Dich die knappe Form der Lyrik?

Henriette: Seit ca. 30 Jahren schreibe ich in unregelmäßigen Abständen, dafür liebe ich es, spielerisch mit Worten Sinn zu basteln. Meine zahlreichen Reisen in fremde Länder haben mein Gefühl für die Sprache, Sprachschattierungen, Ausdrucksformen und Sprechweisen immer mehr verfeinert. Weniger ist mehr, daher mein Faible für die knappe Form. Sie lässt viel Spielraum. Ich habe mich nicht etwa der Abkürzungsmanie angepaßt, mit meinen Gedichten möchte ich zeigen: das Wesentliche, Kleinigkeiten sind wichtig. Kurzgeschichten sind auch schon entstanden. Mit einer Geschichte zum Abschied unserer DM habe ich sogar zwei erste Preise gewonnen. An einem Wettbewerb für Kurzgeschichten habe ich auch teilgenommen. Mein Hauptgedanke ist zusagen das Plädoyer für die Erhaltung der Muttersprache, natürlich wieder giftig süß.

Feierabend: Zurück zu deinem ersten Buch. Wie hast du die Idee zu seinem recht exotischen Titel „Giftig süße Honigbonbons“ entwickelt?

Henriette: Ich arbeite gern mit Gegensätzen. „Giftig“ in gesunder Dosierung kann Medizin sein, gefolgt vom „süßen“ Erfolg für Körper, Geist und Seele. „Honigbonbons“ das ist synonym für das ewig neugierige Kind in uns, das sich freut, etwas zu finden, auszupacken und naschen zu dürfen. Das Leben in seiner runden Form nett verpackt - eben wie Bonbons. „Honigbonbon“ genüsslich ausgesprochen, zergeht schon auf der Zunge, versüßt den Alltag. Erzwungene Schönmalerei sind meine Gedichte keineswegs. Aufmerksam möchte ich machen, zeigen, wie vielfältig unser Dasein ist und wie wenig es bedarf, das zu erkennen: einfach Mensch sein.

Feierabend: Deine Gedichte nennst du liebevoll auch „Gedankenkinder“. Lässt sich der Entstehungsprozess eines Gedichtes in gewisser Weise mit dem Großziehen eines Kindes vergleichen? Schwingt diese Parallele in deiner Bezeichnung mit?

Henriette: Meine Gedankenkinder sind manchmal schwer erziehbar, manchmal giftig-zickig. Ohne tägliche Pflege und geduldigen Humor würden sie sich bestimmt eine andere Bleibe suchen. Die Kunst des Loslassens mußte ich erst lernen, hätte ohne den Nachdruck meines Mannes und meiner Freundin niemals die Idee gehabt, meine Gedankenkinder veröffentlichen zu lassen.

Feierabend: Werfen wir mal einen Blick hinein in dein Buch. Deine Verse übermitteln nicht nur Inhalte und Sinn. Du findest auch besonderen Spaß am Spiel mit der Struktur der Sprache und der einzelnen Worte. Deinem Gedicht „gedankenlos“ gibst du beispielsweise auch noch die Titelvarianten „Gedanken, los!“ und „Gedanken-Los“ mit auf den Weg. Identische Buchstaben ermöglichen so drei unterschiedliche Blickweisen auf die folgenden Verse. Das alles erinnert zum Teil stark an Kurt Schwitters und seinen Dadaismus. Warum magst du gerade diese Spielerei mit dem Wort?

Henriette: Hier ist wieder die Vielfältigkeit, Verwandelbarkeit, das i-Tüpfelchen des Zuhörens und loslassen vom eingefleischten Ursinn eines Wortes, eines Ausdruckes. Unterschiedliche Bedeutungen möchte ich heraus kitzeln. Meine Gedankenkinder sind noch jung und sehr verspielt. Gerade das schätze ich an Ihnen. Es wird nie langweilig und „eingefahren“.

Feierabend: In der recht bunten Themenpalette fallen thematische Schwerpunkte auf. So spielen immer wieder Naturbeobachtungen, Jahreszeiten und Wetterphänomene eine Rolle. Ist die Natur für uns moderne Stadtmenschen immer noch eine Inspirationsquelle?

Henriette: Ja, wir leben in ihr, der Natur, sind von ihr umgeben, ohne sie gäbe es uns nicht. Zusammen sind wir stark! Nichts ist selbstverständlich. Die japanische Dichtkunst HAIKU hat mich gereizt, nur 3 Zeilen mit jeweils 5, 7 und 5 Silben sind dort erlaubt. Ich wollte ausprobieren, ob es in unserer westlichen Welt Sinn geben kann, und dies war noch ein i-Tüpfelchen für „das weniger ist mehr“ und den Rhythmus innerhalb eines Gedichtes. Ein Hörbuch wäre eigentlich gut, nur ich weiß, wo ich welche Betonung eingearbeitet habe.

Feierabend: Auch ein Hauch von Fernweh schwingt in vielen deiner Texte mit. Gedichte wie „Oase“ oder „Tango Samba Salsa“ verraten das schon im Titel. Sogar die Kondensstreifen eines Flugzeugs auf dem Weg von Frankfurt nach Miami werden beobachtet und in Versen festgehalten. Bist du ein unternehmungslustiger Mensch, der gerne unterwegs ist, der sich beim Reisen neue Anregungen holt?

Henriette: Mein Gedicht „Oase“ ist solch ein HAIKU über die Wüste, wie ich sie mir vorstelle, das trockene Gegenstück zu meinem flachen Land am Meer. Ein Beweis dafür, dass sich im Leben immer alles wiederholt, im Kreise dreht, so rund wie unsere Erdkugel, Alpha und Omega, nur die Farbschattierungen, Kulissen werden verändert. Mit meinem Gedicht „Tango, Samba, Salsa“ bahnt sich die Erotik ihren Weg, hier im Tanz. Das „ewig erste Thema“ habe ich in unterschiedliche Kostüme gesteckt, mal knisternd mal ironisch, mal romantisch, eben wieder: giftig süß. Mein nächstes Buch wird nur aus erotischen Gedichten bestehen mit passenden schwarz-weiß Aquarellen.

Feierabend: Einige deiner Gedichte hast du auch in „Be-greifbare Wortkunst“ umgewandelt. Das sind Plastiken, die man berühren, drehen und wenden kann. Plastiken, mit deren Hilfe der „Leser“ selber aktiv mit dem Sinn der Gedichte spielen kann. Wie bist du auf diese Idee gekommen? Und wie reagiert dein Publikum auf diese quasi interaktive Lyrik?

Henriette: Das Drehgedicht „SEIN“ habe ich für jemanden geschrieben, dem ich zeigen wollte, dass es auf einen selbst ankommt, sein eigenes SEIN in Händen zu halten und zu formen, dass man an seinem SEIN „drehen“ kann im wahrsten Sinne des Wortes. Die MAUER, ein Gedicht zum 10. Jahrestag des Mauerfalls in Berlin habe ich als Mauermodell gebaut, um zu zeigen: Steine kann man überwinden, umgehen, wie die alltäglichen „Lebensmauern“. Freundliche Aufforderung: denk mal! geht doch, über meine Mauer kann man springen, drum herum gehen, sich anlehnen, daher ist „meine“ Mauer auch nur 60 cm hoch und 1 m lang! Also kein Trennungsstück. Zweimal habe ich meine „be-greif mich!“ - Gedichte ausgestellt. Das Echo war nach anfänglicher Scheu vor dem Unbekannten sehr groß. Erklärende Hilfestellung mußte ich leisten und dann bekam ich Begeisterung, die mich ein bisschen stolz sein ließ.

Feierabend: Zum Abschluss auch an dich die Frage: ist das Schreiben für dich einfach nur Spaß, Entspannung, Spiel? Oder musst du auch mal um die richtigen Worte ringen?

Henriette: Ja, Schreiben ist Gedankenurlaub für mich, ich denke gern heimlich, wenn keiner etwas merkt, das bereitet mir diebisches Vergnügen. Ja, es macht mir Spaß, ich entspanne mich, ich gehe aus mir raus und sehe das Ergebnis auf Papier.
Ein Grundgedanke formt sich, oft nur als Notiz auf irgendein Stück Papier gekritzelt, in einer meiner Kopfschubladen auf ungewisse Zeit abgelegt, ohne Eile, ohne Druck. Wenn die Zeit reif ist, schlüpft wieder ein neues Gedankenkind. Ich lasse es einfach sein.

Feierabend: Sicher haben wir jetzt das ein oder andere Feierabend-Mitglied neugierig gemacht. Wo kann man dein Buch erhalten? Wie kann man es kaufen oder bestellen?

Henriette: In jeder Buchhandlung, im Internet oder beim Jahn & Ernst Verlag in Hamburg selbst, ISBN-Nummer: 3-89407-317-9. Auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse werde ich mit Buch und richtigen Bonbons sein, in Halle 3.0 / Stand F 105 am Sonnabend 23. und Sonntag 24. März. Ich bedanke mich recht herzlich für dieses Interview.


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