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Liaison am Bodensee

Du bist nicht alt, du hast noch Chancen.

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Senioren Pärchen

Ferien im Mai 2004 am Bodensee. Sohn und Schwiegertochter haben ihre Mütter eingeladen. Wir verlassen auf einem Motorschiff die Insel Mainau. Strahlende Sonne. Die in helles Licht getauchte Umgebung fasziniert mich. Das Blau des Sees mit glitzernden Wellen, der blaue Himmel mit schneeweißen, wattigen Wolken. Am Ufer helle Häuser mit roten Dächern, das Auf und Ab der frühlingsgrünen Landschaft. Lange suche ich für meine Kamera das schönste Motiv. Stehe auf, wechsele den Standort.

Ein älterer Herr beobachtet mich. Er ist schlank, gepflegt, hat volles graues Haar. Seine Augen schützt eine Sonnenbrille. Doch sein Mund lächelt. Sein ganzes Gesicht drückt Wohlwollen aus. Mein Herz wird angenehm warm. Dann konzentriere ich mich wieder auf meine Kamera. Zufällig sehe ich später in seine Richtung. Wieder dieses sympathische Lächeln, das mit großer Sicherheit mir gilt. Beim Umsteigen auf eine andere Schifffahrtslinie muss ich an ihm vorüber. Er lächelt. Gilt es mir? Ich bilde mir nichts ein, strahle über das ganze Gesicht, weil ich mit meinen Lieben glücklich bin.

Auch er ist umgestiegen, geht auf dem nächsten Motorschiff an mir vorbei. Zufall, denke ich. Noch einmal schlendert er vorüber. Jetzt werde ich wach. Ist das noch Zufall? Hinterherzuschauen wage ich nicht. Was sollen Sohn, Schwiegertochter und ihre Mutter denken, wenn mich Alte noch ein Mann interessiert? Es zieht, ich binde mein Schultertuch als Kopftuch um. Und wieder geht er vorbei. Jetzt lächelt er nicht. Wer weiß, wie du jetzt aussiehst, denke ich. Den Rest der Fahrt sehe ich ihn nicht mehr. Beim Aussteigen lächelt er mich drei Plätze neben uns an. Mein Herz schlägt schneller.

Wir sind an Land. Das Schiff nimmt weiter Kurs auf Friedrichshafen. Ich kann nicht anders, muss dort hinsehen, wo sich "ihn" sitzend gesehen habe. Er steht, nicht direkt an der Reling, den Körper mir zugewandt. "Schade, aber es war trotzdem schön", denke ich. Mein kleines Erlebnis hat mir gezeigt: "Du bist nicht alt, du hast noch Chancen."

Einen Tag später, mit Familie auf dem Weg von Meersburg nach Immenstaad, fragt eine Männerstimme hinter mir: "Entschuldigen Sie, ist dieser Platz frei?" "Ja, sie können sich setzen", grölt eine Frau. "Alte Ziege", denke ich. Mit der Frage gemeint war offensichtlich ich. Den Frager sehen kann ich nicht. Er interessiert mich nicht. Beim Aussteigen dann der Schock. "Er" war es.

Am nächsten Morgen steht er, der mit der Schiffslinie immer Richtung Friedrichshafen weiter gefahren war, an der Anlegestelle Immenstaad. Ich fühle mich beobachtet, sehe auf, ihm in die Sonnenbrille. Statt Freude zu zeigen, schockt mich die Überraschung. Auf dem Schiff hat er keine Chance. Ich sitze inmitten meiner Familie. In Friedrichshafen fährt er weiter in Richtung Lindau, wir bleiben vor Ort. Nun sitze ich wieder allein zu Hause, meistere meinen Alltag, und mache mir Vorwürfe. Ich habe ihm meine Sympathie nicht gezeigt. Vielleicht ist der "Feierabend-Chat" eine Chance für uns?

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