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Ein geheimnisvoller Koffer

Ein geheimnisvoller Koffer

Sachen quellen aus einem Koffer

Fundstücke aus der Vergangenheit

Als ich gestern durch den nahe gelegenen Wald spazieren ging, fand ich unter einer knorrigen Eiche einen alten ledernen Koffer ... Seltsam, schon oft war ich an dieser Stelle vorüber gegangen ohne ihn gesehen zu haben. Wie er wohl hierher kam und wer ihn einmal hier abgelegt hatte? Ich wurde bei seinem Anblick doch schon sehr neugierig, sah mich um, ob niemand da war, der ihn vielleicht absichtlich hingelegt hatte und nun beobachten wollte, wie Wanderer darauf reagierten.

Aber ich war ganz allein – kein Mensch weit und breit. Ich zog den Koffer zu mir heran. Eine Wurzel hatte die eine Ecke umklammert. Also musste er schon sehr lange hier liegen. Das Wild hatte ihn vielleicht bei der Futtersuche freigelegt. Vorsichtig hob ich den Koffer an und legte ihn so an einer Böschung ab, dass ich ihn bequem erreichen und öffnen konnte. Ursprünglich war er sicher abgeschlossen, aber beide Schlösser waren verrostet und er lies sich leicht öffnen.

Ein kleiner Wunderkasten – so sah es in seinem Inneren auf den ersten Blick aus. Eine kleine grüne Vase, verziert mit Blättern und weißen Blüten als Relief- sie kam mir irgendwie bekannt vor; eine zarte, hellgrüne Decke – leider schon sehr fadenscheinig. Ich fasste sie vorsichtig an und hob sie heraus; eine verbogene Kerze; ein schwarzes Kästchen mit Intarsien aus Perlmutt. Auch das erinnerte mich an irgendeinen Gegenstand, nur wusste ich nicht an welchen; ein Buch, es sah aus wie ein Tagebuch und ein sehr abgegriffener Teddybär. All diese Sachen lagen in dem Koffer, der mit einer groben Leinendecke ausgeschlagen war.

Ich breitete diese Decke auf dem Waldboden aus und legte alle Sachen vorsichtig darauf. Zuerst die Vase. Sie war wunderschön und in der Sonne, die durch die Bäume schien, glänzte sie wie frisch sauber gemacht. Die zarte grüne Decke breitete ich nicht aus, denn ich hatte Angst, dass sie mir in den Händen kaputt ging. Ihr hatte die Zeit in diesem Koffer wohl nicht gut getan. Ich merkte nur, dass sie aus Batist war und sich auch darauf kleine weiße Blumen befanden. Sicher gehörte sie zu der kleinen Vase und hatte einmal auf einem Tisch wunderbar ausgesehen. Die Kerze war etwas schmutzig und durch Temperaturunterschiede sicher verbogen.

Die Intarsienarbeit auf dem Kästchen war makellos. Beim Öffnen sah ich, dass es früher einmal abschließen ging, jedoch war anstatt einem Schloss nur noch ein kleines Loch vorhanden. Herrlich, was mir jetzt entgegen leuchtete: Schmuckstücke aus Gold besetzt mit Granaten. Wie leuchtende Feuer! Nun nahm ich erst einmal den Teddybär in die Hand. Es war ein anscheinend nicht so altes Stück. Die Pfoten waren abgegriffen und hatten kein Fell mehr, auch auf dem Bauch und der Nase waren kleine Löcher. Er hatte einen Anzug aus Frottier an. Ein Kind musste diesen Bären einmal sehr geliebt haben.

Für den Schluss hob ich mir das Buch auf. Nein, ich wollte das was drin stand nicht an Ort und Stelle lesen. Langsam und mit viel Gefühl räumte ich alles wieder in den Koffer, machte ihn langsam zu und packte ihn unter den Arm. Ich nahm ihn mit nach Hause.

Zuhause setzte ich mich auf die Terrasse, legte den Koffer auf einen Stuhl und alle Sachen vorsichtig auf den Tisch. Als ich alles zum zweiten Mal ausräumte, wusste ich, woher ich einige Dinge kannte: Hatte ich doch selbst solch eine kleine Vase – sie stammte von meiner Uroma und meine Oma hatte sie mir geschenkt. Und das Kästchen! Na, klar – das hatte ich von ihrer Schwester, meiner Großtante Ria geerbt! Der Schmuck: solchen besaß ich auch aus dem Nachlass meiner Oma. Nun konnte ich das Alter der Dinge ungefähr schätzen: 1850-1915. In diese Zeit passte nur der Teddybär nicht: er war von meinem jüngsten Sohn Christian, also „erst“ 28 Jahre alt.

Neugierig geworden nahm ich das Tagebuch in die Hand. Nur leere Seiten! Aber beim lange hinsehen konnte ich Gesichter erkennen die mir freundlich zulächelten: Meine Uroma, meine Oma, meine Großtante!!! Ich freute mich, lächelte zurück, kicherte ein bisschen und wollte sie ansprechen… Da schüttelte mich jemand an der Schulter: „Hallo, du da, aufwachen! Du bist in Nomborn und in deinem Bett! Hast du gut geträumt? Du hast mich mit deinem Gekicher aufgeweckt und ein freundliches Lachen auf dem Gesicht!“

Schade, es war nur ein Traum. Ich hätte gerne so einen geheimnisvollen Koffer gefunden! Aber schön ist es doch, dass ich die Gegenstände alle habe und sie in Ehren halte.

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