Neu hier? Lies hier über unser Motto gemeinsam statt einsam.
Mitglied werden einloggen




Passwort vergessen?

Café

Zwischen Krapfen und Krampfadern

Sie saßen am Nebentisch, allerdings hinter meinem Rücken, und sie waren nicht zu überhören, als sie auf den Tisch hinter mir zusteuerten. Irgendwie begann ich mich leicht unwohl zu fühlen, als sie anfingen, sich zu sortieren, um ihre Plätze einzunehmen. „Möchtest du am Fenster sitzen Elfriede?“ „Also Ruth, wenn es dir nichts ausmacht, säße ich lieber am Gang, du weißt doch, meine nervöse Blase.“ „Klara, könntest du noch ein wenig rücken, sonst habe ich das Tischbein genau vor – oh, Entschuldigung...“

Das galt jetzt offensichtlich mir, denn ich bekam einen Schlag ins Kreuz und auf meiner Untertasse hatte ich plötzlich eine Überflutung meines Kaffees (entkoffeiniert!), von der auch die Tischdecke noch betroffen war. Nach 5-10 Minuten schien man sich dann über die endgültige Sitzverteilung geeinigt zu haben und diskutierte sodann über die vorzunehmenden Bestellungen. Allerdings saß jetzt aber eine Renate wohl im Durchzug und strebte einen Platztausch mit einer Irene an (Oder war es Elfriede? Nein, die wollte ja am Gang sitzen). Plötzlich zog Zigarettenrauch in meine Richtung (Wem ist eigentlich noch nicht aufgefallen, dass Frauen jetzt immer mehr als Männer durch rauchen auffallen?)

Die eingangs erwähnte Elfriede unterhielt jetzt die Runde mit ihren Blasenbeschwerden und wurde allseits bedauert und mit Zuspruch bedacht. Es gab gute Ratschläge und Beispiele von wohl ebenfalls betroffenen Verwandten und Freunden. Eine brachte sogar den Hund einer Nachbarin ins Spiel (wahrscheinlich war der Köter nur noch nicht stubenrein!). Irene versuchte dann bei ihren Freundinnen mit ihrer Bandscheibenoperation auf der Mitleidsskala zu punkten. Sie wurde aber ganz offensichtlich von einer Magda übertrumpft, die sich über Operationsmethoden bei Krampfadern so detailliert ausließ, dass ich das Gefühl bekam, eine Hausschlachtung bei Bauer Häberle mitzuerleben.

Als die adrette junge Bedienung glücklicherweise gerade jetzt auftauchte, zahlte ich umgehend meine Rechnung, deutete dabei an, mir würde gleich schlecht, was sie jedoch missverstand und auf den verzehrten Apfelstrudel bezog. Ich konnte aber diesen Irrtum mit einem diskreten Hinweis auf den Tisch hinter mir ausräumen, erntete ein verständnisvolles Lächeln und machte mich auf den Heimweg. Von draußen sah ich noch, wie Irene (die mit der Bandscheibe) genüsslich ein Stück Schokosahnetorte zum Munde führte.

Autor: Trollinger_

Artikel Teilen

 

Artikel bewerten
4 Sterne (9 Bewertungen)

Nutze die Sterne, um eine Bewertung abzugeben:


2 2 Artikel kommentieren
Themen > Leben > Literatur > Kurzgeschichten > Café