Alte Äpfel, Schnecken und jede Menge Diziplin
Schriftsteller und ihre Schreibrituale
Der eine benötigte den Geruch faulender Äpfel, ein weiterer trug beim Verfassen seiner Bücher stets dasselbe Hemd und andere schreiben am liebsten im Bett: Die kreativen Spleens und eigensinnigen Schreibgewohnheiten großer Schriftsteller und Schriftstellerinnen sind legendär und zeigen, dass auch sie ihre Rituale haben. In unserer kleinen Anekdoten-Sammlung erfährst Du mehr über ihre Eigenheiten und Marotten. Und dass die Idee für eine großartige Geschichte in der Regel nicht das Ergebnis plötzlicher Inspiration, sondern oftmals das Resultat täglicher Schreibroutine und harter Arbeit ist.
Der exzentrische US-Schriftsteller Truman Capote (1924 – 1984) hatte eine etwas schräge Passion für Zahlen. Er addierte nicht nur zwanghaft Zahlen, sondern weigerte sich auch, Telefonnummern zu wählen oder in Hotelzimmern zu übernachten, deren Quersumme er nicht mochte. Nachdenken konnte er wie so einige andere Schriftsteller anscheinend besonders gut im Liegen, weshalb er auch immer im Bett schrieb.
Die zeitgenössische österreichische Schriftstellerin Eva Menasse (*1970) schreibt jeden Tag zur selben Zeit und am selben Ort. Und wenn es mal nicht zu läuft? Dann schreibt sie bis tief in die Nacht. Unterbrochen wird ihr „Selbstgeißelungsritual“, so Menasse, nur durch „die Uhr, die befiehlt, wann die Kinder geholt werden müssen (...) ein Hassobjekt. Das Wochenende eine Zumutung.“1
Auch Thomas Mann (1875 – 1955) pflegte strikte Rituale. Um 8 Uhr morgens stand er auf, um halb 9 frühstückte er mit seiner Frau und um genau 9 Uhr begann er zu schreiben, wofür er sich in seinem Büro einschloß. Seine Kinder hatten sich bis 12 Uhr mucksmäuschenstill zu verhalten und durften ihn unter keinen Umständen bei der Arbeit stören. Die vier Stunden am Vormittag, in denen er immer schrieb, waren ihm heilig und die ganze Familie hatte sich danach zu richten.
Ein ebenso diziplinierter Autor ist Stephen King (* 1947), der ausnahmslos an jedem Tag schreibt und sich erst dann eine Pause gönnt, wenn er mindestens 2.000 Wörter zu Papier gebracht hat. Auch sein Arbeitstag beginnt bereits um 8 Uhr morgens, gegen Mittag hat er meistens sein Soll erfüllt.
Bis heute müssen sich Schüler und Schülerinnen durch Friedrich Schillers (1759 – 1805) „Die Räuber“ quälen. Doch wer hätte gedacht, dass der berühmte Dichter und Dramaturg eine besondere Marotte pflegte. Zur Inspiration diente ihm eine ganz besondere Muse: In seiner Schreibtisch-Schublade bewahrte er alte Äpfel auf, deren fauliger Geruch er nach eigener Aussage zum Schreiben benötigte.
Patricia Highsmith (1921 – 1995) liebte Schnecken, die sie auch züchtete, und verabscheute Blumen. Joan Schenkar eröffnete ihre Biografie über die berühmte amerikanische Kriminalautorin mit den Worten „Sie war nicht nett“. Dies ist zwar auch nicht besonders nett, bestätigt sich aber durchaus auch in den Worten, die Highsmith über sich selbst schrieb: „Ich kann mir für die Fantasie nichts Stimulierenderes und Beflügelnderes vorstellen als die Annahme, dass jeder, der einem auf dem Gehweg entgegenkommt, ein Sadist, ein Seriendieb oder sogar ein Mörder sein könnte.“ Und auch ein Tagebucheintrag der Autorin aus dem Jahr 1942 weist in dieselbe Richtung: „Am meisten interessiert mich die Perversion, sie ist die Dunkelheit, die mich leitet.“ Auf dem Bett kauernd mit angezogenen Knien umgab sie sich mit Zigaretten, Aschenbechern, einer Tasse Kaffee und einem Donut – bei dieser stets gleichen Anordnung kamen ihr die besten Ideen.
George Simenon (1903 – 1989), dessen Romane um die Figur des Kommissars Maigret weltberühmt wurden, trug beim Schreiben seiner Bücher immer dasselbe Hemd. Dabei versetzte er sich in eine Art Trance, die maximal 14 Tage lang täglich von halb sieben bis neun Uhr dauerte, wobei zwischen den Tagen keine Pause liegen durfte. Er befürchtete ansonsten den Faden zu verlieren.
1 https://www.sueddeutsche.de/kultur/schreibgepflogenheiten-deutschsprachiger-autoren-nur-am-morgen-eine-stunde-1.2386353
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