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Wer ist mein Nächster?

Ich sitze am Samstag auf einer Bank an der Bushaltestelle. Mein Einkaufswagen steht ziemlich voll neben mir und ich will nach Hause fahren. Dabei beobachte ich einen etwa 40- jährigen Mann, der schüchtern jeden Menschen, der vorbeikommt, anspricht. Die meisten hören gar nicht zu und gehen vorbei, einer schimpft sogar laut. Der Mann kann schwer laufen, wirkt auf mich völlig entmutigt, aber nicht alkoholisiert. Dann kommt er zu mir. Er fängt zögernd an: "Ich kümmere mich um einen MS Kranken und ich helfe manchmal, wenn Leute diese Fragebögen nicht allein ausfüllen können und ich will etwas Obst für einen Mitbewohner mitbringen usw.

Mann an Bushaltestelle

Ich lächele ihn an und sage ihm: "Sie müssen mir das nicht alles erzählen und sie müssen sich auch nicht rechtfertigen, sagen sie einfach, was sie von mir möchten." "Haben sie vielleicht etwas Kleingeld für mich?" Ich bat ihn, sich erst einmal hinzusetzen, weil ich sah, dass er Schmerzen beim Stehen hatte und nahm aus meiner Tasche 10.-€ und gab sie ihm. "Wenn sie einen Moment auf meinen Einkaufswagen aufpassen, dann hole ich uns nebenan einen Kaffee." "Haben Sie keine Angst, dass ich mit dem Wagen weglaufe, da sind sicher Lebensmittel drin für eine Woche?" "Nein" sage ich wieder lächelnd, und gehe mit meinem Rucksack die paar Schritte und komme mit 2 Kaffee zurück.

Dann sitzen wir ca. 20 Minuten nebeneinander, er lebt in einem Wohnheim, die Sozialhilfe wird bis auf 80.-€ Taschengeld einbehalten. Das reicht für Fahrgeld und Brötchen, manchmal ein Stück Obst, denn er ist viel unterwegs. Im Wohnheim bekäme er Depressionen und wird oft beklaut. Er erzählte noch viel, vor allem, wie gern er wieder eine eigene Wohnung hätte, aber das ist in Berlin fast unmöglich. Mein 3. Bus kam und ich verabschiedete mich, wünschte ihm alles Gute und er bedankte sich für mein Vertrauen. Er nahm die beiden Becher und brachte sie zum Papierkorb. Ich winkte ihm noch, er strahlte und winkte auch. Immer wieder bin ich erstaunt, wie schnell sich ein leeres Gesicht in ein lebendiges Minenspiel verwandeln kann.

Ich will hier darauf hinweisen, dass ich kein sogenannter "Gutmensch" bin und auch kein schlechtes Gewissen kompensieren muss. Ich habe nur offene Augen, sehe die Menschen an, die jetzt keine Maske mehr tragen müssen, und ich habe Zeit, viel Zeit.... und die will ich teilen. Dabei lerne ich selbst immer etwas Neues über das Leben. Es braucht so wenig, um eine Brücke zu bauen.

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Autor: Feierabend-Mitglied

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