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Das Glück vom Altwerden

In meinem Umfeld höre ich so viele negative und traurige Geschichten über das Altwerden. Im günstigsten Fall ist es ein Prozess, der viele Erfahrungen, Erkenntnisse und Loslassen beinhaltet und in der Übergangszeit auch oft mit Trauer verbunden ist. Es liegen aber auch große Chancen in dieser Lebensphase.

Mein Leben als alleinerziehende Mutter mit zwei Töchtern, voller Berufstätigkeit, politischem und sozialem Engagement war getaktet. Kurz gesagt, die Tage waren angefüllt mit Herausforderungen und ganz nach außen gelagert. Mein Körper hatte zu funktionieren und alles, was sich in mir tat, das wurde auf später verschoben. Verschiedene Erkrankungen und Operationen brachte ich möglichst schnell hinter mich und lief weiter, Mahnungen meines Körpers und sicher auch meiner Seele überhörte ich im Trubel des Lebens.

Mit 72 Jahren erkrankte ich schwer an Krebs, fing mir einen Krankenhauskeim ein, wurde 6 Mal operiert und lag 7 Wochen im Krankenhaus. Chemo und Bestrahlungen lehnte ich ab und machte mich auf den Weg nach Innen. Ich war sehr schwach und musste alle Außenaktivitäten einstellen, auch um mich zu schützen vor all den gut gemeinten Ratschlägen von Ärzten, Freunden und Familie. Ich wusste nicht, wieviel Zeit ich noch hatte und begann, mein Leben aus einer anderen Perspektive zu sehen. So begann ich, den roten Faden in mir zu suchen, in meiner Seele aufzuräumen und mir alles ins Bewusstsein zu rufen, wofür ich mir nie Zeit genommen hatte. Das war ein schmerzlicher Prozess, aber auch sehr beglückend. In dieser Phase lernte ich, die Stille zu lieben und mich mit mir und meiner Vergangenheit zu versöhnen. Damit kam eine große Freiheit in mein Leben, Vertrauen in mein Sein und ein ganz neues Erleben, was Glück für mich bedeutet. Ich freue mich an allem, was ich noch kann und hadere nicht mit dem, was nicht mehr möglich ist. Jeder Tag ohne Termin und der Freiheit, die Zeit nach meiner Befindlichkeit zu verbringen, das ist heute für mich Glück.

Ich genieße das langsame Loslassen, wachse hinein in weniger Mobilität, weniger belastende menschliche Kontakte, Zeit für Gespräche, Träume und Gelassenheit. In einer unheilvollen Welt den Frieden zu leben, das ist für mich heute Glück, ich erlebe es täglich als ein großes Geschenk. Der Weg nach Innen hat Reichtum in mein Leben gebracht und davon möchte ich weitergeben. Mein irdisches Leben ist endlich, aber das tiefe Wissen, dass es auf einer anderen Ebene weitergeht, gibt Vertrauen und den Wunsch, weiter zu reifen und die Liebe, von der ich lebe, zu teilen und mitzuteilen.

Vor 6 Wochen ergab eine gründliche Nachuntersuchung, dass ich nach nun 6 Jahren frei von Krebs bin und mich als geheilt betrachten kann. Für die Ärzte ist es ein Wunder, für mich tiefe Dankbarkeit und das Wissen, den richtigen Weg gewählt zu haben. Alt werden kann ein beglückender Prozess sein und die körperlichen Einschränkungen erleichtern das Loslassen. Das Werden und Vergehen erleben wir doch täglich in der Natur.

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