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Ingrid taucht unter

Ingrid bekam ein neues Hüftgelenk. Durch die Operation wurden Teile der Muskulatur und Nervenstränge durchtrennt. Es braucht Zeit, bis alles wieder gut zusammengewachsen ist. So war das Gehen noch beschwerlich. Rund um die Uhr hämmerte und piekte es in Ingrids Bein.

Ingrid stellte sich das, was in ihrem Bein geschah, ähnlich vor wie bei einem Wasserrohrbruch. Das Wasserwerk erhält Meldung „Hier kommt kein Wasser an.“ Der Bezirk wird geortet und ein Bautrupp losgeschickt. Mit Presslufthammer, Pike und Schaufel wird die Stelle freigelegt und repariert, Erde drauf und weiter zur nächsten Baustelle. Die fleißigen Bauarbeiter in Ingrids Bein brauchten Hilfe. „Je schneller sie arbeiten können, je eher sind sie fertig“ sagte sie sich. Deshalb wurde Wassergymnastik verordnet, das lockerte die Muskulatur.

Bei der Einweisung in die Benutzerregeln zum Wasserballett wurde erzählt, der Beckenboden des Bassins sei durchgehend 1,30 m tief. „Sehr gut“, hoffte Ingrid, „da kann ich mit meinen 1,56 m Länge ja nicht untergehen. Die Krücken stellte sie zur Seite und mutig stieg sie die Treppe hinab ins warme Wasser. Die Therapeutin spornte an: „Nun noch die letzte Stufe, dann ist der Boden erreicht.“ Ingrid vertraute darauf, tat einen letzten Schritt und - Gluck Gluck - weg war sie.

Das Wasser reichte bis über die Nasenspitze. Erschrocken stieß sie sich ab und holte erst einmal tief Luft. Schwimmen durfte sie noch nicht, dies gehörte zu den verbotenen Bewegungen. Deshalb versuchte sie hopsend den Rand des Beckens zu erreichen. Dort befand sich eine Stange zum Festhalten.

„Gehen Sie bis an das Ende des Beckens, dort ist es etwas flacher“, rief ihr die Therapeutin zu. Für die Übungen im Wasser ist Bodenberührung erforderlich. So hangelte sie sich an der Stange entlang, um ans Ende des Bassins zu kommen. Den halben Weg hatte sie bereits geschafft, da kam sie nicht weiter. An der Stange hielt sich ein Mann fest und wollte diese um keinen Preis wieder loslassen. Er schaute über das Bassin und dann auf Ingrid. Ingrid musste an ihm vorbei.

Was nun, wie machte sie das am besten? „Halten Sie bitte einmal still?“, fragt sie höflich. Dann umarmte sie den Kursteilnehmer innig. Was hat Ingrid vor? Na, sie wollte sich an ihm entlang rutschen. Da ihre Arme nicht lang genug waren, um Abstand zu halten, rutschte sie Brust an Brust an ihm vorbei. Das gefiel ihm. Seine Augen strahlten und er grinste vor Vergnügen.

Am Ende des Beckens machte Ingrid fleißig ihre Übungen und freute sich bereits auf das nächste Wasserballett. Und was soll ich euch sagen, beim nächsten Training hingen doch gleich zwei Männer an der Stange. Sie flüsterten miteinander und schauten Ingrid mit glänzenden Augen erwartungsvoll an. Was sollte sie machen? Die Erwartungen der zwei erfüllen? Sie überdachte kurz die Folgen und sah voraus, dass dann beim nächsten Mal alle Männer der Gruppe an der Stange hängen würden. Nein, nicht mit Ingrid. Sie holte tief Luft, tauchte ab und hoppste unter Wasser an den beiden vorbei.

Als sie wieder auftauchte und die rettende Stange ergriff, drehte sie sich zu den beiden Männern um. Denen war vor Enttäuschung der Kiefer nach unten geklappt. Sie merkte, dass sie von der Gruppe beobachtet wurde. Laut musste sie lachen und wie bei einem Echo lachte dann schallend die ganze Gruppe.

Es hatte gewirkt, bis zum Ende der Wassergymnastik war die Stange frei.

Autor: Zwillingsjungfrau

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