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Wenn man unbedingt will

Kolumnistin MaraB setzt sich über Barrieren hinweg: Egal ob es um Generationen oder die Sammelleidenschaft ihrer Familie geht. Lies hier die witzigen Anekdoten. Vielleicht erkennst Du Dich und die Deinen ja wieder…

mara B © Mitglied

3,5 bis 4,5 Stunden sollte sie dauern und schwer sollte sie sein. Vom Teno-Gebirge geht es tief hinab zum Meer (etwa 800 Höhenmeter). Mein Kollege meinte: „Du schaffst das. Locker!“ Er überzeugte mich schließlich von mir selbst, diese besondere Wanderung in Angriff zu nehmen. Unser zwölfjähriger Enkel brauchte im gemeinsamen Urlaub auch seine Herausforderungen.

Jo, der junge und sehr sympathische Wanderführer (auch Guide genannt), wirkte sehr umsichtig: Er erfasste bei allen 12 Mitgliedern der Wandergruppe schnell mit Blicken, ob erstmal rein von der Ausrüstung her es jeder schaffen könnte. Seine Ansage ermutigte uns: „Wir gehen jetzt bis zu einer Brücke, dann entscheidet jeder, der seine Knie- und Hüftprobleme kennt, ob er lieber zurück geht oder nicht. Der Bus oben wartet solange.“

Ich stand an der Brücke, die zu erreichen schon eine Herausforderung war. Es ging straff bergab und Steine aller Formen und Größen waren im Weg. Trittsicherheit, Konzentration, Balance. Jo sah jedem tief ins Gewissen. Das sei die einfachste aller Streckenabschnitte, die Hürde Numero 1, meinte er und weiter, dass es bis zur Nummer 56 geht.

Niemals gehe ich diese 200 Meter wieder nach oben. Niemals. Das wusste ich.
Er schien in meinen Augen die Zweifel zu sehen oder meine Schmerzen im Knie bei der Berg-Wanderung letztes Jahr im Herbst, die nur bergab ging. Ich verzog die Mundwinkel und lächelte das genialste 60+ Durchhalte-Lächeln. Ich werde es schaffen. Besser: Ich will.

Die Wandergruppe bestand aus 10 Leuten, meinem Lebensbegleiter und mir. Schon nach kurzer Zeit war klar, wir beide würden immer die Letzten sein. Aber, Gelassenheit ist ein wahres Wundermittel.

Was nun kam: schmale, naturbelassene, steinige Pfade, Steine aller denkbarer Größen, Felsvorsprünge, an denen man sich festhalten musste, riesige Steine zum Abstützen (Ein Sprung in die Tiefe hätte meine Knie in Schmerzzustände gebracht).

Die interessante und faszinierende Schluchtenlandschaft, das schwarz-rot-braune Vulkangestein, die teilweise an Elefanten erinnernde Fels-Formationen, Höhlen, riesige Felsvorsprünge, ausgetrocknete Wasserfälle, von der Natur geformte Schilfhütten, besondere Fauna und wilde Bergziegen… Kurzgesagt: All das, was ich in tausenden Fotos liebend gerne festgehalten hätte, zog an mir oberflächlich vorüber, weil meine Konzentration in Bezug auf Sicherheit und unbedingtes Durchhalten alle Kraft und Aufmerksamkeit erforderte.

Hin und wieder machte Jo eine fünfminütige Pause und sprach über Wissenswertes und Historisches. Schnell holte ich dann meine Kamera aus der Tasche, um ein Bilder zu schießen, musste gleichzeitig zuhören, mich ausruhen und viel trinken. Dann ging es weiter.
Gegen Mittag machten wir dann eine längere Essenspause. Die Sonne stand ungünstig für einen abgeschlafften und erholungsbedürftigen Fotografen und die interessantesten Motive waren eben vorbei oder kamen erst hinter dem nächsten Felsen wieder.

Ich wählte intensives Entspannen im Schatten, zumal wir noch einen weiten Weg vor uns hatten.
„Zuerst die gute Nachricht“, sagte Jo beim Aufbruch. „Wir haben schon bedeutend mehr als die Hälfte geschafft.“ Alles lächelt hoffnungsvoll, selbst die Jugend. Doch er fuhr fort: „Die schlechte: Die Reststrecke ist die schwierigste.“

Ein Stahlseil war als Festhaltemöglichkeit in den Fels gehauen, weil der Pfad nicht nur sehr schmal sondern auch abschüssig war. Ob es hält? Klar. Tausende waren vor mir.
Ein Bach musste durchquert werden, sechs nasse runde Steine, glitschig, so groß wie eine CD etwa mussten in sechs Schritten genommen werden, ohne abzurutschen..... Ich wusste von einigen Wasserläufen zuvor, wie glatt es werden könnte.

Jo wartete auf uns und sprach grinsend: „Mindestens einer in jeder Gruppe fällt hier ins Wasser. Wenn Du es nicht schaffst, Dich zu konzentrieren, dann bist Du es. Ha!!!“

Jo, unser Guide und Psychologe. Er machte seinen Job gut. Er wusste genau, dass sich in dieser Sekunde alle Kräfte nur auf diese gefährliche Stelle konzentrierten.

Und es gab wenigstens noch eine erwähnenswerte Hürde, wo man wiederum auf schmalem abschüssigen Pfad Bauch und Brust an den hervorstehenden Felsen drücken musste, als würde man zu ihm in Liebe erbrennen, und sich mit den Fingern krankhaft nach kleinen Vorsprüngen zum Festhalten suchte.

Körperliche Anstrengung, Grenzen ausloten, Grenzen erreichen, Natur erleben, gemeinsam etwas schaffen, etwas aushalten.

Keiner spricht mehr vom Muskelkater, der drei Tage anhielt, keiner davon, wie sich das Enkelkind lustig machte, wenn wir uns mit beiden Händen beim Treppensteigen am Geländer aufwärts und auch abwärts fest hielten.

Die Masca-Schlucht auf Teneriffa ist und bleibt eben ein unvergessenes Erlebnis.

Autor: MaraB

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