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Gegen alles ist ein Kraut gewachsen

Kolumnistin MaraB setzt sich über Barrieren hinweg: Egal ob es um Generationen oder die Sammelleidenschaft ihrer Familie geht. Lies hier die witzigen Anekdoten. Vielleicht erkennst Du Dich und die Deinen ja wieder…

mara B © Mitglied

Gegen alles ist ein Kraut gewachsen

Stellt Euch vor, ihr seid im Sommer eine Woche auf der autofreien Ostseeinsel Hiddensee und es ist schlechtes Wetter. Wenig Sonne, viel Wind. Regentage. Uns passiert das leider oft. Eva ist eine Kräuterfee und entschied an einem dieser unserer Regentage: "Heute zeige ich Euch, welche Wildpflanzen es auf der Insel gibt und wofür sie gut sind."

Im Heimatmuseum der Insel in Kloster existierte zu meiner Überraschung eine breite Ausstellung von Blüten und Blättern interessanter Pflanzen, die es auf Hiddensee gibt. Völlig überrascht von der Farbenvielfalt zückte ich meinen Fotoapparat und knipste darauf los, aber Evi schob meine Kamera wieder in die Tasche und begann zu erklären: "Hier, das ist Vogelmiere, schmeckt wie junge Maiskölbchen in Salaten oder auch mit Quark. Eine Vogelmierecreme zum Beispiel kannst Du leicht mit Pflanzenfett selbst herstellen, ist gut bei Juckreiz auf der Haut und bei Ekzemen."
Jeder kennt bestimmt dieses wuchernde Kraut mit den kleinen weißen Blüten, das überall wächst bis in den Frost hinein. Dieses für mich bisher lästige Unkraut würde adstringierende Wirkung besitzen. Ich war baff.
"Es schnürt alles ab, es zieht alles zusammen, was nicht sein soll", meinte Evi. So habe ich das Wort "adstringierend" zumindest verstanden. Gegen Schweiß, gegen Hauterkrankungen, gegen Blutungen in kleinen Gefäßen...
Was? Dieses Unkraut? Gegen das ich ständig und überall im Garten ankämpfen muss? Selbst über den Winter kommen die Samen auf dem Kompost ohne Probleme. Und wenn nichts wächst, das Zeug schon! Meine Großmutter nannte es immer Mausedärme und früher bekamen es bei ihr die Hühner.Ich kam stark ins Grübeln... Wollte ich den Maiskölbchengeschmack im Salat oder brauchte ich ein Adstringens?

"Das ist die Wildrose, die kennt ihr ja". Eva meinte, ihr Klausi hätte ihr heute Morgen vom Joggen einige dieser Blütenblätter mitgebracht und diese ihr ins Bett gelegt. Welch ein Verwöhnduft beim Aufwachen. Und was da alles noch sich entwickeln kann? Da kann man doch glatt neidisch werden oder?
Man muss die Blüten bei Sonnenschein pflücken, dann entfalten die Öle ihr besonderes Aroma. Und die großen kugeligen rotglänzenden Hagebutten der Wildrose kann man sammeln, aufhängen und trocknen lassen, sie ergeben zunächst eine wunderschöne rote Kette und im Winter einen Tee mit Vitamin C pur. Mein Ehemann war der Meinung, dass ich morgen früh mit Klaus gemeinsam joggen gehe und ihm auch rosa Blütenblätter ins Bett legen solle.

Giersch, das nächste Kräuterlein ist uns seit langem bekannt. Wir graben dieses Unkraut immer besonders tief aus, denn wenn ein Wurzelstückchen übrig bleibt, wuchert es im nächsten Jahr wieder. Die zarten jungen Blätter können wie Spinat zubereitet werden und enthalten sehr viele Mineralien. Entwässernd, verdauungsanregend, beruhigend. Und wir vernichten es im Garten gezielt!

Der Gundermann. Klein mit zarten violetten Blüten. Auch Erdefeu, Silberkraut genannt, für Kräuterbutter oder Kräutersuppen. Ich war platt. Auch dieses Kraut bekämpfe ich gerne in Blumenrabatten. Aber skeptisch blickte ich drein, denn irgendwie bekam ich den Eindruck, dass wir in unserem Garten die falschen Pflanzen ernten.

Eva sprach noch über die rosa Pechnelken, gelben Löwenzahn, blassrosa Scharfgarbe, blaue Wegwarte... Ich war voller Bewunderung für ihr Wissen, welches für mich unendlich schien.

Praktische Übungen folgten in den nächsten Stunden und Tagen, denn Hiddensee ist ein wahres Kräuterparadies. Pflücken, sammeln, zwischen den Fingern zerreiben, riechen, schmecken. Es hat Spaß gemacht, denn die Hiddenseewiesen sind bunt, so wie ich es aus meiner Kindheit von zu Hause her noch kannte. Naturrein existiert hier wirklich noch.

Und hier noch zwei interessante Begebenheiten: Am Wegrand standen hohe Brennnesseln im Blüten- bzw. Samenstand. Eva und Klaus pflückten diese Samen und steckten sie in den Mund. Noch einen Samenstand, noch einen... Potenzfördernd! Ich staunte einfach nur noch, schüttelte den Kopf und werde aber nicht schreiben, ob noch mehrere das Zeug gegessen haben!

Durch die starken Regenfälle der letzten Tage waren am Abend, wenn die Sonne sich wieder durchgekämpft hatte, die Mücken besonders lebendig und angriffslustig. Manche Menschen sind da ja resistent. Ich nicht. Auch die Ostseemücken finden es besonders wertvoll für ihre Lebensweise gerade mich zu stechen: am Hals, an den Armen, an den Füßen. Ich wurde bald verrückt, denn die Stiche waren unerträglich. Als wir im Gasthaus "Zum Enddorn" in Grieben saßen und auf gebratenen Zander warteten, konnte ich das Glas Wein vorher einfach nicht genießen.
"Schau", meinte Evi,"dort auf der Wiese wächst Spitzwegerich, die braunen Blütenstände schmecken in Butter gebraten köstlich nussig, aber wenn du den Saft der Blätter durch Zerreiben mit Fingern und Fingernägeln herauspresst und auf die Mückenstiche gibst, dann ist der Juckreiz sofort weg". Gesagt getan.

Für diese Sofortwirkung spendierte ich die nächste Flasche Wein. Wozu doch Regentage auch an der Ostsee gut sind.

Autor: MaraB

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