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Sommer in Dümmersbach

Die sonnigen Tage ließen wahrhaftig alle Winterimpressionen verblassen.
Dort, wo im kalten Schlafzimmer im Dezember die Scheiben von Eisblumen erblindet waren, standen jetzt Agathes üppig blühende Geranien.
Die Torfreste vor dem Ofen waren längst weggefegt, die Wäscheleine darüber unbenutzt. Die Wäsche flatterte draußen im Wind.
Auf dem Boden an der Hauswand räkelten sich die Katzen und leckten die Sonnenstrahlen aus ihrem Fell.
Die Hühner liefen frei herum und legten ihre Eier irgendwo versteckt ins Heu, um sie dort ausbrüten zu können.
Nur, dass dies von Agathe verhindert wurde, indem sie Tag für Tag auf Eiersuche ging.
"Geh Du mal heute die Eier suchen“, sagte sie und reichte mir den Korb.

Sommerwiese

Ich durchquerte den verlassenen Kuhstall, denn die Kühe waren auf der Weide. Nur in der Box in der Ecke lag das kleine Kalb, das vor ein paar Tagen geboren worden war. Ich hatte staunend zugeschaut, wie Agathe das Kalb aus einem Eimer mit Milch fütterte. Sie hatte sich auf den Boden gekniet, den Eimer in Schrägstellung gebracht und ihre Hand mit nach oben gerichtetem Zeigefinger hinein getaucht. Mit der anderen Hand hatte sie den kleinen Kälberkopf im Nacken gepackt und das kleine Maul an den Finger in der Milch geführt. Das Kalb hatte gierig an der vermeintlichen Zitze gesaugt und so gelernt, seine Milch zu trinken.

Ich ging weiter zur Scheune und begann im Heu nach Eiern zu suchen. Und wurde direkt fündig. Manche Eier waren noch warm, und irgendwie kam ich mir vor wie ein Dieb, der den Hühnern die Eier einfach wegnimmt. Aber das Suchen und Finden war spannend und machte einfach Spaß.
Als ich mit dem gefüllten Eierkorb wieder in der Küche erschien, bekam ich ein Lob:
„Da haste aber viele gefunden. Hoffentlich ist noch keines angebrütet, kannste alle mit nach Hause nehmen“, lachte Agathe.

Zum Mittagessen gab es Hühnchen mit Kartoffeln und Bohnensalat. Während Agathe die Schüsseln auf den Tisch stellte, betrachtete ich den Fliegenfänger, der als schmales gewelltes Band an der Lampe über dem Küchentisch hing. Mit seinem klebrigen Belag, ursprünglich von honiggelber Farbe, war er zum schwarzen Massengrab für unzählige Fliegen geworden. Hier und da regte sich noch ein Flügel, zuckte ein Bein, hoffnungslos.
Die vielen anderen bevölkerten den Tisch, setzten sich auf den Tellerrand, träge, ließen sich erst im letzten Moment verscheuchen, denn verscheucht zu werden waren sie nicht gewohnt. Ekelhaft.
Das drohte mir den Appetit zu verderben.
Noch heute habe ich eine wahnsinnige Aversion gegen Fliegen. Vor allem gegen die blau-grünen, die Sch(m)eißfliegen.

Ein wenig Entspannung fand ich dann am Nachmittag, als ich mir von Agathe das halb verrostete Fahrrad auslieh und über Feld- und Wiesenwege fuhr, den milden Sommerwind im Gesicht.
Es roch nach Heu.
Ich atmete tief und wusste, dass ich diesen Duft in der Stadt sehr vermissen würde, denn am nächsten Tag würde ich wieder abreisen.

Autor: fleurbleue

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