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Ich seh' sie heut Abend im Resi - Berlin vor vielen Jahren

Wie eine Diva kam ich mir vor, als ich in Tempelhof aus dem Flugzeug stieg. Unten, an der Gangway, empfing mich Robert mit einem Blumenstrauß. (War damals noch möglich.) Hinter ihm eine Gruppe von studentischen Freunden und Freundinnen, die unbedingt das Mädchen aus dem Rheinland kennenlernen wollten, von dem er ihnen so viel erzählt hatte.

Plakat vom Resi

Für diese Berlin-Woche hatte Robert ein ominöses Programm vorbereitet, zu dem auch der Besuch des „Resi“ gehörte. „Ich seh’ Sie heut’ Abend im Resi“. Mit diesem Slogan warb das berühmte Berliner Ballhaus seit Monaten auf zahllosen Plakaten.

1951 hatte der Berliner Kaufmann Paul Baatz diesen wunderschönen Ballsaal wieder aufgebaut und ihm in Anlehnung an das ehemalige Residenztheater den Namen „Resi“ gegeben. Das Markante dieses Tanzpalastes bestand darin, dass alleinstehende Damen und Herren hier auf besondere Weise Kontakte knüpfen konnten. So hatte jeder Tisch einen Telefonapparat und eine weithin sichtbare beleuchtete Nummer, die von jedem anderen Tisch angewählt werden konnte. Eine äußerst reizvolle Sache.

Robert hatte dort einen Tisch reserviert, und an diesem Abend war ich sehr gespannt, erwartete uns doch ein ganz besonderes Ereignis. Zwar gehörten wir nicht mehr zu diesen Singles, aber es war ein Riesenspaß, zu beobachten, wie die Blicke der einsamen Herzen von Tisch zu Tisch wanderten, bis sie die Dame oder den Herrn ihrer Wahl gefunden hatten. Und prompt klingelte dort dezent das Telefon und man sah, wie die beiden sich unterhielten. Wollte man allerdings mit der Person seiner Wahl in Briefkontakt treten, so war dies über ein ausgeklügeltes Rohrpostsystem möglich, für das es an jedem Tisch ein Fach für Eingang und Ausgang gab. Eine Partnerbörse par excellence. Und dann wurde getanzt, getanzt und nochmal getanzt.

Aber der Clou des Abends begann um Punkt elf. Langsam hob sich der Bühnenvorhang und gab den Blick frei auf eine atemberaubende Kulisse von Wasserfontänen, die, musiksynchron, in allen Farben, mal höher mal niedriger schossen oder sich zu Schlangenlinien formten. Ein grandioses Schauspiel.

Einen anderen Abend verbrachten wir in der Bar des Hilton-Hotels. Wir waren die einzigen Gäste und entschieden uns für einen winzig kleinen Tisch an einem der großen Fenster. Hier, über den Dächern von Berlin, konnte man deutlich erkennen, wo das Lichtermeer West-Berlins am Tiergarten abrupt abbrach und der dahinter liegende Ostteil der Stadt wegen seiner viel spärlicheren Beleuchtung kaum zu erahnen war. Obwohl in seinem Portemonnaie Ebbe herrschte, bestellte Robert zwei sündhaft teure Cocktails, an denen wir uns den ganzen Abend festhielten.

Die drei Musiker am Klavier, Bass und gedämpften Saxophon spielten verträumte Melodien, die uns natürlich immer wieder zum Tanzen animierten. Es war ein eigenartiges Gefühl, in dieser luxuriösen Bar die einzigen Tänzer zu sein, und im Vorbeitanzen flüsterte mein Schatz dem Klavierspieler zu: „Besame mucho“. Der nickte lächelnd und zwinkerte uns vielsagend zu. Die Rumba hatten wir vor kurzem in der Tanzschule gelernt und zählte neben dem Walzer zu unseren Lieblingstänzen. Und während wir uns dem erotisch angehauchten Rumba-Rhythmus hingaben, angeschmiegt, um nach einer getrennten Drehung wieder zueinander zu finden, flüsterte mir mein Schatz ins Ohr: „Ich finde, das hier ist überhaupt das Beste, das Berlin für zwei Verliebte zu bieten hat.“
Wie so viele Erlebnisse in dieser Woche ist mir vor allem der Abend in der Hilton-Bar tief im Gedächtnis geblieben.

Autor: fleurbleue

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