Ich liebte einen Schotten

Er stammte aus Schottland und kam vor über 30 Jahren nach Deutschland. In seiner Nähe glaubte ich den Atem der schottischen Highlands zu spüren. Auch war ich beeindruckt von seiner Beziehung zur Royal Family, vor allem zu Prince Charles. Was seine Falten betraf, so störten sie mich keineswegs. Im Gegenteil, sie gehörten zu ihm wie die Pubs zu den schottischen Dörfern.

Ach, wie war ich in Pringle verliebt. Er passte so gut zu mir. Edel und weich fühlte er sich an, wenn meine Hand über ihn strich. Ich ging oft mit ihm aus, und meine Freundinnen bewunderten ihn. Viele Jahre war er mein ständiger Begleiter.
Aber im Laufe der Zeit begann sich etwas zu verändern. Seltsame Beklemmungen tauchten auf, und sobald ich in seine Nähe kam, fühlte ich mich von ihm eingeengt. Ich versuchte alles, dem entgegen zu wirken, etwas zu ändern, aber weder ich selbst, noch er ließ sich ändern. Hoffnungslos.
Eine Weile strafte ich ihn mit Nichtbeachtung, ließ ihn hängen in der Hoffnung, wir würden vielleicht irgendwann wieder zueinander finden.
Dann noch ein Versuch. Ich näherte mich ihm voller Erwartung, ließ hoffnungsvoll meine Hand über die Weichheit seiner Falten gleiten.
„Du bist so schön“, flüsterte ich. Aber roch er nicht eigenartig? Keine Spur mehr vom Atem der schottischen Highlands.
Und dann mein Entsetzensschrei:
„Hilfe, ich kriege keine Luft. Nein, es ist vorbei!“

Und so kommt, was eines Tages kommen musste. Ich trenne mich von ihm, dem Schottenrock, diesem schönen Stück in Größe 38, im grün-blauen Karo.
Soll er doch eine andere beglücken. Eigentlich sieht er ja noch gut aus.
Nur die übergroße Sicherheitsnadel nehme ich ihm ab und lege sie in ein Schmuckkästchen, als Erinnerung an jugendliche Zeiten, in denen mir Einengungen noch fremd waren.