Fred und ich
Wie fast jeden Abend, wenn Fred vom Büro nach Hause gekommen war, saß er am Küchentisch, müde und froh, hier ein wenig entspannen zu können. Er hatte für sich und mich ein Glas Rotwein eingeschenkt und wartete nun, dass ich käme, um mit der Zubereitung des Abendessens zu beginnen. Er liebte diese Stunde, wenn er mir mit halb geschlossenen Augen zuschaute, wie ich mir am Herd zu schaffen machte, um etwas Köstliches zuzubereiten. Er wusste, dass er mir das Kochen überlassen musste, war dies doch eine meiner Leidenschaften. Aber wo bleibt sie heute bloß, dachte er, um diese Zeit ist sie doch immer hier.
Aber ich war auf dem Dachboden kleben geblieben, weil ich beim Suchen nach einem Tapetenrest für meine Bastelei etwas Interessantes gefunden hatte.
Es war ein alter Karton, der meine und Freds Briefe von vor fast vierzig Jahren enthielt. Dazwischen lag sogar ein Umschlag mit Fotos, was mich nun völlig überraschte. Einen Brief nach dem anderen faltete ich auseinander und kam aus dem Lesen nicht mehr heraus. Und je weiter ich las, umso mehr begannen meine Ohren zu glühen. Ja, das alles hatten wir uns geschrieben. Du lieber Himmel, und hier auch noch dieses Foto -, unglaublich, dass Fred mich damals so fotografiert hatte.
Ich nahm das Foto und einen ganz bestimmten Brief heraus und rannte die Treppe hinunter. Erst jetzt fiel mir ein, dass es Zeit für das Abendessen war. Oh je, Freds Magen knurrt bestimmt zum Steinerweichen, dachte ich.
Und tatsächlich saß er in der Küche bei seinem Rotweinglas.
„Hi Schatz, ich hab was gefunden, Du glaubst es einfach nicht!“
Ich legte ihm Brief und Foto auf den Tisch.
„Nun lies mal, das hast Du mir vor mehr als dreißig Jahren geschrieben.“
„Ach nee, was soll das denn jetzt? Ich dachte, Du hättest das alles beim Umzug weggeworfen.“
„Hatte ich auch gedacht. Hab ich aber nicht. Komm, nun lies schon!“
„Jetzt trink mal erst einen Schluck“, und er reichte mir das Glas.
Ich schob ihm den Brief noch weiter unter die Nase, und Fred las:
„ … Es regnet schon den ganzen Tag. Berlin ist kalt und grau. Aber Dein lieber Brief hat mir die Sonne gebracht und …“
Fred hielt inne als er das Foto sah. Sein Blick blieb hängen, lange. Ich stand da in Petticoat mit Spitzenkorsage, lässig an die Wand gelehnt, die dunkle Haarsträhne im Gesicht, und, wie mir jetzt schien, die Augen irgendwie verlockend. Das war in Berlin, als ich ihn besucht hatte.
Fred atmete tief. „Ja, so war es“, hauchte er. Ich musste grinsen und nippte an meinem Glas.
Mit einer plötzlichen Drehung schlang er seine Arme um meine Hüften und presste mich heftig an sich.
„Du bist und bleibst mein Mädchen. Komm, wir gehen nach oben,“ flüsterte er zärtlich.
„Och, da ist es jetzt kalt.“
„Na, dann eben ins Wohnzimmer. Der Berber ist weich und warm…“
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