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Club der Musik

Willkommen im Club.
Kurz vor Mitternacht setzte ich meine Tarnkappe auf, wohlwissend, dass ich damit unsichtbar war. Nur in diesem Zustand war es mir möglich, unbemerkt durch einen dieser geheimen Salons zu wandern.
Dort saßen sie an kleinen Tischen, manche sinnend vor sich hin schauend, einige im Gespräch vertieft. Unsterblich gewordene Menschen aus verschiedenen Epochen der Musik, die mir im Laufe von vielen Jahren ans Herz gewachsen waren.

Schallplattencover

Und so schlenderte ich langsam von Tisch zu Tisch, sah dieses und hörte jenes.
An einem Tisch etwas abseits, entdeckte ich Anneliese Rothenberger im lebhaften Gespräch mit Caterina Valente:
„Ja, das musst Dir mal vorstellen“, meinte Caterina, „Ganz Paris träumt von der Liebe“, und vor allem „Dreh dich nicht um nach fremden Schatten, wenn es Nacht wird in Paris“, lachte sie.
Gleich neben den beiden saßen Rudolf Schock und Peter Alexander.
„Die Kirschen in Nachbars Garten waren so süß und so rot“. Mit diesen Worten schob Peter lächelnd eine Schale mit Kirschen rüber zu den Damen.
„Oh danke“ grinste Rudolf, „Dein ist mein ganzes Herz“ und stibitzte eine Kirsche.
Am anderen Tisch schwärmte Johann Strauss von seinem „Zigeunerbaron“, dem das Schreiben und Lesen völlig gleichgültig war und der sich von Kindesbeinen nur mit Schweinen befasst hatte.
„Da geh ich lieber ins Maxim, da duze ich alle Damen“ lächelte Franz Léhar, wobei er an seine „Lustige Witwe“ dachte und ihm sogar das „Land des Lächelns“ in den Sinn kam.
Ein wenig weiter saßen Puccini und Verdi vor einem Glas Rotwein. Da Puccini von Verdis „Aida“ sehr beeindruckt gewesen war, versuchte er nun seinerseits Verdi für seine „Bohème“ und die „Madame Butterfly“ zu begeistern, wurde aber sofort mit Verdis Violetta aus der „Traviata“ konfrontiert. Ach, was soll’s, dachte Puccini, jeder auf seine Weise.
Am Tisch an der Wand erzählte Gilbert Bécaud gerade von seiner „Nathalie“ auf der Place Rouge, was der neben ihm sitzende Charles Aznavour mit vielsagendem Schmunzeln quittierte.
Dies alles berührte die gesetzten Herren am Tisch nebenan in keiner Weise. Sie stammten aus einer völlig anderen Zeit, zwei von ihnen trugen sogar Perücken.
„Ich würde hier so gerne meine Feuerwerksmusik aufführen“, meinte Händel. „Die würden ihren Ohren nicht trauen.“
„Jaja, auch ich würde ganz gerne…, aber dazu bräuchte es vor allem die Orgel in einer Kirche. Dazu ist der Raum hier völlig ungeeignet“, gab Bach zu bedenken, „nun ja, ein Cembalo oder ein Klavier ginge auch. Was meinst Du Ludwig?“
Mit dieser Frage beugte er sich weit rüber zu Beethoven, dessen Gehör bereits sehr eingeschränkt war.
„Ein gutes Klavier würde ja reichen“, sagte Ludwig, „ich würde ihnen meine „Mondscheinsonate“ präsentieren. Sie würden alle dahin schmelzen.“
Doch dann wurde sein Gesicht finster, sodass sich die Mundwinkel wieder nach unten verzogen.
Wie ein Wirbelwind stürmte plötzlich Mozart in den Raum, direkt auf Anneliese zu. Sein weißer Zopf tanzte dabei hin und her. Er verbeugte sich mehrmals und hauchte ihr einen Kuss auf die Hand: „Küss die Hand, Konstanze, welch ein Glück, dass Dich Belmonte damals aus dem „Sérail“ entführt hat.“
Und als gäbe es noch nicht genug Wirbel, sprangen gleich hinter Mozart vier junge Pilzköpfe in den Raum. Sie entrollten ein Transparent mit der Aufschrift:
„We are The Beatles – I believe in yesterday“!
Das aber war Beethoven nun doch zu viel: „Herrje, was ist das für ein verrücktes Volk hier, wir hätten nebenan bei Schumann und Haydn bleiben sollen.“
„Ach, weißt du was?“ versuchte Vivaldi zu besänftigen, „ich habe hier etwas zum Aufmuntern“.
Mit diesen Worten schob er Ludwig die Noten seines “Frühlings aus den Vier Jahreszeiten“ unter die Nase.
Als Beethovens Blick darauf hängen blieb, verwandelten sich seine hängenden Mundwinkel tatsächlich in ein kleines Lächeln. ---------


„Himmel, wie kann ich nur so etwas Verrücktes träumen!“, rief ich und trat die Bettdecke zurück.

Aber was ist das? Ich saß auf der Bettkante und lauschte:
Oh, eine Amsel, die im Garten ihr erstes Frühlingslied singt.

Autor: fleurbleue

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