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An einem Sonntag im März

Endlich schien die Sonne, und es war warm wie schon lange nicht mehr. Und da Sonntag war, unternahm unsere kleine Gruppe einen Spaziergang durch den Park. Wir genossen es, an diesem Tag ohne Aufsicht zu sein, konnten wir doch kichern und plappern wie uns der Schnabel gewachsen war.

Überhaupt war das Wochenende die schönste Zeit im Pensionat. Die meisten Schülerinnen fuhren dann nach Hause, sodass nur ein Grüppchen von acht oder zehn Schülerinnen übrig blieb. Die konnten oder wollten nicht nach Hause, aus welchen Gründen auch immer.

Auch ich wäre nie auf die Idee gekommen, am Wochenende nach Hause zu fahren, fand ich doch diese entspannten Wochenenden im Pensionat mehr als angenehm. Gerade jetzt im Frühling war es eine Lust, im Park umher zu streifen oder am Weiher den Enten und Schwänen zuzuschauen.

Und nun war Mittagszeit, Zeit fürs Mittagessen.

Während an Wochentagen der Gemüseauflauf oder die Suppe vielleicht ein wenig Speck enthielten oder mal eben an einer Mettwurst vorbeigeschrammt waren, gab es Sonntags immer ein Stück Fleisch, und der Gedanke an eine leckere Mahlzeit trieb uns in den Speisesaal.

Kaum hatten wir uns am Tisch niedergelassen, schoben die beiden Küchenfrauen den Wagen mit den Schüsseln herein. Die wurden herumgereicht, dann die Fleischplatte mit Schweineschnitzeln.

Während Helen sich bediente, rümpfte sie angewidert die Nase:

„Komisch, wie das riecht.“ Das machte auch Marita skeptisch, als sie sich zögernd ein Schnitzel auf den Teller schob.

„E k e l haft!“, rief auch Fabienne.

Schließlich waren alle der Meinung, dass mit dem Fleisch etwas nicht stimme. Einige kauten an ihrem ersten Bissen herum, legten diesen aber verschämt zurück an den Tellerrand. Nicht nur, dass das Fleisch zäh wie Leder war, sondern auch einen seltsamen Geruch verbreitete. Kein Wunder, dass schließlich sämtliche Schnitzel auf den Tellern liegen blieben.

Auch mir war der Appetit vergangen, sodass ich beschloss, das Fleisch irgendwie loszuwerden.

„Ich kann das nicht essen. Ich bringe es raus und vergrabe es irgendwo. Wer will, kann mir auch seines geben. Ich nehme es mit.“

Die Mädchen waren verblüfft aber sofort einverstanden.

Kurz entschlossen sammelte ich die verschmähten Schnitzel auf meinem Teller ein, deckte sie mit meiner Serviette ab und packte noch einen Vorlegelöffel dazu. Dann rannte ich mit meiner Beute hinaus in den Park.

Unter der Hecke, wo in jedem Jahr die Veilchen blühen, war die Erde weich. Dort hockte ich mich nieder und begann mit den Grabungsarbeiten. Mit Hilfe des Löffels hob ich die Erde mit den ersten Veilchen samt ihrer Wurzeln heraus, grub eine Vertiefung, verteilte darin die Fleischstücke und deckte sie mit dem Aushub wieder zu.

Wieder zurück im Speisesaal, erntete ich Anerkennung und schallendes Gelächter. Im Nachhinein begriff ich selbst nicht, woher ich den Mut für diese Aktion genommen hatte.

Aber als im darauf folgenden März die Veilchen unter der Hecke

besonders üppig blühten, konnten wir uns ein Kichern nicht verkneifen.

Autor: fleurbleue

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