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In der Mühle

Mensch, kommst du in das Krankenhaus, dann wirst du erbarmungslos durch die Räder eines Mühlrades gedreht und gewendet. Das Waffenarsenal dieser Einrichtungen ist gewaltig, unheimlich und grandios zu gleich. Außer den schon lange bekannten Röntgengeräten, gibt es MRT's,- CT's,- U-Schall und Apparaturen deren Zweck ich nicht durchschaute, die aber bei mir auch nicht zum Einsatz kamen.

Krankenhaus

Schädliche Röntgenstrahlen durchdringen dein Inneres. Knochen und Knorpel werden durch die teuflischen Strahlen seziert und fotografiert, Lungenflügel stellen den Raucher an den Pranger. Von wegen nie geraucht und auch sonst nie gesündigt! Magnetstrahlen zerschneiden von oben nach unten und von unten nach oben jedes Stückchen menschlicher Materie, die sich zwischen kleiner Zehe und Gehirnoberstübchen befindet, in feinste durchsichtige Scheiben wie, ja genau, wie man einen Parmaschinken super dünn aufschneidet und zur Honigmelone verzehrt. Dabei berechnet ein ganz schlauer Computer jeden Schnitt und zeichnet alles haarklein auf einen Monitor. Der Doktor muss nur noch gucken, was ihm da offenbart wird. Ultraschall kriecht in dich hinein. Völlig blind tastet der Schall sämtliche Eingeweide ab. Piepst wie eine Fledermaus, die gerade ein Insekt mit Hilfe ihrer Antennen ertastet hat, wenn er auf einen unbekannten Bauchbewohner stößt. Auf einem Bildschirm kann man die Schallwanderung verfolgen, versteht aber nicht die freudigen Ausrufe, wenn der gutgelaunte und an deinem Inneren so interessierte Doktor sagt: „Da isses doch“ - was da ist, bleibt aber meist sein Betriebsgeheimnis.

Von allen Apparaturen, durch die meine Materie geschoben, gedrückt, gepresst und gestaucht wurde, gefiel mir am besten der MRT. Es ist eine riesige Maschine, die jedem, der dort durch geschoben wird, heiligen Respekt abverlangt und zugleich ein Hoch auf die Technik ausrufen lässt. Ein MRT muss man sich so vorstellen:

MRT

Ein weißes rundes Monstrum, 2 Männer hoch, durch welches eine enge schwarze Röhre gebohrt wurde. Der Delinquent wird auf eine Art Schlitten gespannt. Der Kopf desselben wird mit einer Gitterhaube fixiert, damit man sich diesen nicht vor Schreck in der engen Röhre anstößt, bzw. dieses Schwarze Loch vor lauter Schreck vorzeitig verlässt, was ja nicht im Sinne der Wissenschaft wäre. Die Ohren erhalten dicke Kopfhörer verpasst und ich dachte, gleich wird zur Folter Ravels Bolero abgespielt. Bei Gott, da gesteht man alle Sünden wie Kettenrauchen, sich unmäßig dem Suff hinzugeben (was bei mir zutrifft), oder besonders fetten Eisbeinern zu frönen doch lieber gleich.

Die zarte, sehr nette ansehnliche Bedienungselfe haucht nur: „Nein, kein Bolero, nur ein Schallschutz, wir wollen doch nicht nachher unser Trommelfell flicken - oder?" Warum ,,unseres"? Schlüpfte sie etwa mit mir zusammen... toll? Aber zu meinem Bedauern: nein. Sie schlüpft keineswegs! Dachte ich mir´s doch. Pah, hätte mich gewundert, wo meine Krankenkasse doch so pingelig ist... Warum ,,unsres"? Schlüpfte sie etwa mit mir...zusammen...toll? ...aber zu meinem Bedauern -nein-....sie schlüpft keineswegs!...Dachte ich mirs doch...Pah, hätte mich gewundert, wo meine Krankenkasse doch so pingelig ist...! "Tango Argentina, den engen, den umschlungenen", brabbelte ich vor mich hin. Altmännerideen!

Leicht errötend und etwas aus dem Konzept gebracht eilte sie hinaus. Da war ich nun ganz allein gelassen mit der riesigen Maschine und sie, sie lächelte mir durch ein Guckfensterchen Mut zu und über einen Lautsprecher lispelte sie: „Wenn etwas ist, drücken Sie einfach den roten Knopf in Ihrer Hand und keine Angst, es geht los.“

MRT

Dann fuhr ich auf dem Schlitten - "wie die Särge im Krematorium", dachte ich - noch bei mir, langsam und sachte meiner Bestimmung entgegen. Im Innern, abgeschieden von der Außenwelt, ertönte ein Signalhorn à la Nebelhorn, Marke Titanic. Dann folgten in Abständen leichtere Flötentöne der AIDA-Flotte beim Ablegen in Hawaii bei Sonnenuntergang und dem Servieren des Captain Dinners mit Sternenwerfer auf dem Pudding. Als Kind im Religionsunterricht stellte ich mir immer vor, wie die Posaunen von Jericho die Mauern einstürzen ließen - und da waren sie. Gewaltig, Mauern umwerfend. Trügerische Ruhe, jetzt, mein Gott, jetzt. Bautz! Ein Paukenschlag von rechts und dann von links zwei. Wieder Stille und Dunkelheit.

Leichter Trommelwirbel, der wie bei der Paukenmesse von Haydn mich auf einen gewaltigen Paukenschlag vorbereitete. Ruhe, kein Applaus! Kennt jemand die japanischen Trommler TAO oder Japan Drummers? Nein, dann ab in ein MRT! Deren Konzert erlebte ich ohrennahe und mein Körper nahm jeden Schlag in sich auf - ungefiltert und direkt und das Schönste daran: bezahlt durch die Krankenkasse. Kostenloser Genuss. Dazwischen zischten und dampften Vulkanausbrüche und zum Abschluss spielten 879 Kumpels mit ihren Schlegeln den Bossen der Ruhrkohle AG im Schacht „Gute Elise“, vor was geschehen könnte, wenn sie aufhörten, zu malochen und nicht sofort eine Lohnerhöhung rüberwächst.

Mein Ohrenschmalz hatte sich nun total verflüssigt und tropfte zusammen mit dem zusammengebrochenen Tinnitusnerv in die Schalldämpfer. Langsam fuhr der Schlitten mit mir aus der Hölle und es wurde Tag und ich hatte als einziger Mensch den Weltuntergang überlebt oder war es vielleicht der Urknall? Mir war es ehrlich gesagt egal aber ich dachte an Beethoven, an den tauben Beethoven, der hätte in dieser Tonkammer alles hören, wieder hören, können und hätte dann seine Ode an die Freude mit Pauken inszeniert, dass den Menschen noch klarer geworden wäre: „Alle Menschen werden Brüder.“

Autor: Fiddigeigei

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