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Harry im Frühling

Abendliche Friedensstimmung in der Oberrheinischen Tiefebene bei Straßburg. Als Harry den letzten Buchstaben auf der Tastatur angeschlagen hatte, seufzte er müde auf und ging zur Funktion „Herunterfahren“ über.

Einige Tage schon saß er über Problemen, die ihn an den Gordischen Knoten erinnerten und nicht einfach gelöst werden konnten. Harry war auch nicht mehr der Jüngste und stammte aus der Generation der Seppelhosen und Schiffertafeln. Er war kein Ass, was die Informatik betraf, und so schien ihm alles wie ein riesiges Puzzle, das er mühsam zusammensetzen musste. Stein auf Stein und oft fiel die aufgesetzte Mauer wieder in sich zusammen.
Nun aber war Feierabend und er summte vor sich hin:

„s is Feieromd's is Feieromd's
Tochwark is vullbracht,
's gieht alles seiner Hamit zu,
ganz sachta schleicht da Nacht.“

Aber so leicht lässt sich's nicht umschalten. Menschen sind nun mal keine Maschinen und so dachte er: „Eine kleine Tour zu Fuß kann nicht schaden“.
An einem kleinen Bauernhaus vorbei führte ihn sein Weg. Ein kleines Mädchen sprang dort noch, vor lauter Lebensfreude über den ausklingenden warmen Frühlingstag, so hoch auf einem Trampolin, dass es bald über das Netz gesprungen wäre und dann wäre es wohl wie ein Schmetterling davon geflogen, in den blauen Frühlingshimmel hinauf.

Im Wald war es noch nicht still geworden. Unsichtbare Sänger pfiffen, sangen, quarrten durcheinander und Meister Specht schlug den Takt dazu. Neben dem schmalen Wegchen wuchsen kleine gelbe Inseln von Scharbockskraut, in weit den Boden bedeckenden weiß glockigen Buschwindröschen.
Harry interessierte vor allem für die Kirschengrossmutter, die gleich am Waldrand stand und bereits an ihren knorrigen alten Ästen die puscheligsten Kirschblüten hervorbrachte und so den blühenden Zwetschgenplantagen zeigte, wer in Sache Blühen das Sagen hat.

Auf den grünen Matten sah er goldene Miniaturlöwen die Zähne fletschen. Der Löwenzahn in weiter Verbreitung leuchtete trotz seines gefährlichen Namens aus dem frischen Frühlingsgras heraus, als sei er die Sonne selber. Eine große Schar geschwätziger Stare saß in den Obstbäumen und erzählte sich von ihrer langen Reise aus dem Süden und wie froh sie seien, endlich wieder gut gelandet zu sein, dort wo man ab jetzt gut leben kann. Imker hatten bereits ihre Bienenhäuser in Stellung gebracht, damit ihre fleißigen Bewohner rechtzeitig zur süßen Ernte und Bestäubung der beginnenden Blütenzeit zur Verfügung sind. „Süßes gegen Arbeit.“

Harry merkte wie sich das Tal langsam mit Dunkelheit füllte. Er sah an den Berghängen, dass die tiefstehende Abendsonne die Fenster in den Häusern, die am Bergrand gebaut waren, sich wie von selbst entzündeten und kurz darauf blind erloschen.

Jetzt umgaben Harry die Schatten der Nacht und er wandte sich zurück nach Hause. Aus der Dunkelheit heraus sah er die Berge nochmals aufglühen und er verspürte einen mächtigen Frieden in sich.

Abendhimmel über einer Stadt in der Ferne

Autor: Fiddigeigei

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