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Die schwarze Fürstin und die Flüchtlinge

Im Kaukasusgebirge saß die junge Fürstin auf einer himmelstrebenden Tanne, ganz oben, wie es einer Herrscherin zusteht. Ihr schwarzes Kleid schillerte metallisch in der Morgensonne und mit ihrem grauen scharfen Schnabel betrieb sie Federpflege.
Das war heute besonders wichtig, denn gestern hatte sie eine Auseinandersetzung mit Kroha, dem alten Anführer. Sie, Cahra, die Junge und Starke, hatte ihn in der Luft besiegt und für immer vertrieben. Nun war sie die Fürstin und Anführerin einer scharfschnäbeligen Krähenschar aus 180 immerhungrigen gestählten Krieger und Kriegerinnen vom Stamme der Schwarzen.
Ihr Volk saß unter ihr im Tann und warteten auf das Zeichen der jungen Herrscherin, um sich dann in den Himmel zu schwingen zur Futtersuche. Es wurde im Kaukasusgebirge immer schwieriger, sich satt zu futtern. Zu viele Krähenvölker besiedelten das Land und der Kampf um die Futterplätze wurde heftiger und unerbittlicher.

Krähen auf einem Baum

Cahra flog auf wie es schon immer Sitte war und rief:
Zum Futter, zum Futter und der Schwarze Pulk flatterte hoch und folgte der neuen Anführerin zu den Feldern.
Gerade als sie sich im Tal der Menschen wie eine dunkle Wolke auf ein Feld herablassen wollten – da knallte es plötzlich von allen Seiten aus den Büschen. Links und rechts von Cahra fielen sie trudelnd hinab. Cor-Rhana, Slewi- Pon und Aso, ihre Spielgefährten aus Jugendtagen, Freunde und Ratgeber und viele weitere des Stammes sanken tot auf das Feld, auf dem sie eigentlich Futter suchen wollten.
Federn flogen windgetragen durch die Luft. Es roch nach etwas schrecklich Verbranntem, was sie noch nie gerochen hatten.
Cahra schrie, kommt, kommt und zog steil nach oben und die ihr noch folgen konnten, taten es ihr nach. Sie spürten, wie um sie herum Geschosse pfiffen und wieder kostete es einigen aus dem schwarzen Haufen das Leben.
Abends flog Cahra noch einmal von ihrem Schlafbaum ganz alleine zu dem Feld des Todes zurück. Sie hoffte noch auf Überlebende zu treffen. Aber es war umsonst. Ihre Brüder und Schwestern hatten die Teufel , mit den langen Stöcken, aus denen tödliches Feuer schoss, in den Feldern weithin sichtbar an den Füßen mit den Köpfen nach unten an Galgen gehängt. Blut tropfte ihnen aus den aufgesperrten Schnäbel auf das Feld. Ein bitteres, ein ehrloses Ende am Galgen baumelnd.

Traurig flog Cahra zurück zu den Übriggebliebenen, fast 50 aus ihrer Schar fehlten. Alle waren hungrig geblieben, wussten nicht, warum man die Brüder und Schwestern vernichtet hatte. Sie umlagernden Cahra, wollte von ihrer Fürstin wissen, wie und was nun geschehen sollte. Cahra vertröstet auf morgen; sie brauchte Bedenkzeit.
In der Nacht auf ihrem Tannenhorst machte sie kein Auge zu und überlegte. Es war schon lange
her, als eine Großtante, die von einem Flug aus dem Süden kommend erzählte, dass es dort in der Nähe eines großen grünen Stromes Futter im Überfluss gab und man eher an Verfettung starb als an den feuerspuckenden Stöcken der Menschen. Sie war zurückgekommen, um in ihrer alten Heimat, da wo sie geboren wurde, zu sterben. Cahra war noch ein Nesthäkchen, welches von ihren Eltern gefüttert wurde, aber sie hatte gut zugehört und alles verstanden.
War das die Lösung, war sie die neue, aber noch unerfahrene Krähenfürstin, überhaupt in der Lage, ihren Stamm ins Gelobte Land führen zu können? Hatte sie die Kraft, den schwarzen Haufen so weit fort zu locken? Sie dachte an ihre Eltern, die immer alles gemeinsam entschieden hatten und auch schon Anführer waren. Jetzt in dieser schweren Stunde bräuchte sie ihren Rat, aber es gab sie nicht mehr. Kroha, der alte Fürst, den sie gerade besiegt hatte, hatte sie verjagt oder gar getötet.
Morgen, morgen wollen wir abstimmen und ich werde es wagen.

Der Morgen kam grau über den Kaukasus und der Eichelhäher ein Freund der Krähen war der erste, der dort oben in der Waldeinsamkeit erwachte und mit seinem Ruf:
Ein neuer Tag, ein neuer Tag und Brüder auf, Brüder auf,- das schwarze Volk der Krähen weckte-.
Cahra rief zur großen Versammlung der Schwarzen von ihrem Fürstensitz aus.

Brüder und Schwestern sprach die Fürstin,- lange habe ich gestern nachgedacht und wenn alle einverstanden sind, möchte ich euch in das Gelobte Land- in den Süden führen. Dort gibt es keine Feuerstöcke und die Felder, die an einem langen grünen Strom liegen, sind fruchtbar. Es wird ein langer Weg werden und nicht alle werden dort ankommen.
Wer mit will, soll sich reisefertig machen. Morgen in der Frühe, morgen in der Frühe rief sie.
„Wir wollen es wagen, wir wollen es wagen schallte die Antwort vielstimmig von unten zum Thron empor.“
Noch am selben Abend flog Cahra runter ins Tal an einen Fluss, an dem die Wildgänse aus Sibirien bei ihrem Flug nach Schweden und Norwegen Station machten, um sich zu erholen. Hier war auch die Grenze zwischen Asien und Europa.
Wildgänse, Wildgänse wir wollen fort von hier, sprach Cahra. Nehmt ihr uns morgen früh mit. Schneefeder der Anführer der wilden Gänse antwortet artig:
„Gerne könnt ihr unserem Fluge folgen, wir kennen die Strecke bis in die Nähe einer großen Stadt, dort müssen wir uns trennen. Aber es gibt immer welche vom gefiederten Volk, die euch weiterhelfen. Danke, danke, ruft, wenn ihr über uns fliegt.“
Und der Morgen kam, der schwarze Pulk hatte still Abschied genommen von ihren Bergen und Tälern, von den Wäldern und Feldern und von den stillen Seen.

Da, da, der Ruf der Wildgänse und Cahra öffnete ihre stahlblauen Schwingen und mit ihr stobten nach oben in den grauen Morgenhimmel hinein, ihr schwarzer Haufen verwegener Krähen.

Die Schwarze Fürstin rückte zu Schneefeder auf und Schneefeder rief ihr zu:
„Ihr müsst wie wir einen Keil bilden, du als Anführerin an der Spitze, hinter dir deine stärksten Schwestern und Brüder und dann wechselt ihr euch ab. Fliegt hintereinander das spart Kraft und macht schnell. Wir können nicht auf euch warten, also versucht, dicht hinter uns zu bleiben.“

Cahra ließ die Gänseschar passieren und sie gab ihre Befehle, wie es ihre Eltern schon getan hatten und das Heer der schwarzen Ritter formierte sich, wie sie es befahl.
… und so flog der Pulk der Krähen und Wildgänse bis zu dem breiten und langen Fluss, den die Menschen Wolga getauft haben. Sie landeten nur am späten Abend, suchten nach Fressen und früh am Morgen stiegen sie wieder auf.
Einmal machten sie Halt bei den frommen Menschen im Kloster von Nowgorod. Und die Mönche fütterten die ganze Schar und erteilten ihnen den Reisesegen.
Längst waren sie zu besten Seglern der Lüfte geworden, sie lernten ihre Kräfte einzuteilen und so hoch zu fliegen, dass die Feuerstöcke der Menschen sie nie erreichen konnte.
Als die Stunde der Trennung kam rief an einem Abend Schneefeder Craha zu sich:
„Schwester und Fürstin des Krähenvolkes“, sprach er, „morgen müssen wir uns trennen, wir fliegen rechts weiter, ihr müsst euch links halten. Es kommt eine riesige Stadt, in deren Zentrum ein Gebäude mit vielen goldenen Kuppeln steht, dort fragt die Tauben nach dem Rastplatz der Störche und sage Don Largo de la Pierna, dem vornehmen Chef der Störche, dass ich dich schicke.”
Dann gaben sie sich die Flügel und Cahra bedankte sich, für alles, was Schneefeder für ihr Volk getan hatte. Ach was-meinte Schneefeder und wischte sich eine Gänseträne aus den Augen----.und passt auf euch auf-rief er noch.

Bald sahen sie die Goldenen Kuppeln des Kremels unter sich und es war so wie Schneefeder es gesagt hatte. Die Tauben wiesen ihnen den Weg und richtig, auf einer feuchten Wiese trafen sie auf die Storchenschar, die gerade dabei war, sich die Bäuche mit unvorsichtigen Fröschlein zu füllen.
Don Largo de la Pierna – er lebt im Winter in Spanien – stolzierte gravitätisch auf und ab, während die Schwarze Fürstin ihm seine Bitte vortrug.- Schneefeder, meinem alten Freund, werde ich keine Bitte abschlagen-. Morgen früh fliegen wir los. Wir fliegen in Keilformation... und ihr müsst... Cahra winkte ab, das haben wir längst von den Wildgänsen gelernt.

Viele Tage später!

Ich sitze wie so oft morgens bei meinem Espresso in der Sonne, betrachte alles um mich herum und bewundere unser Gärtlein und wie schön es meine Gärtnerin angelegt hat. Freue mich am Amselgesang und dem fleißigen Gebrumme der Bienen und Hummeln, die sich am Lavendel erlaben, den herumflatternden Schmetterlingen und der blauen Libellen am Teich.
Ab und zu schaue ich auch den Berghang hinauf, wo schon einige Zeit zur “Freude” der in der Nähe hausenden Nachbarn ein beträchtliches Geschrei ertönt. Eine Kolonie Saatkrähen hat es sich dort oben gemütlich gemacht.
Ich treffe die schwarzen Gesellen oft bei meinem Morgenlauf. Es sind Frühaufsteher wie ich und ihr Häuptling, den ich Florian nenne – nach dem berühmten Edelmann und Anführer des schwarzen Haufens ”Florian Geyer” in den Bauernkriegen – ist immer der Truppe vorneweg und fliegt Scheinangriffe, wenn ich seiner Schar zu dicht auf die schwarze Federpelle rücke.
Heute geschieht aber Entsetzliches. Die Zahl des Schwarzen Haufens hat sich verdoppelt und sie bekämpfen sich offensichtlich unter fürchterlichem Gekreische.
Auf zwei hohen Bäumen, die weit auseinander stehen, sehe ich auf jeder Spitze die Feldherren sitzen, die von dort aus ihre Heerscharen anfeuern und dirigieren. Es müssen so um die 300 Krähenkrieger sein, die sich eine Schlacht schlagen, dass die Federn nur so fliegen. Drei volle Tage dauert der Kampf am Himmel und um den Platz in den Schlaf- und Niestbäumen. Nach dem 3ten Kampftag sehe ich, wie sich zwei starke Krähen auf einer der höchsten Tannenspitzen gemeinsam niedergelassen haben. Sie haben Burgfrieden geschlossen.
Die Migranten aus dem Kaukasus sind im gelobten Land, wo Milch und Honig fließt und niemand mit Feuerstöcken ein Blutbad unter ihnen anrichten darf, angekommen.

Florian und Cahra herrschen nun gemeisam über das unbesiegbare Schwarze Volk der Saatkrähen.

Autor: Fiddigeigei

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