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Das Märchen vom Kalkofen

Vorwort
Wenn man den Eifelsteig von Kornelimünster nach Roetgen angeht, kommt man gezwungenermaßen an alten restaurierten Kalköfen vorbei. Diese gibt es aber durch den geologischen Aufbau der Eifel häufig in verschiedenen Gebieten. So ein Brennofen konnte 5-6 m hoch sein und wurde meist, aus hartem Felsgestein gemauert, in einen Hang eingebaut, um ihn von oben bequem mit zerkleinerten Kalksteinen und Feuerholz beschicken zu können. Wie ein Kohlenmeiler brannte er Tag und Nacht unter Aufsicht. Es wurde eine Temperatur von 900° erreicht. Es gibt viele Orte in Deutschland, die sogar den Namen Kalkofen tragen. Kalk wurde dringend für den Hausbau benötigt.

Wie ich durch die wunderbare Eifel wanderte, fiel es mir ein, ein Märchen über einen Kalkofen zu schreiben.



Vor vielen Jahren, als es in der Eifel noch Bären und Wölfe gab, lebte einsam im tiefen Wald ein Kalkmüller mit seiner Frau und einem Gesellen. Er war der einzige in dieser Gegend, der einen Kalkofen betrieb und deshalb gelangte er zu großem Reichtum. Viel zu früh verstarb der Müller eines plötzlichen Todes und man munkelte allerlei von Hexenwerk, denn es war bekannt, dass seine Frau schon lange dem jungen Gesellen heimlich schöne Augen machte. So konnte sie es kaum erwarten bis das Trauerjahr zu Ende war um sich mit diesem zu vermählen.

Der Geselle, der Frieder hieß, saß nun im gemachten Nest und seine Frau, die viele Jahre älter war als er und verwöhnte ihn von morgens bis abends. Dafür genoss sie die stürmische Liebe und die heißen Umarmungen seiner Jugend.
So lebten sie schon einige Zeit im Rausch zweier Herzen zusammen und turtelten, wenn es die Zeit erlaubte.

Nun übte in der Nähe des Kalkofens ein Köhler sein rußiges Handwerk aus und der Kalkmüller war froh, von ihm Holzkohle zu erhalten, die er brauchte um seinen Kalk ordentlich zu brennen.
Der Köhler lebte alleine mit seiner Tochter Melusa. Die Mutter war bei ihrer Geburt gestorben und so wuchs sie mit den Pflanzen und Bäumen des Waldes und den Tieren, die dort lebten, in völliger Freiheit und Unschuld auf. Mit 16 Jahren war sie eine Schönheit, die sich mit jeder Prinzessin hätte messen können. Die wilden Tiere erlaubten ihr mit den Jungen zu spielen und die hohen Bäume verneigten sich vor der natürlichen Anmut ihrer Erscheinung. Und sah sie in den wildplätschernden Bach, der an ihrem Häuschen vorbei floss, so wurde dieser ruhig und sie konnte sich in seinem Wasser wie in einem Spiegel betrachten.
Der Vater wusste wohl um den Zauber seiner Tochter und so vermied er es, dass irgend jemand diesen funkelnden ungeschliffenen Diamanten zu sehen bekam. Ging er auf die Märkte seine Kohlen zu verkaufen, so schloss er das Mägdelein in ihr Kämmerchen und verbot ihr, das Haus zu verlassen und befahl ihr, niemandem zu öffnen.
Nun begab es sich, dass der Köhler eine Bestellung Holzkohle zum Kalkofen zu bringen hatte und vergaß, Melusa wie sonst gewohnt einzusperren. Sie schlich leise, wie sie es von ihren Freunden den Waldtieren gelernt hatte, ihrem Vater nach. So sah sie zum allerersten Male einen anderen Menschen als ihren Vater. Es war Frieder, der junge Kalkmüller. Ihre Neugier war geweckt und wenn es nur möglich war, ging sie nun zum Kalkofen.

Frieder merkte bald, dass er beobachtet wurde und bei einer Gelegenheit überraschte er die heimliche Beobachterin. Er hatte noch nie so ein schönes Mädchen gesehen und er verliebte sich so sehr, dass er sie für immer besitzen wollte.
Das war der Beginn einer heimlichen und verbotenen Liebe. Die Vögel sangen ihnen aus Leibeskräften die allerschönsten Lieder und die Bäume rauschten mit ihren Blättern dazu. Die Tiere des Waldes bewachten sie, wenn sie ermattet an ihrer Liebe einschlummerten.
Die Müllerin merkte wohl nach einiger Zeit, dass irgend etwas mit dem Frieder nicht mehr stimmen konnte. Er war abends oft müde und hatte keine Lust mehr zu turteln und die Kalkproduktion wurde weniger und weniger.
Da sie mit den Kräutern des Waldes gut vertraut war, mischte sie einen Schlaftrunk an, der den Frieder in einen tiefen und langen Schlaf versetzte.
Sie ging selbst zum Kalkofen um die Nachlässigkeit ihres Mannes zu erkunden.
Tatsächlich traf sie dort die bezaubernde Melusa an und gab sich ihr scheinheilig als Frieders Mutter aus. Und da Frieder ihr seine Frau als seine angebliche Mutter vorgegaugelt hatte, fasste Melusa Vertrauen zu ihr und erzählte der Müllerin von der grossen Liebe zwischen Frieder und ihr und dass sich etwas unter ihrem Herzen rühren würde.

Die beiden Frauen standen oberhalb des Kalkofens, genau vor dessen Öffnung. Der Ofen war angeheizt, die Kalksteine glühten wie in einem Vulkan. Die Müllerin vor Hass und Eifersucht erfüllt, stieß das Mädchen mit aller Kraft in den Höllenschlund, wo es nach einem Aufschrei jämmerlich zu Asche verbrannte.
Die Frau kehrte zurück und lies sich nichts anmerken. Frieder ging anders Tags wieder an seine Arbeit, doch die schöne Melusa kam an diesem Tage nicht und auch nicht an den anderen Tagen.
Seine Sehnsucht war übermächtig und so suchte er den Köhler auf, um etwas über Melusa zu erfahren. Aber zwecklos, der Alte war selbst verzweifelt, sein Allerliebste verloren zu haben und suchte seine Tochter überall.

Es ergab sich, dass das Haus des Kalkmüllers ausgebessert und auch die Stuben neu heraus gekalkt werden musste.
Frieder benutzte dazu den zuletzt gebrannten Kalk, in dem Melusa ihr entsetzliches Ende fand. Melusa hatte sich mit dem Kalk verbunden und er, der Frieder, ihr Frieder, hatte alles selbst zu weichem weißen Kalkmehl gemahlen. Welch schreckliches Schicksal. Welche Grausamkeit.

In der Nacht erwachte Frieder durch einen leisen Gesang, einen Gesang, wie ihn Melusa ihm oft ins Ohr gesungen hatte. Als er seine Augen öffnete, sah er an der Wand ein Bild. Es war seine Melusa, umgeben von einem Feuerschein und die ihm wortlos zu sich winkte. Am anderen Morgen dachte er, das kann nicht sein, ich habe schlecht geträumt und ging wie immer an seine Arbeit. Aber in der nächste Nacht die gleiche unheimliche Erscheinung. Und so ging es Nacht um Nacht.
Frieder verlor seinen Verstand und in einer dunklen Nacht lief er zum Kalkofen und er hörte den leisen unheimlich klagenden Gesang und wie von einer starken Macht gezogen, stürzte er sich in den glühenden Ofen. „Melusa“ war sein letztes Wort und dann umfingen ihn die Flammen.

Als die Obrigkeit gewahr wurde, dass der zweite Mann der Müllerin spurlos verschwunden war, bezichtigte man sie der Hexerei und sie wurde öffentlich auf einem Scheiterhaufen verbrannt.
Der Kalkofen im Wald aber ist seit dem nie mehr in Betrieb genommen worden. Es fand sich kein Nachfolger, denn nachts ertönt aus der Brennkammer der helle leise und tragende Gesang eines Mädchens.
Nächtliche Wanderer wollten über dem Ofen schwebend zwei in sich verschlungene, feurig lodernde Herzen gesehen haben.


Wer mir diese Geschichte erzählt hat?
Es war der Eifelwind. Ich saß dort, um mich auszuruhen und dann hörte ich den Wind aus dem verfallenen Kalkofen zu mir sprechen. Es klang wie die klagende Stimme eines Mädchens.

Mysteriöse Frau im Märchenwald

Autor: Fiddigeigei

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