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Kleider machen Leute

Mit feinem Humor und viel Selbstironie beschreibt unsere Kolumnistin Edda, bei Feierabend als Niagara bekannt, ihren nicht immer ganz leichten Alltag.

Eddas Allerlei

Machen Kleider Leute?

Im ARD-Fernsehprogramm wurde beim „Wort zum Sonntag“ vor längerer Zeit von einem Experiment im Religionsunterricht erzählt: Den Kindern zeigte man Bilder von Menschen mit zotteligen Haaren, in verbeulten Jeans, ausgeleierten Pullovern und mit schiefgetretenen Schuhen. Sie sollten diesen aus ihnen vorgelegten Kärtchen Eigenschaften zuordnen. Die Kinder entschieden sich für unseriös, fragwürdig, faul, einige hielten die abgebildeten Personen sogar für kriminell. Dann wurden ihnen Fotos von elegant gekleideten Menschen mit glänzenden Schuhen und schicken Frisuren gezeigt. Jetzt griffen die Kinder zu den Kärtchen mit den positiven Eigenschaften: seriös, ehrlich, vertrauenerweckend. Was sie nicht ahnten: Jede Serie Bilder zeigte die gleichen Personen.

Wie oft beurteilen wir die Menschen, die uns begegnen, nach ihrem Äußern – und können uns dabei gewaltig irren. Dazu möchte ich von zwei Begebenheiten berichten:

Vor Jahren klingelte es an unserer Haustür. Ich beäugte misstrauisch die jungen Männer im flippigen Hippie-Gammellook und hätte ihnen, erschreckt über ihr Aussehen und Schlimmes befürchtend, am liebsten die Tür vor der Nase zugeschlagen. Zum Glück tat ich es nicht, denn dann stellte sich heraus: Es waren wohlerzogene Jugendliche, die höflich nachfragen kamen, ob sie meine beiden Töchter zu einer Party einladen dürften.

Die zweite Begebenheit war eine Szene in einem Warenhaus, kurz vor Ladenschluss. Ein junger Mann im grauen Kittel eilte mit Putzeimer und Wischmopp an mir vorbei. Als er mir ein fallengelassenes Päckchen aufhob, kamen wir ins Gespräch. Dabei stellte sich heraus: Er ist Doktor der Physik, aber sein in Tschechien erworbenes Diplom kann hier erst nach erneutem Hochschulbesuch und Ablegen einiger Prüfungen anerkannt werden. Morgens studiert er, abends verdient er putzend seinen Lebensunterhalt.

Ich war beeindruckt – und das mit Recht. Doch dass ich ihn daraufhin gleich um einige Nuancen höflicher behandelte, machte mich nachdenklich. Als ich ihn zuvor für einen einfachen fleißigen Putzmann hielt und nichts von seinem Hochschulabschluss ahnte, hatte er da nicht den gleichen Respekt verdient?

Neulich las ich einen Ausspruch von Jeanne Moreau, der Filmschauspielerin, die einmal sagte:
Menschen sind wie Museen: Nicht auf die Fassade kommt es an, sondern auf die Schätze im Innern.

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