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Zeigt her eure Schuhe

Es gab Zeiten, da genügten ein paar Schuhe für den Alltag und ein paar zum Sonntag, welche meistens lackglänzend und riemchengeschmückt. Dann quälten die Verlockungen, den Möchtegernmännern zu gefallen, mit schwindelerregendem Schuhwerk, die einen erotischen Hüftschwung versprachen.
Drei, höchstens vier Paar Schuhe, welche ich die meinen nannte, bewohnten das kleine Schränkchen im Flur des elterlichen Hauses. Darin enthalten die Hauslatschen der Mutter, in denen sich ihre strapazierten Füße erholen durften, und diese besonders teuren, sorgsam gepflegten. Ferner die schwarzen, stets blank geputzten Halbschuhe des Hausherrn, sowie seine derben braunen, deren Platz von mir frech benutzt, wenn seine Treter außer Haus.

Nein, verrückt nach Schuhen war ich damals (noch) nicht, doch hin und wieder verprasste ich leichtsinnig, zum Beispiel für diese „moosgrünen Stöckelschuhe“, mein gesamtes Junggesellinnen-Salär.

Viele bunten Stöckelschuhe

Heutzutage befällt mich stets ein merkwürdig kribbelndes Gefühl, immer dann, wenn die Auslagen der Schuhgeschäfte ihre jeweils angesagten Jahreszeiten-Modelle präsentieren.
Anprobieren kostet ja nichts, deshalb betrete ich stets ohne Scheu die „Hol-sie-dir-sonst-sind-se'-weg“-Läden, welche die aktuellsten Ankle Boots, Wedges, High Heels und All Birds feilbieten.
Hab's mir’s längst abgewöhnt, die schnöden Sonderangebotsständer zu beachten, denn wenn mein Herz beginnt den schnelleren Gang einzulegen, ich dieses entzückende Auslaufmodell in den Händen wiege, es wage die zappelnden Füße endlich mit ihnen bekannt zu machen, natürlich den Rechten zuerst, mein hallux-rigidus-Sorgenkind, spüre ich sofort inmitten anderer Goldgräberinnen, schon nach den ersten Probeschrittchen, dies 39er-Modell welches mich so faszinierte, weigert sich beharrlich dem Breitling genügend Platz anzubieten, und ein schmerzlicher Verzicht steht unausweichlich bevor.


Deshalb beflirte ich rigoros nur noch Neuware, deren Preise mir mittlerweile nur ein müdes Lächeln entlocken, denn keine Zahl kann mich mehr schocken, vor allem nicht, wenn diese bereit, mir einen Traum zu erfüllen.

Nachdem ich das an der Innenseite meines Objekts der Begierde klebende Schildchen endknuddelt, und entziffert, schlüpft wie hypnotisiert, zuerst mein Rechter, dann auf Geheiß des Bruder Schuhs auch der meist vernachlässigte, nicht behinderte Linke, in die mir bereits schon im Kopf gehörende Sensation.
Üblicherweise gehört solch ein Verhalten nicht zu meinem Stil, selig auf und ab zu tänzeln, um schließlich ein freudig erregtes "Ja, ich will“ zu hauchen.

Zücke wenig später cool die rote Karte, so als sei ich die Ex von Jeff Bezos, und schwebe leichtfüßig von dannen.

Zu Hause jedoch entwickelt sich mittlerweile von Schuh- zu Schuh-Erwerb ein kleines Problem.
Denn dort, wo sich seit Jahren friedlich meine gesammelte Tretergesellschaft tummelt, herrscht gemütliches Chaos, sämtliche Sommer-, Frühjahrs-, Winter-, Wander-, Herbst- und Outdoor-Fußschmeichler, der jeweiligen Modetrends verschiedener Dekaden, beanspruchen verständlicherweise jeden Zentimeter in unserem gemeinsamen Fußbekleidungs-Schrank.
Ich besitze zum Glück die begnadete Gabe, instinktiv aus diesem kunterbunten Gewirr meinen jeweiligen Tageswunsch-Kandidaten mit fast detektivischem Spürsinn zu orten. Doch das Verhalten meines Mitbewohners nervt enorm, weil dieser sich permanent weigert, mir die jämmerlichen 91/2 Zoll, welche seine einzigen, heißgeliebten "Bär"-Schuhe (mit garantierter Zehenfreiheit) beanspruchen...

…abzutreten.

Autor: galen

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