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Tote backen keine Kuchen mehr

altes Bild einer Frau

Als Kind bekam ich auf die Frage „wo ist die Oma jetzt?“, zur Antwort „die ist im Himmel.“

Diese Erklärung nährte meine Fantasie, der Himmel war für mich der schönste Ort überhaupt, die Erwachsenen sprachen von diesem schwärmerisch respektvoll manchmal gar sehnsüchtig.

Später habe ich mich mit dem Himmel und den dort vielleicht auf mich Wartenden nicht mehr beschäftigt.

Der Tod, von dem ich hin und wieder hörte, hatte nichts mit meiner Welt zu tun, denn ich befand mich auf dem Weg eine Frau zu werden. Alles war herrlich neu und zugleich auch schrecklich. Der Tod jedoch war ein hartnäckiger Geselle, brachte sich immer wieder in Erinnerung. Eine liebe Freundin hat er „zu sich genommen“, doch das Leben ging weiter. Ich wollte sie einfach nicht wegglauben.

Die Jahre, in denen man denkt nie alt zu werden seien die Schönsten, sagte meine Mutter. Selbstverständlich nahm ich mir mein Jungsein, die Lügen und Illusionen, den Leichtsinn und Enttäuschungen, welche damals noch nicht so tief schmerzten.

Fast leichtfüßig begrüßte ich die 30 / 40 / 50 / - zigste Erinnerung an meine Geburt.

Mein Vater folgte Freund Hein, meine liebste Tante auch, auch Onkel Karl, doch allesamt blieben sie mit mir lebendig. Dann starb sie, der Mensch der mich geboren, getragen, genährt hat, stets für mich da war, seit dem ich auf dieser Welt war: meine MUTTER.

Ich sah ihr friedliches, vertrautes Gesicht, den Sarg, die weißen Rosen, sie entzog sich meinen Augen und verschwand, wurde verschluckt, von dunkelkörnig brauner Erde, um mich in Tränen aufgelöster Abschiedsschmerz, ich weinte nicht, warum auch, sie war ja nicht weg, meine MUTTER.

Zwar fehlte mir ihre vertraute Stimme verzerrt durchs Telefon, doch ich konnte sie riechen und ihr unvergleichlich positives Lachen hören, wenn ich es wollte.

Viele Jahre später geschah folgendes: Ich saß in einem Straßencafé an einem kleinen Tisch, welcher auf dem holprigen Bürgersteig platziert war. Bemüht, den wackeligen Stuhl in der Balance zu halten, probierte ich von dem Pflaumenkuchen, dessen saftig herbe Zwetschgen sich mit dem köstlichen Hefeteig zu einer gewaltigen Erinnerungsexplosion vermischten. Zuerst spürte ich meine Mutter auf der Zunge, dann berührte sie gewaltig mein Herz.

Schmerzlich wurde mir plötzlich klar, nie, nie wieder wird meine MUTTER für mich solch einen Kuchen backen wie jenen, der genauso schmeckte wie der ihre, frisch vom dunklen Blech und noch warm. Dann weinte ich hemmungslos und meine Tränen vermischten sich mit dem „Mutterkuchen“.

Ich weinte endlich um den Verlust meiner MUTTER, denn sie war tot.

Autor: galen

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