Die Kostprobe
Eben noch war sie grün, die Anzeigentafel unserer Stamm-Tiefgarage. Dann errötete sie, um sogleich das Katz-und-Maus-Spiel fortzusetzen.
Wir nehmen diese Garage trotzdem, denn die ist am praktischsten. Und reihen uns direkt hinter gefühlten 25 geduldig wartenden Autos ein.
„Los fahr schon“, schreie ich durch die geschlossene Scheibe diesem Golf GTI Baujahr 90 ins Rückfenster, welcher zögerlich tuckernd die noch nicht geöffnete Schranke anpeilt; das rote Knöpfchen mit seinem Teleskoparm in Zeitlupe betastet und im Schritttempo weiterzuckelt.
Ich flirte unterdessen mit dem Parkscheinautomat: "Gib Ticket, komm schon!“ Schließlich ist er mir geneigt und spuckt gnädig ein Parkerlaubnis-Kärtchen aus. Die Suche nach dem geeigneten Stellplatz raubt meinen letzten noch intakten Nerv. In solchen Situationen wünsche ich mir nichts sehnlicher als glücklicher Besitzer eines Behinderten-Ausweises zu sein.
Kurz bevor meine Wut außer Kontrolle gerät, flüchte ich schon mal Richtung Fahrstuhl. Kein Einkaufswagen in Sicht, ich belagere die Kassen in der Hoffnung, dort fündig zu werden. Doch die bis zum Rand gefüllten Wagen rollen mit ihren Besitzern auf Zeit brav in die Tiefgarage.
Trotzig schnappe ich mir schließlich einen dieser sperrigen Metalltragekörbe.
„Kann ich mal da dran?“ Ich drängele unsanft eine Mittfünfzigerin zur Seite, um mir diese seltenen delikaten Weintrauben zu sichern. Grabsche hastig meine Beute, diese letzten verbliebenen zwei Beutelchen Premium Organic Seedless Grapes.
Männe sucht unterdessen zielstrebig „seine“ Nahrungsmittel, einen Rettich plus Pfeffergurken, ich hingegen Popcorn samt Blaubeeren, er Fleischwurst, Tomaten, Radieschen, ich Emotional-Detox-Tee sowie leckere Bergfeigen.
Dann treffe ich sie wieder, diese Mittfünfzigerin plus karottenroter Raspelhaare, lässig gehüllt in einen in Sarough-Optik gemusterten Poncho. Mit ihrem spitzen auberginefarbenen Zeigefingernagel tippt sie auf die Gemüsekiste.
„Was ist denn das?“ und schaut mich fragend an.
„… Was jetzt?“
„Dieses Zeugs da“, und deutet auf ein undefinierbares Gestrüpp, welches ausschaut wie eine Kreuzung aus echtem Bergheimer Rotlauch, halbwüchsigem Krausköpfle sowie unterentwickeltem Herbstspinacia. Ihr Begleiter, ein waschechter Upstyler, möchte nun ebenfalls aufgeklärt werden.
„Bin sofort wieder da“ und suche Berthold, erspähe ihn lebhaft mit einer Frischemarkt-Fachkraft über den Fettgehalt eines Bio-Bergblumenkäses diskutieren.
„Ich störe ungern Schnuckelchen, doch wir benötigen dringend deinen Rat.“
Widerstrebend verlässt er Frau Antje, um mir zu folgen. Das illustre Pärchen wartet, schon gespannt, auf eine hoffentlich plausible Erklärung.
Ich rupfe fachkundig ein Büschelchen von diesem Grünblatträtsel und reiche es Berthold zum Kosten, welcher dies brüsk zurückweist…
„Sei doch bitte einmal nett und probier das jetzt“, trotzig wendet er den Kopf zur Seite.
Eindringlich appelliere ich nun an seine überaus legendäre Hilfsbereitschaft. Argwöhnisch schnuppernd, nähert er sich dann geschmeichelt diesem völlig unbekannten Objekt. Und seine Neugier siegt, während er bedächtig mit geschlossenen Augen kaut, scheint die Lösung zum Greifen nahe.
Doch plötzlich speit er das Gemisch im hohen Bogen in eine braune, umweltfreundliche, Papiertüte.
„Pfui Deibel, was is'n des für'n Zeug?!“ wettert der Vorkoster wütend.
„Das möchten wir auch zu gern wissen!“
„Scheint zum Glück nicht giftig zu sein“, beruhige ich die nun ehrlich besorgt dreinschauenden doppelten Hipster...
„... Berthold... oder?“
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