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Die Buben und Mädchen des Zeltlagers Waldenburg stellen einen Ausreißer

Wir schreiben das Jahr 1955. Meine Familie und ich waren Anfang des Jahres vom Land, auf das wir während der letzten Kriegsjahre evakuiert worden waren, in die nahe gelegene Kreisstadt, Esslingen am Neckar, umgezogen. Das schöne, ungezwungene Landleben und meine Schulfreunde vermisste ich sehr und meine Eltern überlegten, wie sie mich in den Sommerferien wieder ein wenig Landluft schnuppern lassen konnten, wenn möglich verbunden mit ein bisschen „Abenteuer“.
So stießen sie auf ein Angebot des Kreisjugendausschusses Esslingen, das jährlich in den Waldenburger Bergen, nahe der romantischen Stadt Waldenburg und gleich neben dem Dorf Obersteinbach ein Ferienlager in Form eines Zeltlagers für eine Zeit von 14 Tagen bis 4 Wochen anbot. Ich war natürlich sofort begeistert und es wurde für mich auch gleich der 4-wöchige Zeitraum ausgesucht. Von da an zählte ich die Tage, bis es endlich losging.

Als die Sommerferien begannen und wir (Jungen und Mädchen) auf LKWs der amerikanischen Armee kletterten, ging nach einigen Abschiedsszenen die Fahrt nach Waldenburg los, die für uns schon ein kleines Abenteuer war. Eine Aufsichtsperson auf den jeweiligen LKWs sorgte dafür, dass kein Unfug geschah.

Nach fast 2-stündiger Fahrt gelangten wir auf das Gelände des Zeltlagers, kletterten - die Mutigen sprangen - vom LKW und nun suchte sich jeder sein Gepäck, das separat mit einem LKW transportiert worden war. Danach wurden die Mädchen und Jungens getrennt und auf die einzelnen Zelte verteilt. Links die Jungenzelte, rechts die Mädchenzelte.
Danach versammelten sich alle und unser Lagerleiter – Otto Weinmann – und seine Helferschar gaben die Ordnungsregeln des täglichen Lagerlebens bekannt. Das abenteuerlichste daran war das abendliche Lagerfeuer und die Nachtwachen, die für jede Nacht bis morgens früh um sechs eingeteilt wurden. Das ärgerlichste waren die täglichen Putz- und Reinigungsdienste und auch die morgendliche Körperpflege mit eiskaltem Brunnenwasser war nicht gerade eine Freude für uns.
Die letzte Nachtwache hatte dann die Aufgabe, früh morgens Milch und Brötchen mit einem vorsintflutlichen Leiterwagen aus dem Dorf zu holen, damit die gute Küchenfee (wenn ich mich recht erinnere wurde sie „Tante Emma“ genannt) das Frühstück mit Hilfe einer alten „Armee-Gulaschkanone“ zubereiten konnte.
Gleich zu Beginn des Zeltlagers, das sich auf dem Gelände des alten, fürstlichen Forsthauses (Hohenlohe – Waldenburg) befand, brachten alle Mädchen und Jungen (es mussten ungefähr 100 sein) dem im Forsthaus lebenden, letzten fürstlichen Hohenlohe – Waldenburgischen Förster ein Geburtstagsständchen dar; soviel ich mich erinnern kann hatte er damals ein recht hohes Alter erreicht und er nahm das Geburtstagsständchen an seinem Ehrentag in seiner Respekt einflössenden, grünen Uniform entgegen.

Eines schönen Vormittags bemerkten ich und viele andere Jungs, dass der Lagerleiter und seine Helfer ungewöhnlich lange beisammen standen und einiges zu besprechen hatten. Dies fand zwar jeden Morgen statt, aber diesmal eben wesentlich länger als sonst. Nach einigem Verwundern wandten wir uns dann wieder unseren morgendlichen Tätigkeiten zu und dachten nicht weiter darüber nach.

Nicht lange danach sahen wir, dass der Lagerleiter zusammen mit einem uns nicht bekannten jungen Mann in der Nähe des Forsthauses, gleich bei der „Feldküche“, stand und mit diesem Mann redete. Kurz darauf riefen die Helfer alle Mädchen und Jungs zusammen und der Lagerleiter meinte, dass wir unserem Besucher - der aus Esslingen stammte - doch ein paar Lieder singen sollten. Kurz vorher war zu unserem Erstaunen einer von den älteren Jungs auf ein Fahrrad gestiegen und fuhr in Windeseile in Richtung der Landstrasse.
Wir hatten allerdings schon beim ersten Lied, das wir sangen, den Eindruck, dass dies den jungen Mann nicht sonderlich interessierte – wir hatten eher den Eindruck, dass der Mann ziemlich nervös und ungeduldig war. Plötzlich sahen einige von uns in einiger Entfernung auf dem Zufahrtsweg zum Zeltlager einen Streifenwagen der Polizei in unsere Richtung fahren. Dies bemerkte auch der junge Mann und er fing an, davon zu laufen – was ihm nicht gelang, denn die Jungens hatten inzwischen auf Geheiß des Lagerleiters einen Kreis um ihn gebildet. In welche Richtung der Mann auch flüchten wollte, er war immer von den Jungens umgeben und hatte keinerlei Möglichkeiten, in den nahe gelegenen Wald zu entfliehen.
Als die Polizeibeamten uns dann erreicht hatten, holte einer von ihnen Handschellen hervor, die er dann dem Mann anlegte. Die Polizeibeamten bedanktes sich für das „mutige Eingreifen“ der Mädchen und Jungs und fuhren dann mitsamt dem Gefangenen los.

Als alles vorüber war und wir alle noch sehr aufgeregt waren, erklärte uns der Lagerleiter, die Polizei hätte ihn schon am frühen Morgen benachrichtigt, dass ein zu einer Gefängnisstrafe Verurteilter auf Bewährung bei einem Bauern in der Gegend von Schwäbisch Hall gearbeitet hatte und dort ausgerissen war. Es wäre möglich – aber doch sehr unwahrscheinlich, dass der Verurteilte in das Lager kommen würde. Der Lagerleiter war also vorgewarnt, aber niemand rechnete damit, dass das Ungewöhnliche auch passieren würde.

Für den Rest des Sommerlagers war für ausreichend Gesprächsstoff gesorgt, die Nachtwachen wurden noch interessanter und spannender und der Vorfall floss auch in die Aufführung des „Lagertheaters“, das am
Schluss des Zeltlagers aufgeführt wurde, mit ein.
Nach weiteren zwei Tagen war zu meinem allergrößten Bedauern das Zeltlager zu Ende und es ging wieder mit amerikanischen LKWs nach Hause.
Es ist wohl müßig, zu erwähnen, dass ich in den nächsten Jahren wieder an diesem Zeltlager teilnehmen durfte - und immer für den Zeitraum von vier Wochen.
Auch heute noch findet in unmittelbarer Nähe von Obersteinbach ein Ferienaufenthalt für Mädchen und Jungs statt, nicht mehr auf dem Gelände des alten Forsthauses, das im übrigen auch abgerissen wurde, sondern auf der anderen Seite von Obersteinbach am Waldrand. Heute ist auch ein festes Gebäude Bestandteil des Lagers.
Meine Erinnerungen an die schönen Wochen in diesem Zeltlager haben meine Frau und mich bewogen, im schönen Waldenburg zu heiraten und auch dort zu feiern.

Autor: dumbo2

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