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Geliebte Märchen


Im heutigen Computerzeitalter kennen Kinder und Jugendliche kaum noch Märchen. Zumindest sind sie nicht damit aufgewachsen. Allerdings scheint sich eine Trendwende anzubahnen. Man braucht nur den Harry-Potter-Kult zu beobachten. Eine äußerst geschickte Autorin hat offensichtlich das Phantasiebedürfnis von Kindern neu entdeckt und regt zum Lesen an – immerhin! Die Schriftstellerin verdient viel Geld mit ihren Büchern und verhilft gleichzeitig einem ganzen Industriezweig durch die Harry-Potter-Accessoirs zu steigenden Umsätzen. In den Harry-Potter-Geschichten findet sich viel „Entliehenes“ aus dem Fantasy Genre. Tolkien lässt grüßen. Aber dies nur am Rande.
Zurück zum Thema. Ich bin noch ein Kind der Generation, in der es wie selbstverständlich zum abendlichen Zu-Bett-geh-Ritus gehörte, dass Märchen erzählt oder vorgelesen wurden. Meine Großmutter mütterlicherseits konnte wunderbar Märchen erzählen und vorlesen. Gebannt lauschten mein jüngerer Bruder und ich ihrem spannenden Vortrag und fürchteten uns nicht selten ob einiger gruseliger Geschichten. Aber ich liebte die meist merk-würdigen und oft zauberhaften Märchen über alles und konnte gar nicht genug hören. Als ich selbst lesen konnte, verschlang ich sie geradezu. Es faszinierte mich, dass es eine Welt gab, in der Naturgesetze außer Kraft gesetzt werden konnten und am Ende meist die „Guten“ belohnt und die „Bösen“ bestraft wurden. Letztlich war diese „Welt“ völlig in Ordnung im Gegensatz zu unserer realen, sichtbaren Welt.
Diese „maere“ waren für die Entwicklung meiner Phantasiewelt sehr prägend. Außerdem führten sie mich dazu, auch andere Literatur zu lesen. Es entstand ein Lesehunger, der sich bis heute erhalten hat. Ich kann mich an kaum einen Tag erinnern, an dem ich nicht gelesen hätte – Krankheitstage mit hohem Fieber ausgenommen.
Natürlich wusste ich als Kind noch nichts von dem Unterschied zwischen Volks- und Kunstmärchen. Noch heute ist es mir völlig egal, ob ich ein überliefertes Volksmärchen oder ein Märchen vor mir habe, dessen Autor namentlich bekannt ist und der seine Erzählungen individuell gestaltet. Mich interessiert allein der Gehalt der Geschichten.
Was Märchen für mich so lesenswert macht: Sie enthalten u.a. die in Geschichten gekleideten Lebenserfahrungen, Wünsche, Träume und Hoffnungen eines Stammes, eines Volkes oder eines einzelnen Menschen, ebenso Verhaltensregeln für den Umgang miteinander. Ein gewisser Erziehungsaspekt - wenn auch für unser heutiges Verständnis teilweise recht streng – ist ebenfalls häufig erkennbar. Es bleibt allerdings nach wie vor sehr fragwürdig im wörtlichen Sinne, ob grundsätzlich alle Märchen Kinder als Zielgruppe erreichen sollten. Man stelle sich beispielsweise nur einmal real das Ende des Märchens „Hänsel und Gretel“ vor: Zwei Kinder ermorden eine alte Frau aufs grausamste, was immer inhaltlich vorher geschehen sein mag!
Als Erwachsene begann ich Märchen zu sammeln, und zwar aus aller Herren Länder. Dabei stellte ich fest, dass im vergleich von Märchen verschiedener Kulturkreise parallele Grundthemen, Grundaussagen zu finden sind. Diese Ähnlichkeiten lassen auf identische Lebenserfahrungen von Gruppen, Stämmen und Völkern schließen. Beeinflussungen über Landesgrenzen hinweg infolge der Verbreitung des gesprochenen und geschriebenen Wortes mögen ein weiterer Grund für derartige Ähnlichkeiten sein. In der ausführlichen Fachliteratur fand ich meine Vermutungen bestätigt.
Die Abneigung gegen bzw. die Vorliebe für bestimmte Märchen lässt sich nicht immer eindeutig begründen. Das gilt wohl für jede Literaturgattung. Es spielt sicher eine Rolle, in welcher persönlichen Lebenssituation einem Kind ein Märchen erzählt, vorgelesen wird oder es selbst ein Märchen liest. Auch sind diesbezüglich die verschiedenen Persönlichkeitsstrukturen von Menschen zu bedenken. Der eine vermag sich eben eher mit diesen Figuren, Handlungen, Orten oder Grundaussagen zu identifizieren, der andere mit wieder anderen. Meine Favoriten sind die Märchen von Hans Christian Andersen. Zum einen sind sie so „schön“ traurig, zum anderen halte ich es für sehr gelungen, wie der Däne seine eigene Lebensgeschichte in verschiedene Märchen „verpackt“ hat. Zu meinen Lieblingsmärchen zählen „Die Schneekönigin“, „Der Tannenbaum“, „Des Kaisers neue Kleider“, „Die Nachtigall“ und „Die kleine Seejungfrau“. Wilhelm Hauffs „Der kleine Muck“ allerdings beeindruckt mich nach wie vor am stärksten. Wahrscheinlich u.a. deshalb, weil mich schon als Kind Fremdländisches – besonders Orientalisches – faszinierte. Die DDR-Verfilmung dieses Märchens durch W.Staudte schaue ich mir mindestens einmal im Jahr an. Ebenso die russischen und tschechischen Märchenverfilmungen. Die Augsburger Puppenkiste hat ebenfalls zur Verbreitung sehr guter Märchendarstellungen beigetragen. Von den Volksmärchen mag ich besonders „Das Waldhaus“ und den „Gevatter Tod“.
Den Höhepunkt des Jahres bildete für mich als Kind immer der Besuch des Weihnachtsmärchens im Dessauer Stadttheater. Dessau hatte eine der ersten Drehbühnen der Welt. Mit vor Aufregung glühenden Wangen verfolgte ich die Abenteuer der kleinen Gerda und ihres Freundes Kai in der „Schneekönigin“ oder des kleinen Peter mit Herrn Sumsemann in „Peterchens Mondfahrt“. Später entdeckte ich meine Liebe zu Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“ mit den wunderbaren Volksliedern. Während meiner Studentenzeit erlebte ich bei einer Studienreise nach Prag unvergessliche Aufführungen in verschiedenen Puppentheatern.

So begleiten mich Märchen nach wie vor auch durch den Alltag. Ich möchte diesen Schatz nicht missen. Es ist beruhigend zu wissen, dass es verschiedene „Welten“ nebeneinander gibt.

Autor: ehemaliges Mitglied

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