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Aida und Peter

„Papa“, sagte meine Tochter im Februar 1994 zu mir, „du warst jetzt lange genug allein. Suche dir endlich eine Frau. Schlussendlich wirst du auch älter und nicht jünger.“ Nun das ist eher gesagt als gemacht, darauf antwortete sie mir: „Gehe doch einmal zu einer Wahrsagerin.“ Und so bin ich noch im selben Monat zu einer gegangen - was sie alles aus ihren Karten und der gläsernen Kugel gelesen hat, wäre zu viel, um es hier zu schreib. Nur eins, unter anderem sagte sie mir, dass ich eine schwarze Frau kennen lernen würde, die mich sehr lieben werde und, dass ich mit ihr über die Meere gehen werde und nie mehr zurück käme. Ja, ich solle lieb zu der Frau sein, denn sie habe ein körperliches Leiden. Nun, ich dachte mir, die Frau ist verrückt, und glaubte nicht, was sie mir gesagt hatte und so habe ich auch alles vergessen.
Es war an einem Samstag, den 21 August selben Jahres, als ich bei meiner Tochter in Bern zu Besuch war. Als ich abfahren wollte, merkte ich, dass ich keine Zigaretten mehr hatte und so bin ich zum Bahnhof gefahren, um mir welche zu kaufen: Da sehe ich auf einer Bank eine Frau, die bitterlich weint. Ich weiß heute nicht mehr, was mich überkommen hat: Ich bin zu ihr gegangen und fragte sie, was sie denn habe, dass sie so weine. Nun, sie hob den Kopf, und im ersten Moment war ich ein wenig verwirrt. Da schaute mich ein braunes Gesicht mit langen schwarzen Haaren und verweinten Schlitzaugen an.
Wie ich aus ihrem gebrochenen Deutsch verstanden habe, wartete sie schon zwei Stunden darauf, dass ihre Freundin sie abholte. Und wenn sie telefonieren wollte, sei die Telefon-Nummer nicht mehr gültig und eine Adresse habe sie keine. Ich weiß nicht mehr, war es Mitleid oder Erbarmen. Auf jeden Fall sagte ich, dass sie zu mir kommen könne womit sie einverstanden. Nun auf der Fahrt in das Hotel, wo ich wohnte, erzählte sie mir folgendes: Sie sei Philippina, habe in einem Hotel in Oelikon gearbeitet, im Februar eine Embolie bekommen und anschließend eine Lungenentzündung. Seither leide sie an Asthma. Da sie den Wagen mit den Getränken zum Auffüllen der Minibar in den Zimmern nicht mehr stoßen könne, weil sie zu wenig Luft beim Atmen bekomme, habe man sie entlassen. Nun wollte sie eben zu ihrer Freundin nach Bern. Zu Hause angekommen, zeigte ich ihr zuerst das Zimmer, wo sie schlafen konnte, alsdann das Badezimmer und anschließend gab es zur späten Stunde Ravioli. Am andern Morgen – es war Sonntag - als ich gegen 8 Uhr erwachte, war sie schon auf. Sie hatte Kaffee gemacht und wollte die Wohnung putzen, was ich ihr nicht erlaubte, denn Sonntag ist Sonntag. Da soll man nicht arbeiten, wenn man nicht muss. Alles, was ich von ihr verlangte war, dass sie mir ihren Pass zeigte. Ich hatte kein Interesse, auf einmal die Fremdenpolizei im Hause zu haben, aber zu meiner Überraschung hatte sie nicht nur den philippinischen Pass, sondern auch den der Schweiz und war schon neun Jahre in der Schweiz.

Aber als ich ihr Geburtstagsdatum anschaute, da sagte ich mir: „Peter, Hände weg von dieser Frau. Die ist ja 20 Jahre jünger als du.“
Aber ich hatte mich getäuscht, sie wollte nicht mehr fort von mir. Im Gegenteil, als ich ihr sagte, sie solle sich irgendwo Arbeit suchen, fing sie an zu weinen und sagte unter Tränen “Bitte, jage mich nicht fort!“ So sind die Tage und Monate vergangen. Weihnachten stand vor der Türe und ich wollte die Festtage bei meiner Mutter im Ticino verbringen, aber was mache ich nur mit dieser Frau. Kurz überlege ich, dann entschloss ich mich, sie mit zu nehmen. Meine Mutter hatte die größte Freude, als sie Aida sah. Nur gab es ein Problem dass wir zusammen in einem Bett schlafen mussten, was mir nicht so recht passte, na ja und da ist es eben passiert, dass wir uns das erste Mal liebten.
Während dieser Zeit half Aida meiner Mutter im Haushalt, wo sie konnte. Sie heizte den Kamin ein, zerkleinerte Holz, putzte sogar die Fenster, so dass Mutter mir vor der Abfahrt sagte: "Heirate diese Frau, bevor ein anderer sie dir wegschnappt." Wieder zu Hause angelangt, wollte ich noch ein wenig Fernsehen schauen. Aida war müde und ging schlafen. Als ich später ins Schlafzimmer kam, lag sie friedlich schlafend in meinem Bett, und ihre langen schwarzen Haare auf dem Kopfkissen ausgebreitet. Ich schaute sie so an und endlich sagte ich zu mir „Wieso sollte ich sie nicht heiraten?“ Am nächsten Tag musste ich wieder arbeiten, und als ich nach Hause kam, war wie immer das Mittagessen schon auf dem Tisch. Ich fragte sie nebenbei, ob sie nicht lieber einen Schweizer heiraten möchte, als bei mir den Haushalt zu machen. „Wenn ich heirate, dann nur dich und ich will in den Philippinen in der Kirche getraut werden“, gab sie mir zur Antwort. Das war ja deutlich genug. An Ostern nahm ich zwei Wochen frei, bestellte zwei Flugtickets und so sind wir in ihre Heimat geflogen. Ihre Familie hat uns herzlich Willkommen geheißen, und an Ostern haben wir uns verlobt und machten dann eine dreitägige Reise an den Pazifik, und da habe ich den Entschluss gefasst, für immer in die Philippinen zu gehen. Dann ging eigentlich alles sehr schnell. Kaum waren wir wieder in der Schweiz, habe ich einen Käufer für das Haus und das Inventar gesucht. Ich bin schon im gleichen Jahr im Juni ausgewandert, und als wir uns häuslich eingerichtet hatten, läuteten im August 1996 die Hochzeitsglocken für uns zwei. Ja, ich liebe meine schwarzhaarige, braune und schlitzäugige kleine Frau, von der die Wahrsagerin mir prophezeit hat, habe aber nie geglaubt dass es soweit kommen werde, dass ich aus Liebe zu einer Frau meine Heimat verlassen würde.

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